Futtermittelwirtschaft ist optimistisch
Landwirtschaft
EUREX als Marktchance
Die Futtermittelindustrie ist vom Erfolg der Tierproduktion abhängig. Bei niedrigen Getreidepreisen mischen die Bauern zudem ihr Futter selbst und verzichten auf Fertigfutter. So markierte das vergangene Jahr einen Tiefpunkt der Futtermittelwirtschaft. Doch auf das aktuelle Jahr blicken der Deutsche Verband Tiernahrung (DVT) und der Bundesverband der Agrargewerblichen Wirtschaft (BVA) wieder optimistisch. Das erklärten beide Verbände in einer gemeinsamen Pressekonferenz am Dienstag in Berlin.
Eng an die Veredlung geknüpft
Nach zwei Boomjahren 2007 und 2008 mit zuletzt rund 7,4 Milliarden Euro Umsatz musste die Futtermittelwirtschaft im letzten Jahr ein Minus von 25 Prozent auf 5,6 Milliarden Euro verzeichnen. In erster Linie lag es am Preis, doch auch der Mengenumsatz ging zurück, führte Helmut Wulf, Präsident des DVT (links im Bild), aus. Außerdem waren die Rohstoffpreise sehr hoch.
Beispielsweise schlug die Marktsituation bei Milch und Geflügel auf die Futterwirtschaft durch. Weil die Milchbauern kaum noch Renditen erwirtschaftet haben, mischten sie ihr Futter selbst und fragten weniger Milchleistungsfutter nach. Das Ende der Käfighaltung hat die Zahl der Legehennen reduziert, was sich ebenfalls in einer geringeren Nachfrage niederschlug.
Für das Jahr 2010 rechnet der DVT aber wieder mit mehr als 21 Millionen Tonnen Futtermittelabsatz. Die Absatzbelebung sei nicht nur auf die beginnende Konsolidierung des Milchmarktes zurück zu führen, sondern vor allem auf den Schweinemarkt. In den letzten Jahren hat sich gerade in der Mast eine schlagkräftige Industrie entwickelt, die auch in Krisenzeiten investiert, so Wulf: „Diese Sektoren setzen voll auf Kostenführerschaft und Effizienz.“ Dazu gehört auch qualitativ hochwertiges Futter.
„Die Silos sind voll“
Aktuell ist der Markt jedoch noch „impulslos“, wie „gelähmt“. Bruno Fehse, Präsident des BVA (auf dem Bild rechts), führt das darauf zurück, das die Getreidesilos noch voll sind. Einige Erntepartien feierten in diesem Jahr ihren ersten Geburtstag. 35 Prozent der Vorjahresernte sollen noch in den Silos stecken. Zudem führe die Euroschwäche zu einer geringeren Nachfrage aus Exportländern. Erste Impulse allerdings sei auch nicht vor April zu erwarten – und die Bauern dürften sich freuen: Bislang sind keine Auswinterungsschäden zu sehen und es werden wohl rund 25 Millionen Tonnen Getreide geerntet werden können. Die ersten Vorkontrakte werden bereits zu Preisen zwischen 120 und 125 Euro je Tonne abgeschlossen. Allerdings forderte Fehse ein funktionsfähiges Interventionssystem, das die Volatilität der Märkte ausgleichen könne.
Mischfutterherstellung in D in | ||||
|
2008 |
2009 |
Veränd. in t |
Veränd. in % |
Rinder |
6.237 |
5.876 |
- 451 |
- 7,1 |
Schweine |
9.183 |
8.923 |
- 260 |
- 2,8 |
Mastgeflügel |
3.348 |
3.212 |
- 136 |
- 4,1 |
Kälber |
291 |
270 |
- 21 |
- 7,6 |
Gesamt |
21.825 |
20.829 |
- 996 |
- 4,6 |
Q: DVT; 2009 vorläufig |
Sorgen...
DVT und BVA blicken mit Sorge nach Brüssel. Generell stehen in Deutschland nicht genug Eiweißfuttermittel zur Verfügung. Bayerns Agrarminister Helmut Brunner hat zwar kürzlich die Initiative ergriffen, eine Strategie für mehr heimische Eiweißpflanzen zu erarbeiten, doch scheint das nicht realisierbar zu sein. Bernhard Krüsken, Geschäftsführer des DVT, beschreibt Herd-und-Hof.de die benötigten Dimensionen. Rund 25 Millionen Tonnen Soja werden importiert. Dafür bräuchte man für die gleiche Menge an Protein in Deutschland 60 Millionen Tonnen Erbsen und Ackerbohnen. Für diesen Anbau müssten zwischen 15 und 20 Millionen Hektar Ackerland bebaut werden, mehr als insgesamt in Deutschland zur Verfügung steht. Nach Krüsken gebe es seit den 1970er Jahren Bestrebungen, das Eiweiß regional anzubauen, doch sei das nie ökonomisch gewesen. Weizen sei wirtschaftlich ertragreicher für die Bauern.
Demgegenüber haben Brasilien und Argentinien ihren Sojaanbau im laufenden Jahr stark ausgeweitet. Brasilien wird wohl 10 Millionen Tonnen mehr ernten und kommt auf 67 Millionen Tonnen Soja. Argentinien wird mit 53 Millionen Tonnen 21 Mio. mehr als im Vorjahr ernten. Damit stehe ausreichend gutes und preiswertes Eiweiß zur Verfügung.
Wenn die EU von der Nulltoleranz abweicht. Jeder Frachter, der Spuren von gentechnisch veränderten Futtermitteln aufweist wird nicht gelöscht. Die Brasilianer haben beispielsweise eigene GVO-Sorten auf den Markt gebracht, so dass nach Angaben Fehses rund 35 Prozent des Soja Spuren der veränderten Pflanzen aufweisen würden. Fiele dieser Markt weg, dann fürchtet Fehse einen wirklichen Lieferengpass mit Auswirkungen auf die gesamte Viehbranche. Zumindest für den Tiefkühlmarkt könnte die Geflügelbranche in das Ausland verlagert werden, so Fehse. Sojabauern und Mäster sitzen in einem Boot – das hatte während der Grünen Woche die Direktorin der amerikanischen Sojaexportvereinigung schon gesagt.
... und Wünsche
Für die Stabilität des Marktes möchte die Futtermittelwirtschaft ihre Rohstoffe an der Börssse handeln. Damit die mitteleuropäischen Märkte unabhängig von der New Yorker Börse sind und sich nicht an der Pariser MATIF, einer Tochter der amerikanischen Börse, orientieren müssten, forderte Fehse in Berlin einen Neustart des Agrarterminhandels an der Frankfurter EUREX. Nur hier könnten sich relevante Preise an Hamburg oder dem Mittellandkanal orientiert bilden und auch den Getreideexporteuren Polen, Tschechien und Ungarn zugute kommen. Der BVA habe bereits erste Gespräche über eine Platzierung eines Weizenkontraktes gesprochen.
Roland Krieg; Foto: roRo