Futtermittelwirtschaft mit Rekordergebnis

Landwirtschaft

Futtermittelwirtschaft: Rekorde in schwierigen Zeiten

Zufrieden blickt der Deutsche Verband Tiernahrung (DVT) auf das Wirtschaftsjahr 2010/2011 zurück. Gegenüber dem Vorjahr konnte der Umsatz um 1,6 Milliarden auf 6,7 Milliarden Euro gesteigert werden. Mit 22,6 Millionen Tonnen verkauften Mischfutters wurde der langjährige Durchschnittswert von 21 Millionen Tonnen deutlich übertroffen. Doch im Detail steckt viel Arbeit dahinter. Die Witterungsverläufe der letzten Jahre haben die Grundfutterbasis geschmälert und schwankende Rohstoffpreise erschweren Planung und Kalkulation. Dieses Fazit zogen DVT-Präsident Helmut Wulf und Geschäftsführer Bernhard Krüsken am Donnerstag in Berlin.

Wachstumstreiber Schweinefutter

Die seit geraumer Zeit hohen Milchpreise lassen die Milchviehhalter wieder stärker in den Mischfuttertopf greifen. Geflügelfleisch bleibt bei den Verbrauchern gefragt. Das wiederum setzt sich bis in die Futtermittelindustrie fort.
Der Witterungsverlauf 2011 hat für regional zu knappem Grundfutter geführt, was ebenfalls die Nachfrage nach Misch- und Handelsfutter angetrieben hat. Viele Schweinehalter haben angesichts der hohen Getreidepreise ihres lieber verkauft und durch zugekauftes Mischfutter ersetzt. Dabei zeigt sich Schweinefutter als der diesjährige Wachstumstreiber. Es gab gegenüber dem Vorjahr ein Plus von 8,3 Prozent auf fast 10 Millionen Tonnen.
Ganz ungetrübt ist die Freude aber nicht, denn das derzeitige Tief bei den Schweinepreisen wird auch die Futternachfrage dämpfen. Eine „fundamentale Umkehr“ sieht Wulf kurz- und mittelfristig nicht.

Mais und Biogas

Landauf und landab wächst der Mais einer Rekordernte entgegen. Was davon aber wirklich im Futtertrog wandert, ist nach Helmut Wulf noch offen. Der Boom bei den Biogasanlagen verschärfe die Nutzungskonkurrenz. Nach Bernhard Krüsken gibt es eine enge Verbindung zwischen Anlagenneubau und neuen Maisflächen1).

Honigurteil und Sojaanbau

Im Honig darf kein Pollen gentechnisch veränderter Pflanzen mehr vorkommen. Welche Auswirkungen das Urteil des Europäischen Gerichtshof2) auf die Lebens- und Futtermittelindustrie hat ist derzeit noch offen. Auch der DVT weiß nach Aussage von Helmut Wulf noch nicht, wie das Urteil einzuordnen ist. Nach Krüsken hat der EuGH „einen unmöglichen Zustand“ geschaffen. Es ist jetzt schon schwer, gentechnikfreies Soja zu beschaffen, das Verbraucher fordern. Ganz Argentinien3) falle als Beschaffungsmarkt bereits aus und Brasilien zahle kaum noch Aufwandsgeld für den Anbau nicht gentechnisch veränderten Soja. Die Beschaffung wird in Brasilien zunehmend schwerer.
Allerdings wird es nach Krüsken keinen ernst zu nehmenden Sojaanbau in Deutschland geben, wie ihn derzeit Bayern vorantreibt4). Schon vor 40 Jahren hat die EU versucht, den heimischen Leguminosenanbau stärker zu fördern. Doch die schwachen Deckungsbeiträge haben die Bauern nicht überzeugen können, den Anbau auf eine langfristige Basis zu stellen, erklärt er gegenüber Herd-und-Hof.de. Es gebe zwar einen Markt von mehreren 100.000 Tonnen, aber weder Fläche noch Ertrag reichten aus, den wirklichen Bedarf zu decken.
Krüsken weist darauf hin, dass Europa und Deutschland vom Standort ein Getreideland sind. Daher sollte die heimische Futtergrundlage besser darauf aufgebaut werden. Ein Ertrag von zehn Tonnen Getreide pro Hektar ist die standortangepasste Futterversorgung.

Warenterminbörse

Die Futtermittelwirtschaft hat sich mittlerweile an eine gewisse „Basisvolatilität“ gewöhnt. Die Vorkontrakte, die ein gewisses Maß an Spekulationen zur Preisbildung benötigen, sind für Helmut Wulf auch nicht das Problem. Sorgen bereiten ihm die Hedgefonds, die neben Metallen und anderen Gütern auch Agrarrohstoffe in ihrem Portfolio führen. Die Fonds werden per Computer gehandelt, der ab einem bestimmten Schwellenwert die Anteile kauft oder verkauft. Schwellenwerte, die der Agrarwirtschaft nicht bekannt sind und daher den Preissprüngen ohnmächtig gegenüber steht.

Ukraine

Wenn der Markt in Lateinamerika immer schwieriger wird, könnte die Ukraine interessant werden. Ein großes Land mit fruchtbarem Boden und Interesse an der EU. Das sieht auch Helmut Wulf, zumal das Ertragspotenzial derzeit noch nicht ausgereizt ist. Allerdings ist die Ukraine kein verlässlicher Partner. Unternehmen, die im Rahmen von Joint Venture Geschäften Geld investiert haben, scheiterten an politischen Vorgaben wie kurzfristig eingeführten Exportstopps, so Wulf zu Herd-und-Hof.de. Werde die Ukraine verlässlicher, ist es ein interessanter Markt.
Auch Kasachstan wäre für Getreideimporte ein Partner. Das erklärte der Parlamentarische Staatssekretär Peter Bleser am Nachmittag. Doch dort besteht das Problem, dass die Logistik für den Transport vom Acker bis zum Hafen fehlt.

Lesestoff:

www.dvtiernahrung.de

1) Der Biogasrat sieht es genau anders herum. Er hat kürzlich in einer Studie die Verbindung zwischen Maisanbau und Veredlungswirtschaft gezogen

2) Das Honigurteil des Europäischen Gerichtshofs

3) Derzeit hat Argentinien China als neuen Absatzmarkt entdeckt und liefert wöchentlich eine Million Tonnen Soja. Wie schnell Futterabsatzmärkte verloren gehen, neue Lieferanten bereit stehen und Handelsabkommen Warenströme verändern, zeigt Kolumbien. Das hat gerade den US-Mais als Futter gegen kanadischen Weizen ausgetauscht

4) Bayern fördert heimischen Sojaanbau

Ukraine: Rekordernte 2011 wird der UN angeboten. Exportmonopole behindern den freien Warenverkehr.

Roland Krieg

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