Gänseintegration oder Entschädigung?
Landwirtschaft
Keine Extraentschädigung für Gänsefraßschäden
Zugvögel bekommen während ihrer Rast in Niedersachsen den Terminus „nordische Gastvögel“ verliehen. Ansonsten bleibt alles beim Alten, wenn es um die Fraßschäden der Gänse auf landwirtschaftlichen Flächen geht: Naturschutz hier und Kompensation dort.
Wildgänse als Schadtier
Der Konflikt zwischen Gans und Mensch reicht bis in das alte Ägypten zurück. Nilbauern beklagten schon vor 3.000 Jahren, dass Wildgänse ihnen das Getreide wegfressen [1]. Ackerbauer Klaus-Dieter Blanck von der Insel Fehmarn berichtete erst kürzlich auf einer Veranstaltung des Deutschen Bauernverbandes über seine Aufwendungen: Rund 400 Stunden im Jahr verbringt er mit Gänsevergrämung und muss dennoch 30 bis 40 dt pro Hektar Ertragseinbußen hinnehmen [2].
Wildgänse im Naturschutz
Niedersachsen hat insgesamt 16 EU-Vogelschutzgebiete mit einer Fläche von rund 125.000 Hektar im Niedersächsisches Wattenmeer an die EU gemeldet. Für die nordischen Gänsearten besteht eine internationale Schutzverpflichtung, für die das Land Verantwortung trage, sagte Landwirtschaftsminister Christian Meyer vor Weihnachten. In der neuen Förderperiode wird die landwirtschaftliche Fläche unter den Rastplätzen der Wildgänse weiter von 21.400 auf insgesamt 26.000 Hektar aufgestockt. Dafür wendet das Land Niedersachsen mit Unterstützung der EU in diesem Jahr einen Betrag von 5,7 Millionen Euro auf.
Der Schutz hat vor allem bei Grau- und Nonnengänsen in den letzten Jahren zu einer starken Bestandzunahme geführt, beklagt die CDU-Fraktion in Niedersachsen. Die Bauern fordern daher eine stärkere finanzielle Entschädigung, die sie im August gegenüber Landwirtschaftsminister Meyer wiederholten. Anlass war das Monitoring und Management von Gänsen.
Was zahlt die EU?
Schleswig-Holstein hat die gleichen Fragen. Der Europaabgeordnete Reimer Böge (CDU) hatte im Sommer 2014 den damaligen EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos befragt, ob die Beschränkung der ELER-Förderung auf begrünte Ackerflächen richtig sei? Die Inseln und Halligen hätten demnach keinen Anspruch auf EU-Gelder in Schleswig-Holstein.
Obwohl die ELER-Verordnung keine Entschädigung für Fraßschäden bei Gänsen vorsieht, könnten die Mitgliedsländer Agrarumweltmaßnahmen fördern lassen, sagte Ciolos. In Schleswig-Holstein können die beiden Programme „Rastplätze für Zugvögel“ und „Halligprogramm“, mit EU-Mitteln kofinanziert werden. Auch rein staatliche Mittel könnten eingesetzt werden, sofern sie den Rahmenregeln für staatliche Beihilfen entsprechen. Dazu zählen unter anderem Entschädigungen für Schäden durch Tiere, die nach EU- oder einzelstaatlichem Recht geschützt sind.
Das will jetzt auch die CDU Niedersachsen.
Das Land hat Maßnahmen für Zugvögel zur Notifizierung bei der EU eingereicht, antwortete Christian Meyer auf eine entsprechende Anfrage der Partei. Neben der Erhöhung der Schutzfläche werden die Mittel ab 2016 von 5,7 auf 7,4 Millionen Euro pro Jahr aufgestockt. Spezielle Entschädigungsregeln sind aber nicht geplant.
Für Ausgleichszahlungen ermittelt die Landwirtschaftskammer Niedersachsen die folgenden Ausgleichsregeln: Die Bewirtschafter von Ackerflächen im Getreidebau erhalten einen Ausgleichsbetrag von ca. 410 Euro pro Hektar und Jahr. Dieser sinkt auf 335 Euro ab, wenn in einem der fünf Verpflichtungsjahre keine Einschränkungen in Bezug auf Düngung und Pflanzenschutzmitteleinsatz eingegangen werden und der Anbau einer Sommerung möglich ist.
Im Grünlandbereich beträgt die Ausgleichzahlung für binnendeichs gelegene Flächen rund 275 Euro pro Hektar und Jahr. Wenn im März eine einmalige organische Düngung sowie ein Abschleppen der Flächen durchgeführt werden soll, sinkt dieser Betrag auf 235 Euro pro Hektar und Jahr. Diese Beträge können sich durch zahlreiche Abschlags- und Zuschlagsvarianten nach unten bzw. oben verändern.
Integrierte Maßnahmen
Das Thema ist nicht nur auf die Küstenländer beschränkt. Rastplätze für Gänse finden sich auch in Hessen und Rheinland-Pfalz. Das Mainzer Umweltministerium hat in seinem umfangreichen Gänsemonitoring begleitende Maßnahmen aufgeführt, die Fraßschäden vermeiden helfen [3]. Generell müsse der Energiebedarf der Zugvögel so gering wie möglich gehalten werden. Dazu gehört die Duldung auf Flächen mit Jagdruhe. Alles was die Tiere ausweichen lässt, erhöhe den Energiebedarf und die anschließende Futternutzung. So eignen sich Mais- und Getreidestoppel, Brachen, Gründüngung und Grünland als Duldungsflächen.
Je nach Betriebsform kann die Bewirtschaftung angepasst werden. Frühzeitige Aussaat des Wintergetreides gibt den Pflanzen einen ausreichenden Entwicklungsvorsprung, bevor die Zugvögel eintreffen. Wintergetreide nach Körnermais und Zuckerrüben sind ungünstig, weil sie den Gänsen Futterstoppeln anbieten. Diese Flächen können jedoch als „Ablenkungsflächen“ gezielt angeboten werden. In der Nähe von Gänse-Schlafplätzen können Landwirte auf Sommergetreide ausweichen. Gänse lieben offene und übersichtliche Landschaften, weil sie Feinde frühzeitig erkennen können. Das Anlegen von Hecken und Baumstrukturen verkleinert freie Flächen und macht sie für Gänse unattraktiv.
Lesestoff:
[1] Fraßschäden bedeuten nicht gleich Ernteausfall
[2] Naturschutz mit oder gegen die Landwirtschaft
[3] www.luwg.rlp.de Suchbegriff: „Gänse“
Roland Krieg