GAP: Der Wandel für das Berufsbild

Landwirtschaft

Auf dem Weg zur GAP 2028

Die Reform der siebenjährigen Förderperiode der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) 2020 bis 2027 hat sich ganz anders entwickelt, als sich die beteiligten Akteure bei der Vorstellung der Reformvorschläge der EU-Kommission im Jahr 2018 gedacht haben. Völlig anders und sie wird am Ende eine Stufe in der gesellschaftlichen Entwicklung bleiben, die den Landwirtschaftssektor schneller reformiert als andere Wirtschaftssektoren. „Wer nicht handelt, der wird behandelt“, sagte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner am Mittwoch, nachdem das Bundeskabinett die nationale Umsetzung in Einigkeit mit dem Bundesumweltministerium auf den Weg gebracht hat.

GAP 20 / 22 / 23 / 28

Die Ministerin hatte dabei die Landwirtschaft im Blick, doch dürfen andere Sektoren, wie die Mobilität und die Siedlungspolitik ebenfalls angesprochen fühlen.  In der Landwirtschaft trifft das neue Verständnis allerdings auf eine Branche, die mindestens bis vor 20 Jahren im Berliner Ministerium noch die alte Bonner berufsständische Vertretung sehen, als ob der Wunsch nach einer Ständevertretung in Deutschland doch noch in Erfüllung gegangen ist.  

Einen pünktlichen GAP-Beschluss hatten die Europawahl und ein neue Kommission schon in Zeitverzug gebracht. Danach hat die Pandemie hat viele Entwicklungen beschleunigt. Die alte GAP 2013 bis 2019 musste für die Jahre 2021 und 2022 verlängert werden, wenn es gut geht, startet die neue Förderperiode dann im Jahr 2023. Dagegen war nie Thema, die GAP am Ende zu verlängern, so dass wohl spätestens 2025 die nächste neue GAP ab 2028 vorbereitet werden muss. Damit wird sich schon die nächste Bundesregierung in der 20. Legislaturperiode schon einmal auseinander setzen müssen.

Die Pandemie hat den Weg zu einer Bio-Ökonomie beschleunigt. Es wird keinen radikalen Umbruch geben, aber die Themen Umwelt und Klima setzen sich stetig durch. Je näher die Wirtschaftssektoren an der Umwelt sind, desto schneller stehen die Themen auf der Agenda.

Parallel zur ersten gescheiterten Agrarministerkonferenz im Februar hatte die Politikwissenschaftler Collete Vogler auf einer Konferenz der Akademie Loccum die veränderte gesellschaftliche Einstellung festgemacht: Lange Zeit waren die traditionellen Ziele der Landwirtschaft unbestritten: Ernährungssicherung, Einkommenssicherung der Landwirte und günstige Lebensmittel stehen seit Jahrzehnten auf der Agenda ganz oben. Seit einigen Jahren haben dort neue Ziele Platz gefunden: Ökologische Nachhaltigkeit, Erhaltung der Biodiversität und Tierwohl [1].

Alle diese Punkte sind öffentliche Leistungen. Die letzte Zeit des wirklichen Hunger in Deutschland datiert allerdings auf den Hungerwinter 1946/47. Der ging zudem als kältester Winter im gesamten Nordseeraum in die Geschichtsbücher ist. Das ist so fern, dass angesichts übervoller Lebensmittelgeschäfte die ständige Mahnung, Landwirte stellen die Ernährungssicherheit her, keine Abnehmer mehr findet.  

Das muss sich in Brüssel und Berlin in eine andere Landwirtschaftspolitik niederschlagen. Andere EU-Länder, die noch nicht wie Deutschland, die Spitze der Bedürfnispyramide nach Abraham Maslow, die Selbstverwirklichung, erreicht haben, setzen auf andere Handlungsmotive – auch in der Landwirtschaft.

Mit der neuen GAP hatte die EU-Kommission schon 2018 eine neue grüne Architektur als Zeichen des Wandels aufgezeigt, den sie in der Pandemie mit zahlreichen weiteren Strategiepapieren begleitet hat: Der Green Deal, gefolgt von den beiden Strategien From-Farm-to-Fork“ und der zur Biodiversität sowie noch vor Ostern mit einem neuen Strategieplan für den Ökolandbau, den die EU-Länder ebenfalls wie die GAP subsidiär umsetzen sollen.

Der Weg geht schnell weiter

Da passt es gut, dass die neue GAP nur bis 2027 für weitere Schritte geplant ist. „Das Denken geht weiter“, sagte Klöckner gestern und geht davon aus, dass das alte Säulenmodell und die freien Flächenzahlungen weiter reduziert werden. Daher darf sie den Beibehalt der Direktzahlungen in dieser Reform auch bei reduziertem unkonditioniertem Flächenbetrag von vermutlich um die 150 Euro als Erfolg bewerten. Sie sagte aber auch, dass damit ein wirklicher Einkommensausgleich für alle Maßnahmen über dem Entschädigungsniveau fällig werden muss.

Wer einen scharfen Blick auf die Felder wirft, sieht die Veränderungen. Nicht nur bei Blühstreifen oder Hecken und Söllen, sondern auch neue Proteinpflanzen haben den Weg auf die Flächen gefunden und erweitern wie selbstständig die Fruchtfolgen. Das passiert aber auch nur dort, wo es eine Verarbeitung gibt und der Absatz gesichert ist. So wechseln auch immer mehr Landwirte von Mais auf Sorghum für die Biogasanlage um, weil das trockentoleranter als der Mais ist. Weil mit dem Gesundheitstrend Hafer und Dinkel eine Renaissance  bekommen sind die neuen alten Getreide wieder auf den Feldern zu finden – dort wo es die verarbeitenden Mühlen gibt. Wer in einen funktionierenden Absatz investiert, der verändert auch die Landwirtschaft mit.

Die GAP bleibt das Instrumentarium, das Werkzeug für die Umsetzung der Ideen aus Green Deal und anderen Papieren, sagte Klöckner zu Herd-und-Hof.de. Wer den Green Deal haben will, muss die richtigen Werkzeuge und Finanzmittel über die GAP bereit stellen. Und zwar in der Balance, die 27 EU-Länder und 16 Bundesländer individuell zufrieden stellt.

Zum Bundeskabinett

Nach mehr als 30 Stunden haben die Agrarminister der Bundesländer einen Vorschlag gefunden, der als Vorgabe bis zum 25. Juli inhaltlich und rechtlich im ganzen parlamentarischen Weg über Bundestag und Bundesrat in eine Strategie mündet, die von der Kommission 2022 notifiziert und am 01. Januar 2023 starten kann. Bundesumweltministerin Svenja Schulze hat den Weg in das Bundeskabinett frei gemacht.

Da stehen jetzt 25 Prozent der ersten Säule als Budget für die Eco-Schemes bereit. Die Betriebe müssen drei Prozent der Fläche für die Biodiversität durch Brache oder Extensivweide zur Verfügung stellen. Das sind zwei Punkte, die in den GAP-Verhandlungen in Brüssel noch offensind. Das Mindestbudget für die Eco-Schemes wird zwischen 20 und 30 Prozent verhandelt und der Anteil der nicht-produktiven Flächen könnte noch auf fünf Prozent steigen. Alles, was die Verhandlungen bereits fest gemacht haben, steht nach Klöckner schon in der deutschen Vorlage, auf welche Daten der Trilog endet, wird im Berliner Verfahren zum Gesetz fließend eingeflochten.

Mit den steigenden Umschichtungen der Finanzmittel aus der ersten in die zweite Säule auf zehn Prozent im Jahr 2023 bis 15 Prozent im Jahr 2026 können die Bundesländer subsidiär den Landwirten in ihrer Region passgenaue Angebote für individuelle Agrar-, Umwelt- und Klimamaßnahmen machen. Das sind 2023 rund 490 und drei Jahre später 750 Millionen Euro mehr für die Bundesländer.

Neu in der GAP 2023 ist die Einbeziehung des Tierwohls als förderfähige Maßnahme und eine Weidetierprämie, mit der Deutschland erstmals wieder eine gekoppelte Prämie zahlt [2].

Was sagen die Wissenschaftler?

Dr. Norbert Röder vom Thünen-Institut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei in Braunschweig: „Mit den vorliegenden Gesetzentwürfen ist eine deutlich stärkere Fokussierung der Agrarförderpolitik auf Aspekte einer umweltverträglichen Landwirtschaft durchaus wahrscheinlich.“ Der notwendige Anpassungsbedarf übersteigende jedoch die vorhandenen Agrargelder „deutlich“. „Begrüßenswert ist, dass die Ökoregelungen sich sehr stark an einer Herausforderung ausrichten, nämlich dem Schutz der Biodiversität. Dies war beim Vorläuferinstrument, dem Greening, nicht der Fall.“ Die Ökoregelungen der ersten und zweiten Säule passten gut zusammen. Gut sei auch das deutliche Signal für den Ausstieg aus der Flächenförderung.

Dr. Sebastian Lakner, Professor für Agrarökonomie an der Universität Rostock. „Zur Gesamtbewertung der Kabinettsvorlage: Die positiven Bewertungen zu dem GAP-Beschluss sind für mich nicht nachvollziehbar. Es gibt erheblichen Reformbedarf im Umweltbereich in den Bereichen Biodiversitätsverlust, Klimawandel und Ressourcenschutz. Die Wissenschaft hat das in den letzten Jahren immer wieder dokumentiert. Es ist gut, wenn Umwelt- und Agrarministerium sich einigen, aber de facto setzt die Bundesregierung nur den Beschluss der Agrarministerkonferenz Ende März um.“ Lakner sieht zwar Verbesserungen gegenüber der vorigen GAP, aber keinen Systemwechsel. Die Beteiligung des Bundesumweltministeriums am GAP-Prozess wird von Lakner begrüßt.

Prof. Dr. Alfons Balmann ist Direktor des Leibniz-Instituts für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) in Halle: Die Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutzes (WABE) seien nur ansatzweise umgesetzt. „Problembereich Umverteilungseinkommensstützung: Aus agrarstruktureller Sicht wird der grundsätzlich schlüssige Ansatz zum Abbau der Flächenprämien und der damit verbundenen Abhängigkeit der Landwirtschaft von diesen Zahlungen konterkariert durch die enorm hohen Mittel für die ‚Umverteilungseinkommensstützung‘ im Umfang von zwölf Prozent der gesamten deutschen Agrarzahlungen. Demzufolge sollen landwirtschaftliche Betriebe für die ersten 40 Hektar bewirtschafteter Fläche etwa 70 Euro je Hektar und für die nächsten 20 Hektar etwa weitere 40 Euro je Hektar erhalten, also jährlich bis zu etwa 4000 Euro je Betrieb. Diese Umverteilung mag auf den ersten Blick sozial erscheinen, tatsächlich schafft sie jedoch neue Abhängigkeiten nicht nur auf betrieblicher, sondern teilweise auch regionaler Ebene und schränkt damit zugleich die Handlungsspielräume zukünftiger und überfälliger Reformen der GAP ein.

Dr. Peter Feindt, Professor für Agrar- und Ernährungspolitik an der Humboldt-Universität zu Berlin: „Der Gesetzentwurf zur nationalen Umsetzung der GAP ermöglicht einen weiteren kleinen Schritt hin zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft. Es ist jetzt klar, wie viel Geld zur Verfügung steht und zum Teil auch, welche Umweltmaßnahmen entlohnt werden sollen.“ Da noch einige Prozentzahlen in den Trilogen offen sind, sei noch nicht klar, was genau sich auf den Äckern und Wiesen verändern wird. Die“ jetzigen Beschlüsse sind stärker an den Zielen des Green Deal ausgerichtet, als ich noch vor kurzem erwartet hätte, und das ist wichtig, um die Agrarsysteme langfristig zu stabilisieren.“

Dr. Guy Pe’er, Wissenschaftliche Mitarbeiter am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) in Halle-Jena-Leipzig. „Der Umsetzungsvorschlag des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) ist positiver als ich es erwartet habe. Er bietet gewisse Verbesserungspotenziale im Vergleich zur aktuellen Agrarpolitik, steht aber gleichzeitig in keinem Verhältnis zum Ausmaß der notwendigen Veränderung. Ein grundlegender Ansatzpunkt für die Grüne Architektur der GAP ist die Beendigung der Unterstützung für nicht nachhaltige Praktiken. Dies könnte über grundlegende Anforderungen der Konditionalität umgesetzt werden, und hier haben das EU-Parlament und der EU-Ministerrat (unter der deutschen Präsidentschaft) den größten Druck ausgeübt, um den Vorschlag der EU-Kommission zu verwässern.“ Der Anteil der nicht-produktiven Fläche sei für die Wissenschaft eine Mindestgröße. Beim Moorschutz gehen Pe’er die Vorschriften nicht weit genug, weil die Nutzung von Paludikulturen nicht erlaubt wird. Die Liste der zulässigen Eco-Schemes entspreche den Vorschlägen der Wissenschaftler.

Lesestoff:

[1] Agrardebatte in Loccum: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/woran-die-sonder-amk-gescheitert-ist.html

[2] Das Bundeskabinett hat ein Gesetz für das Jahr 2022 und die drei Gesetze für die GAP ab 2023 beschlossen. Sie finden sie alle unter https://www.bmel.de/

Roland Krieg; SMC; Foto: roRo

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