GAP: Die Kappung kommt

Landwirtschaft

Drei-Minister-Treffen mit EU-Kommissar Ciolos

Schon im April 2011 besuchte EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos Großbetriebe in Mecklenburg-Vorpommern. Seine sechs Monate zuvor vorgestellten Ideen zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) riefen Unbehagen in der landwirtschaftlichen Großstruktur in Ostdeutschland hervor.
Zum einen sollen die Direktzahlungen gekappt werden, zum anderen wird der Vorschlag sieben Prozent der Fläche als ökologische Vorrangfläche auszuweisen als Stilllegung empfunden und dann fürchten die Länder eine ansteigende Bürokratie.
Das Treffen in Mecklenburg-Vorpommern hat zu einer gemeinsamen Entschließung von Landwirtschaftsministerium und Landesbauernverband geführt, doch näher gekommen sind sich Ciolos und die Großbetriebe nicht. Im Oktober 2011 wiesen die Legislativvorschläge noch die gleichen Kriterien auf.

Ciolos besucht Agrargenossenschaft

Am Montag haben nun mit geballter Ministerkraft Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen einen neuen Anlauf genommen, Dacian Ciolos die Agrarstruktur im Osten zu erläutern. Dr. Hermann Onko Aeikens (li. im Bild), Frank Kupfer (re. im Bild) und Jürgen Reinholz begleiteten den EU-Kommissar auf den Weg durch Kälber-, Färsen und Milchkuhstall. Die Agrargenossenschaft Cobbelsdorf liegt im nördlichen Sachsen-Anhalt nahe der Grenze zu Brandenburg und bewirtschaftet rund 2.500 Hektar landwirtschaftliche Fläche. 2.350 Hektar werden mit Roggen, Gerste, Raps und Mais bebaut. Der Betrieb melkt rund 460 Milchkühe und hat 8.500 Schweine, davon 1.500 Zuchtsauen. Die Agrargenossenschaft Cobbelsdorf hat gut 200 Genossenschaftsmitglieder, 50 Mitarbeiter und 350 Bodenverpächter.
Ciolos hielt nicht nur der Außentemperatur von 15 Minusgrad vor den Ställen, sondern auch dem anschließenden Verbändegespräch in Schkeuditz stand.

Neuer Anlauf

Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsminister Dr. Aeikens legte noch einmal die Kritik an der Kappung auf. Sie werde den „historisch gewachsenen Agrarstrukturen“ in den neuen Bundesländern nicht gerecht.
In dem gemeinsamen Positionspapier wird darauf hingewiesen, dass beispielsweise die 20 größten Betriebe in Thüringen 92 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche bewirtschaften, 85 Prozent der Tierbestände betreuen und jeweils 90 Prozent Arbeitskräfte und Ausbildungsplätze halten. Die Kappung gefährde die Betriebe massiv.
Erneut wurden die sieben Prozent ökologische Vorrangfläche in Ciolos´ Vorschlag als Stilllegungsfläche bezeichnet. Im Positionspapier drückten sich die Agrarminister hingegen korrekt aus, verweisen jedoch darauf, dass angesichts der bestehenden Nutzungskonkurrenz zwischen Nahrungs- und Energieproduktion sowie gleichbleibendem Flächenverbrauch jeder Hektar Ackerboden gebraucht werde.
Sachsens Minister Frank Kupfer legte dar, dass die Behörden bereits an ihren Kapazitätsgrenzen arbeiteten und wegen knapper Haushaltskassen und einem Abbau von 770 Stellen keine neuen Bürokratieaufwände mehr hinzukommen dürften.
Die Minister forderten von Ciolos Übergangsregelungen für Regionen, die aus der Konvergenzförderung herausfallen, denn 2014 fallen die drei Bundesländer aus der Höchstförderung für strukturschwache Regionen in Europa heraus. Dadurch bestehe die Gefahr, dass Umsetzungen für „Natura 2000“, der Wasserrahmenrichtlinie, die Infrastrukturentwicklung, der Waldumbau sowie die flächendeckende Landbewirtschaftung nicht mehr möglich wären.

Was Ciolos mitnimmt

Der EU-Kommissar dankte für die Einladung, wies aber auch darauf hin, dass der Besuch auch aus seiner Sicht gesehen werden müsse. Er wirbt um Verständnis seiner Vorschläge. Denn er müsse eine Agrarpolitik machen, die von Sizilien bis nach Schweden und von Irland bis Polen für alle Betriebe gelten solle. Und da scheint Ciolos sicher zu sein, dass seine Vorschläge der Kompromiss mit dem kleinsten Übel für Deutschland sei.
Deutschland gelte in der Agrarpolitik sogar als Vorlage. Ciolos wies drauf hin, dass bis 2020 alle historisch gewachsenen Direktzahlungen abgeschafft werden müssen. Diese Entkopplung hat Deutschland weitestgehend hinter sich. In anderen Ländern wie Spanien sind die zu überwindenden Hürden größer als die Kappungsdiskussion in Deutschland.
Es gebe auch nur rund 1.000 Betriebe in ganz Europa, die auf Grund weniger Arbeitskräfte wirklich unter der Kappung leiden würden. In Deutschland sind es zwischen 30 und 50 Betriebe, weil die anderen, wie die Agrargenossenschaft in Cobbelsdorf die Kappung mit der Zahl an Angestellten wieder aufrechnen könne. Wegen 1.000 Betrieben werde die Kappung nicht zur Disposition gestellt, so Ciolos.
Ciolos betonte noch einmal, dass die Öffentlichkeit stärker auf die Agrarwirtschaft schaue. Es sei nicht mehr erklärbar, hohe Summen als Direktzahlungen auszugeben, wenn es dafür nicht eine gesellschaftliche Gegenleistung gebe. Auch aus diesem Grund müssen die Zahlungen bemessen und bewertet werden, auch wenn das mehr Bürokratie erfordere. Es gebe dazu keine Alternative.

Keine gemeinsame Stimme mehr

Ciolos hat durch das Verbändegespräch auch mitgenommen, dass es keine gemeinsame Stimme gegenüber Brüssel gibt, wie die Agrarministerkonferenz es immer weismachen möchte. Kurt-Henning Klamroth, Präsident des Deutschen Bauernbundes beklagte, dass dem EU-Agrarkommissar immer nur die falschen, nämlich die guten Großbetriebe vorgeführt werden. Er wies Ciolos darauf hin, dass die Hälfte der landwirtschaftlichen Fläche in Ostdeutschland von wirklichen Familienbetrieben bewirtschaftet werde. Und da mache es einen Unterschied, ob ein Großbetrieb drei Dörfer umschließt, oder jedes Dorf drei Bauernhöfe besitzt.
Nach Jens Reichardt, Bundesvorsitzender Deutscher Bundesverband der Landwirte im Nebenberuf, legte Ciolos nahe, sich auch um die kleinen Betriebe zu kümmern. Ein weiterer Vertreter des Verbandes forderte Ciolos auf, an der Kappung festzuhalten.

7 Prozent nur regionales Problem

Agrarminister Jürgen Reinholz aus Thüringen zeigte sich sogar erleichtert, dass Ciolos die Vorrangfläche noch einmal erläutert hat. Wenn Hecken und Meliorationsgräben, für die es bislang keine Direktzahlungen gegeben hat, dazu gerechnet werden dürften, sieht er bei der Erfüllung dieser Vorgabe in Thüringen kein Problem.
Anders sieht es jedoch in der Magdeburger Börde aus. Ein Vertreter des Landesbauernverbandes legte dar, dass die intensiv wirtschaftenden Betriebe tatsächlich Fläche aus der Produktion nehmen müssten. Bei einem 500 Hektar-Betrieb müssten 35 Hektar für die Vorrangfläche bereit gehalten werden – doch kämen die Betriebe in Sachsen-Anhalt mit ihren wenigen Hecken, Gräben und Waldungen nur auf zwei Hektar. Hier müsse es eine überregionale Lösung geben.

Lesestoff:

Erste Vorschläge von Ciolos

Legislativvorschlag von Ciolos

Ciolos verteidigt seine Reform auf der Grünen Woche

Roland Krieg (Text und Fotos)

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