GAP: Eine Politik für alle

Landwirtschaft

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GAP-Zwischenschritt: Legislativvorschlag

Kaum eine Reform der EU lässt sich so viel Zeit, wie die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013. Die Erwartungen an die neue Förderperiode von 2014 bis 2020 schwanken zwischen der eines Systemwechsels mit einer familienbäuerlichen Hofstruktur und ökologischer Bewirtschaftung, bis hin zu Forderungen nach mehr Markt und Freiheiten zum Anschluss an den globalisierten Weltmarkt, aber mit Risikoversicherungen gegen schlechtes Wetter und fallender Preise.
EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos
steht vor einem Problem: Er muss eine Politik machen, die dem Familienbetrieb auf dem Dauergrünlandstandort Eifel genauso genügt, wie dem ostdeutschen Großbetrieb, der für den Weltmarkt produziert, er muss die Landwirtschaft im Baltikum genauso schützen und erhalten wie in Schottland oder die intensiven Ackerbaubetriebe in Nordfrankreich und die Alm in Österreich.
Seit Jahren wird schon über die neue Agrarpolitik mit allen Beteiligten diskutiert. Im sommer 2010 lud die EU die Zivilgesellschaft zu einer GAP-Konferenz ein, um deren Wünsche auszuloten und zu berücksichtigen. Ciolos hatte also nicht nur Besuch von der Agrarlobby.
Im November 2011 stellte er dann seine ersten Vorschläge vor, die alle Interessen balancieren sollte. Und heute Mittag folgte der nächste Schritt. In Brüssel stellte er seine ersten Legislativvorschläge vor.

Mast und Milch im großen Maßstab

In der Kritik stehen in Deutschland vor allem die großen Betriebe in Ostdeutschland. Ihnen drohen Kappung und Degression bei den Direktzahlungen. Gelassen sieht das Geschäftsführer Kruse von der Rindermastanlage in Hohen Wangelin in Mecklenburg-Vorpommern. Mit 25-Böden war der Standort schon immer ein Veredlungsstandort und hatte in der DDR als IRIMA Rindfleisch für den Westen produziert. Heute werden 3.000 Mastbullen und 23.000 Mastschweine. Fleisch seiner Tiere geht heute in den Osten.
Rindermast sei generell ein kostenintensives Unterfangen, so Kruse zu Herd-und-Hof.de. Wer einmal die Rindermast aufgegeben habe, der komme nicht wieder zurück. Die Politik habe bis 2013 bei den Prämien sowieso schon einen „Gleitflug“ auf Null geplant, mit dem der Betrieb sich schon länger auseinander setzen muss. Ein Ausstieg aus den Subventionen bedeute für Kruse ein Anstieg der Agrarpreise. Dann wirken die Marktmechanismen, mit denen Hohen Wangelin zurecht kommen wird. Mit der Agrarreform entdecke die Politik die Kosten der landwirtschaftlichen Produktion. Eine Wahrheit, die den Verbraucher noch nnciht bekannt ist.
Auch bei der Milch nehmen die großen Betriebe ihr Schicksal in die Hand. 2015 läuft die Milchquote aus. Für Geschäftsführer Ellerkamm von der Agrargenossenschaft Elde Quell im Landkreis Müritz ist es vornehmliche Aufgabe, die Betriebsgeschicke in die eigene Hand zu nehmen. Auch wenn heute von einst acht nur noch zwei Molkereien zur Auswahl stehen, ist er nicht unzufrieden mit 300 Milchkühen. Liefern darf er 1,3 Millionen Kilogramm Milch, die er derzeit nicht erreicht. Daher expandiert er und baut einen neuen Stall. Die Eldequell nimmt die Zucht in die eigene Hand. Eine Bestandsbetreuerin sorgt für die Gesundheit der Kühe und führt die Besamungen selbst durch. Dadurch hat der Betrieb den Zuchtfortschritt in der eigenen Hand. Auch Ellerkamm träumt von der 100.000 – Liter-Kuh. Ein Zeichen, dass er nicht vordergründig auf Milchmenge, sondern auf Lebensleistung aus ist. Die Gesundheit der Tiere und lange Laktationsleistungen werden den Betrieb rentabel halten. Unabhängig davon, was in Brüssel entscheiden ist.

Die Vorschläge in Kurzform

Bis zum Jahr 2019 sollen die Direktzahlungen zwischen den EU-Ländern angepasst werden. Wer heute schon weniger als 90 Prozent der Durchschnittszahlungen erhält, bekommt mehr.

Schon bei der Präsentation war die Begrifflichkeit der sieben Prozent Vorrangfläche strittig, die auf den Betrieben eingeführt werden sollen. James Nicholson von den britischen Konservativen bezeichnete diese als Stillegungsflächen, mit denen die Nahrungsversorgung Europas nicht gewährleistet werde. Ciolos hingegen erläuterte, dass die Flächen gemeint sind, für die derzeit keine Gelder gezahlt würden. Das schließe Waldstreifen als Erosionsschutz mit ein. Nach Ciolos dient auch so eine Maßnahme der Ernährungssicherung.

Ein großes Thema in Ostdeutschland bleibt die Kappung der Direktzahlungen. Bei 300.000 Euro soll Schluss sein. Zwischen 150.000 und 200.000 werden 20 Prozent, bis 250.000 um 40 und dann bis zur Obergrenze 70 Prozent gekürzt. Die Anzahl der Beschäftigten kann als Freigrenze herangezogen werden. Wie viel am Ende weniger gezahlt wird bleibt ein Rechenexempel.

Klarheit bringt die Reformvorschlag bei dem Begriff „aktive Landwirte“. Für den Erhalt von Zahlungen müssen fünf Prozent des Einkommens aus landwirtschaftlicher Tätigkeit sein.

Vereinfachungen soll es für das Cross Compliance geben. Managementkriterien werden von 18 auf 13 gekürzt, Maßnahmen für die Gute Fachliche Praxis von 13 auf acht. Wie viel Bürokratie eingespart werden kann, ist offen.

Neu ist ein bislang von allen begrüßtes Kleinbauernprogramm, für das sich Landwirte bis 2014 anmelden können. Unabhängig von der Größe des Betriebes werden zwischen 500 und 1.000 Euro je Hektar ausgezahlt.

Ciolos spricht für ein Ende des Säulenprogramms in der zweiten Säule aus. Die Kategorien Wirtschaft, Umwelt und Soziales sollen durch die sechs Grundpositionen Wissenstransfer, Wettbewerbsfähigkeit, Gründung von Erzeugerorganisationen, Entwicklung einer kohlenstoffarmen Wirtschaft und Armutsreduzierung ersetzt werden. Das erfolgreiche LEADER-Programm bleibt erhalten.

Ciolos hält aber auch an Traditionen fest: Dem Markt bleiben Interventionen und private Lagerhaltung erhalten. Ein Krisenfonds in Höhe von 3,5 Milliarden Euro soll Einkommensausfälle wie bei der zurückliegenden EHEC-Krise ausgleichen helfen. Nach dem Ende der Milch- und Weinquote soll im Jahr 2015 auch die Zuckerquote auslaufen. Sowohl das Schulmilch- als auch das Schulfruchtprogramm als Maßnahme für die Absatzförderung werden ausgedehnt.

Reaktionen

Eine ausführliche Zusammenfassung der Reaktionen gibt es morgen. Die ersten Meldungen laufen auf eine weitgehende Übereinstimmung hinaus – nur Details werden noch diskutiert.

Lesestoff:

GAP-Konferenz der Zivilgesellschaft

November-Vorschläge GAP-Reform

Roland Krieg

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