GAP-Entscheidung – aber nicht die letzte

Landwirtschaft

Nachbesserungen vor oder nach Silvester oder erst 2024?

Wie nicht anders zu erwarten hat das Europaparlament am Dienstag die Vorlage zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) abgestimmt und angenommen. Der grüne Abgeordnete Martin Häusling hatte bereits im Vorfeld angekündigt, dass die Grünen, die Linken und Teile der SPD gegen die GAP votieren werden.

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner sagt: „Die Reform der Europäischen Agrarpolitik (GAP) kann ein guter Erfolg werden, die Grundlagen hatten wir frühzeitig gelegt. Mit dem heutigen Beschluss des Europäischen Parlaments werden Leitlinien umgesetzt, für die wir in unserer deutschen Ratspräsidentschaft den Boden bereitet haben. Es wird einen Systemwechsel in der GAP geben, der ein Mehr an Umwelt- und Klimaschutz mit Ernährungssicherung sowie wirtschaftlichen Perspektiven für die Landwirte und die ländlichen Räume verbindet. Alle Direktzahlungen werden an hohe Anforderungen des Umwelt- und Klimaschutzes gebunden. Kernstück sind die EU-weit verpflichtenden Öko-Regelungen, die wir in den Verhandlungen durchgesetzt hatten – der ursprüngliche Kommissionsvorschlag hatte so ein verpflichtendes Mindestbudget nicht vorgesehen. Die Landwirte verbinden hiermit zu Recht die Erwartung, dass sie zukünftig auch mit Umwelt- und Klimaleistungen Einkommen erzielen können. Gut, dass das Europäische Parlament hier mit uns an einem Strang zieht. Wichtig ist nun, dass die neue Ampelkoalition sich bei den letzten offenen Punkten zur nationalen Umsetzung der GAP endlich einigt. Unser Vorschlag liegt auf dem Tisch.“

Wie nicht anders zu erwarten ist, ist nach der Reform auch vor der Reform, deren Diskussion ja ebenfalls schonbegonnen hat. Die diskursive Diskussion ist ständige Begleitung, die den Eindruck erweckt, dass es ein dynamischer Prozess ist. Für die Landwirte ist es das nicht, denn sie brauchen eine Entscheidung auf deren Basis sie selbst Entscheidungen für ihre Fruchtfolge, ihrer Düngeplanung und auch Maschinenanschaffung treffen müssen. Kein anderer Beruf ist ständig bis zur letzten Sekunde vor der Entscheidung von Änderungen bedroht. Und wenn die Entscheidung gefällt ist, geht es gleich wieder weiter.

Erstmalig gibt es einen deutlichen Einfluss der EU-Mitgliedsländer bei Erweiterung der Umweltmaßnahmen. Die Länder müssen bis Jahresende ihren nationalen Umsetzungsplan vorlegen und Deutschland hat, wie auch Spanien, die Besonderheit des föderalen Systems, aus 16 Bundesländervorgaben einen Gesamtplan zu machen.

Die entscheidende Schlacht im Agrarrat unter deutscher Ratspräsidentschaft hat mehrmals am Rande des Abbruchs stehend im Oktober 2020 auch die Umweltaversen EU-Mitgliedsländer auf eine gemeinsame Linie gebracht [1]. Vieles hätten auch europäische Agrarpolitiker anders gemacht [2].

Die Landwirtschaft ist den einen zu groß, den anderen zu klein, für die einen schließen Nutztiere den Nährstoffkreislauf, andere wollen die Tierhaltung abschaffen, die einen sind satt, die anderen befürchten Regallücken. So gibt es einen Beschluss, den die roten, grünen, schwarzen und gelben Agrarminister gemeinsam diesen Oktober gefasst haben. Den Zeitplan für die Einreichung der Umsetzungsstrategie und das Aufarbeiten der Nachbesserungen [3].

Umso überraschender war das Reißen des Zeitplans, weil am 03. November die Umsetzung von der Tagesordnung des Bundeskabinetts gestrichen wurde [4]. Berlin hat sich nicht an den Länderbeschluss gehalten und rechnete sich offenbar Chancen auf eine Neuformulierung für die Zeit in einer Ampel-Koalition aus. Das Wunsch und Gedanke sich vor Abschluss der Koalitionsgespräche bei Teilnehmern Bahn brechen wurde von den Koalitionären offenbar zurückgepfiffen [5].

Vom Tisch ist es nicht. Klöckner rechnet nicht mehr mit einer Einigung der geschäftsführenden Bundesregierung. Daraus ergeben sich zwei verschiedene Aspekte. Können die Parteien mit ihren Generalsekretären noch ohne Minister im Koalitionsvertrag die Nachbesserungen für eine rechtzeitige Abgabefrist reinschreiben, oder sendet die neue Regierung einen Umsetzungsrahmen nach Brüssel, der nach weiteren Diskussionen im neuen Jahr ergänzt wird? Die dritte Option, einen Umsetzungsplan erst im nächsten Jahr einzureichen, wäre ein fatales Signal. Und die unwahrscheinlichste.

Zur weiteren nationalen Entscheidung über den GAP-Strategieplan hat der stellvertretende Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Udo Hemmerling, gegenüber Herd-und-Hof.de folgendes gesagt: „Die Landwirte brauchen zur Herbstaussaat 2022 Klarheit über die Förderbedingungen ab 2023. Die Bundesregierung, die Ampel-Koalitionäre und die Länder müssen alles dafür tun, den GAP-Strategieplan fristgerecht zu Ende 2021 bei der EU-Kommission einzureichen. Dabei müssen die Eco Schemes noch deutlich nachgebessert werden. Wir haben absolut kein Verständnis, dass Differenzen innerhalb der geschäftsführenden Bundesregierung die notwendigen Entscheidungen verzögern.“

Die Ampel wird den vorliegenden Rahmen so fristgerecht es nach parlamentarischem Übergangsweg geht an Brüssel senden. Alles andere was im Detail nicht geklärt ist, wird von der Ampel „nachgebessert“.

Es geht um den Prozentsatz für die Eco-Schemes. Das BMU will die ursprünglich im Rat vorgesehenen 25 Prozent behalten, das BMEL den Prozentsatz auf 23 Prozent senken. Der Unterschied beträgt jährlich 85 Millionen Euro.

Ob das am Ende den Kohl fett macht, ist unwahrscheinlich. Die landwirtschaftlichen Betriebe sind finanziell ausgehungert. Den steigenden Erzeugerpreisen müssen sie die ebenfalls gestiegenen Kosten für Betriebsmittel gegenrechnen. Grundsätzlich gilt, dass kein einziges Eco-Scheme so wirtschaftlich attraktiv ist, dass es mit 300 Euro für jede Tonne Getreide und mit 700 Euro für eine Tonne Raps mithalten kann. Alle Getreidearten erlaben am Kassa- und Terminmarkt ihre Höhenflüge. Die Knappheit auf dem Zuckermarkt bietet für die nächste Kampagne ebenfalls bessere Rübenpreise an. Jeder, auch die Landwirte, wird den letzten Quadratmeter eher mit hochpreisigen Rohstoffen als für 20, 50 oder 100 Euro pro Hektar noch irgendeinen Blühstreifen anlegen.

Die Preissituation wirft für das Anbaujahr 2022 bei den Sommerungen und Winterfrüchten interessante Rechenspiele auf die Bilanz. Stickstoffdünger ist knapp und teuer, organischer Dünger für viele nicht erreichbar. Landwirte überlegen, wie weit sie mit der Düngung standortbezogen heruntergehen können, um dennoch bei einer Ertragsreduktion von 20 bis 25 Prozent ihre Liquidität zu verbessern.

Was an den Eco-Schemes nachgebessert wird, egal wann, wird sich mit den Marktgegebenheiten messen lassen müssen. Die weisen auch für die Ernte 2022 auf hohe Preise hin. Darüber werden sich die Akteure auch Gedanken für die nächste Reform ab 2028 machen müssen. Und nicht wieder erst in letzter Sekunde.

Lesestoff:

[1] Die harte Nuss ist geknackt: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/gap-die-harte-nuss.html   

[2] Abstimmung über Agri-Vorschlag: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/eu-parlament-wir-haetten-die-gap-anders-gemacht.html

[3] AMK für den Zeitplan: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/mitte-oktober-kommen-die-praemien-fuer-die-eco-schemes.html

[4] GAP-Verordnung: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/gap-zeitplan-gerissen.html

[5] Deutschland reißt die GAP-Frist: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/10-11-uhr-deutschland-reisst-die-jahresfrist-fuer-die-gap.html

Roland Krieg

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