GAP: Frisches Geld für alte Förderstruktur?
Landwirtschaft
GAP: Vom großen Wurf noch weit entfernt
Am Montag fand der EU-Agrarministerrat per Video-Schaltung statt. Erstmals lud die kroatische Agrarministerin Marija Vučković zu einem Austausch über die vor kurzem vorgelegten Strategien Farm to Fork (F2F) und zur Biodiversität ein. Beide Papiere sind Kernelemente des Green Deal und sollen über die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) umgesetzt werden [1]. Für Deutschland sind einige Einzelheiten nicht neu. Die Quantifizierung der Reduktion von Pflanzenschutzmitteln und Dünger um die Hälfte, die Stilllegung von zehn Prozent der Flächen für mehr Biodiversität und das Ausbauziel von 25 Prozent Ökolandbau sind strittige Fragen, weil die einzelnen EU-Länder unterschiedlich weit sind und die Ausgangsbasis unklar ist.
Geld ist jedenfalls für eine nachhaltige Umgestaltung der gesamten EU für die nächste Generation ausreichend vorhanden [2]. Die Ziele sind jedenfalls unmissverständlich: Nachhaltigkeit, Resilienz, Ernährungssouveränität sowie Wettbewerbsfähigkeit und Einkommenssicherung für Landwirte. Vor diesem Hintergrund konnte EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski leicht eine Erhöhung des Agrarbudgets von 15 Milliarden Euro fordern. Er nutzte die Videokonferenz für den Hinweis, dass erstmals nach einem Budgetvorschlag ein Agrarhaushalt die Chance bekommt, nach oben angepasst zu werden. Allerdings sind die Spielräume für einen neuen GAP-Vorschlag sehr klein. Die Übergangsphase für den verschobenen Beginn auf 2023 hat bislang keine Mini-Reform ausgelöst und die Kommission hält am Grundsatz der Vorschläge von 2018 fest.
Der Vorschlag will nicht hinter bisherigen Umwelt- und Klimazielen zurückfallen, Umweltprogramme verpflichten, neue Konditionalisierungen setzen und sieht einen Mindestetat für Umweltprogramme vor. Die Länder sollen mit individuellen Strategiezielen ihre regionalen Bedürfnisse in die GAP einbringen. Das Mehr an Geld kann mehr realisieren, aber eine Reform der Reform für reicht es nicht.
Trennlinie
Die Kommissionbleibt die Antwort schuldig, wie beispielsweise 50 Prozent an Pflanzenschutzmitteln umgesetzt werden können. Was ist die Basis für 100 Prozent? Wojciechowski will den Mitgliedsländern Spielraum für eine detaillierte Definition geben. Der dänische Agrarminister Mogan Jensen freut sich, die dänischen Beispiele weitergeben zu dürfen. Die Betriebe fahren ein individuelles Nährstoffmanagement und nutzen die Techniken der Präzisionslandwirtschaft. Jensen will jedoch schon vor 2023 neue Regeln für Tiertransporte umsetzen. Erik Stehen Jensen aus Schweden will die zehn Prozent Stillegungsfläche an regionalen Bedürfnissen orientieren. Schweden hat große Wälder. Auch Österreich kann mit den Vorschlägen gut leben. Ministerin Elisabeth Köstinger berichtet, dass die Alpenrepublik schon 25 Prozent Ökofläche hat. Diese Länder wollen in den neuen Handelsverträgen den Import von Agrarprodukten mit niedrigeren Standards verhindern. Sie sind erfolgreich mit hochwertigen Produkten regionaler Herkünfte.
Auf dieser Seite der Linie sind, wie es der französische Agrarminister Didier Guillaume sagte, die Länder mit starker heimischer Landwirtschaft für eine europäische Ernährungssouveränität. Die Konsumenten wollen keine gentechnisch veränderten Produkte, sie wollen eine Landwirtschaft, die viel Rücksicht auf die Biodiversität nimmt. Damit die Landwirte keine Einbußen erleiden, müsse das System der Direktzahlungen als erstes Sicherheitsnetz für die Landwirte erhalten bleiben.
Auf der anderen Seite warnen der polnische Minister Jan Krysztof Ardanowski und der ungarische Amtskollege István Nagy vor Lasten, die Landwirte als Bestrafung empfinden könnten. Für Ardanowski ist nicht klar, ob die 25 Prozent Ökolandbau auch die Marktentwicklung berücksichtige. Nagy kritisiert fehlende Folgeabschätzungen. So könnte die Reduzierung von Pflanzenschutzmittel die Erträge senken. Die osteuropäischen Länder kritisieren erneut, die Ungleichmäßigkeit der Höhe an Direktzahlungen, was allerdings nicht über die GAP geregelt wird.
Mittlerweile haben sich die Niederländer vom gescholtenen Standort der Agrarindustrie mit harter Politik der Reduzierung von Nährstoffen und Emissionen sowie einem kooperativen Umweltschutz auf lokaler Ebene an die Spitze der Green Dealer gebracht. Ministerin Carola Schouten begrüßt die Vorschläge, fordert aber noch Klarheit bei Monitoring, Datenausgangspunkt und Instrumente ein. Schouten will die nationalen Strategiepläne für eine individuelle Anpassung der GAP nutzen.
Deutschland zwischen Frankreich und Ungarn
Für Deutschland ist nicht ganz klar, wohin die Reise geht. Die meisten Stimmen von Landwirten und Verbänden nehmen überwiegend eine kritische Haltung nicht unähnlich Ungarns ein. Julia Klöckner betonte neben den guten Klima- und Umweltansätzen die Priorität der Ernährungssouveränität bei hohem Produktionsstandard. Instrumente müssen für die Landwirte praktikabel und umsetzbar sein, sollten sie die Schlüsselrolle beim Green Deal übernehmen. Klöckner betonte auch die Chancen neuer Techniken, wie Digitalisierung oder Genom Editing, die Ziele präzise zu erreichen. Am Ende müssten die Konsumenten neue Auflagen entlohnen. Trotz der großen Summen, bräuchte die Umsetzung des Green Deals mehr Geld. Der Recovery Fund sieht kaum mehr als zwei Prozent für das Agrarbudget vor. Im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft will Klöckner die Themen Nährwertkennzeichen und Tierwohl europäisch denken. Ihr liegt die französisch-niederländische Linie näher – aber für einen gefühlten Vorreiter in der EU reicht das nicht.
GAP-Reform 2018: Was geht noch?
Die Pandemie hat sehr viel Geld und Ideen auf das politische Parkett gebracht. Die Vorschläge zur GAP-Reform sind aber noch immer die alten. Die GAP-Vorschläge von 2018 hat Julia Klöckner als gute Grundlage für die künftige Agrarpolitik bewertet. Schon vor der Pandemie hat die EU mit knappem Budget viel erreichen wollen. Die Orientierung am Budget gilt nach wie vor. Der Finanzrahmen ermöglicht die Gestaltung. Die neuen Vorschläge der Kommission und des europäischen Aufbaufonds werden derzeit unter anderem vom Bundeslandwirtschaftsministerium geprüft. Da ist Berlin mit weitergehenden Vorschlägen noch zurückhaltend. „Klar ist aber auch“, wie das Ministerium gegenüber Herd-und-Hof.de betont, „Wir brauchen eine starke erste und zweite Säule.“
Auch in der Agrarpolitik können Versäumnisse der vergangenen Jahre nicht innerhalb eines Aufbaufonds korrigiert werden. „Innerhalb der Vorschläge vom Juni 2018 gibt es aus Sicht des BMEL ausreichend Spielraum, um den aktuellen Anforderungen gerecht werden zu können“, heißt es weiter. Aber auch: „Eine Notwendigkeit für neue Vorschläge und den damit verbundenen Neustart der Verhandlungen sieht das BMEL daher nicht.“ Weder die Kommission noch der Rat senden entsprechende Signale aus.
Intensive Verhandlungen während der deutschen Ratspräsidentschaft werden schon durch die sehr unterschiedlichen Ansichten der EU-Mitgliedsländer notwendig.
Lesestoff:
[1] In welchem Verhältnis stehen F2F und GAP? https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/was-verbindet-f2f-und-gap.html
[2] „Lang lebe Europa“ https://herd-und-hof.de/handel-/lang-lebe-europa.html
Roland Krieg; Foto: Screenshot Videorunde Agrarrat
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