GAP geschafft

Landwirtschaft

Erfolgreicher Trilog zwischen EP, Kommission und Agrarrat

Als EU-Kommissar Dacian Ciolos am 18. November 2010 mit einem Tag Verspätung seinen ersten Legislativvorschlag für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU vorlegte, war das für ihn der „Ende des Anfangs“.

Der 26. Juni 2013 beendet die Diskussionen auf europäischer Ebene mit einer Einigung zwischen EU-Kommission, dem Agrar-Ministerrat und dem Europäischen Parlament. Vier Pakete standen zur Disposition: Die Direktzahlungen, die Gemeinsame Marktordnung, die ländliche Entwickung und die Finanzierung, Monitoring und das Management der GAP.

Es gibt, wie bei einem Kompromiss üblich, Gewinner und Verlierer. Etliche Details sind falkultativ und werden in den nächsten Monaten noch einmal öffentlich, in Deutschland vor allem kontrovers, diskutiert. Im Brennpunkt steht dabei die nächste Agrarministerkonferenz Ende August in Würzburg. Martin Häusling, Europaabgeordneter der Europagrünen, fasst das Ergebnis so zusammen: „Trotz aller Kompromisse wird mit dieser Agrarreform der Beginn eines überfälligen Paradigmenwechsels eingeläutet. Die Landwirtschaft in Europa wird grüner, und die Gelder der EU werden gerechter verteilt. Ein Drittel der Subventionen werden an konkrete Umweltvorgaben geknüpft. Kleine Bauern erhalten relativ mehr Geld aus Brüssel als große Betriebe. Das werte ich als einen nicht unbedeutenden Erfolg, auch wenn die Agrarreform in wenigen Jahren bereits deutlichere Schritte in Richtung Ökologisierung gehen muss.“

Herd-und-Hof.de dokumentiert die wichtigsten Punkte:

Direktzahlungen werden zwischen und innerhalb der Mitgliedsländer besser verteilt. Für bestimmte „Greening“-Faktoren werden 30 Prozent der Direktzahlungen an die Einhaltung der Bestimmungen geknüpft.

Das Basisauszahlungssystem wird 70 Prozent der Direktzahlungen umfassen, abzüglich Gelder für Junglandwirte, benachteiligte Gebiete, Kleinbauern und noch gekoppelte Zahlungen. Das Modell der vereinfachten Flächenzahlungen, das für die Beitrittsländer 2004 und 2007 genutzt wird, wird letztmalig bis 2020 verlängert.

Um eine interne Konvergenz der Zahlungen zwischen den einzelnen Betrieben zu erreichen, können die Länder zwischen einem nationalen und regionalen Ansatz nach agrarökonomischen Kriterien wählen. Eine Angleichung soll bis 2019 erreicht sein. Die Betriebe, die weniger als 90 Prozent der regionalen oder nationalen Durchschnittsauszahlung erhalten werden langsam nach oben angeglichen. 2019 müssen die Bauern mit dem geringsten Anteil mindestens 60 Prozent der regionalen oder nationalen Auszahlung erreicht haben. Abstriche sollen die Größenordnung 30 Prozent nicht überschreiten.

Um die ersten Hektare stärker zu fördern dürfen die Länder 30 Prozent der nationalen Direktzahlungen umverteilen. Das gilt für die ersten 30 Hektar oder bis zur durchschnittlichen Betriebsgröße, wenn diese bei über 30 Hektar liegt. Das soll einen deutlichen Umverteilungseffekt bewirken. Eine weitere Option besteht darin, einen Maximalbetrag für einen Hektar festzulegen.

Junglandwirte, die jünger als 40 Jahre sind, können 25 Prozent höhere Auszahlungen während der ersten fünf Jahre nach Betriebsgründung erhalten. Dafür sind bis zu zwei Prozent der nationalen Gelder vorgesehen. Diese Einigung ist verpflichtend. Sie gilt zusätzlich zu möglichen anderen Maßnahmen für Junglandwirte.

Optional ist das Kleinlandwirteprogramm. Bauern aus diesem Programm erhalten in Abhängigkeit der Betriebsgröße eine feste jährliche Zahlung zwischen 500 und 1.250 Euro. Die Länder können die Bedingungen für die jährliche Rate aus einem Set selbst definieren. Sie können auch vereinfachte Zahlungen anweisen, wenn die Bauern aus anderen Maßnahmen vergleichbare Zahlungen erhalten. Das soll eine deutliche Vereinfachung sein, weil die Bauern damit weniger strenge Cross-Compliance Maßnahmen erfüllen können und vom Greening ausgenommen sind. Die Hilfe für Kleinbauern soll nicht mehr als zehn Prozent der nationalen Direktzahlungsmenge sein, außer: wenn ein Staat sicher stellt, dass der Kleinbauer einen höheren Betrag auch aus anderen Quellen erhalten könnte.

Mitgliedsstaaten erhalten die Möglichkeit Zahlungen an bestimmte Produkte zu „koppeln“, wenn die interne Konvergenz negative Effekte hervorrufen würde. Es dürfen aber nicht mehr als acht Prozent der Gelder gekoppelt sein – wenn das Land schon gekoppelte Zahlungen durchführt. Die Länder, die mehr als fünf Prozent ihrer Zahlungen gekoppelt haben, dürfen auch bis zu 13 Prozent ihres Länderbudgets einsetzen. Proteinpflanzen dürfen einen zusätzlichen „Zwei-Prozent”-Koppelbonus erhalten.

Mitgliedsländer dürfen an benachteiligte Gebiete einem Bonus von fünf Prozent der nationalen Direktzahlungen verteilen.

Für das Greening sind drei Maßnahmen vorgesehen: Die Erhaltung von Dauergrünland, das Einhalten einer mindestens zweigliedrigen Fruchtfolge, wenn der Betrieb mehr als zehn Hektar Ackerland aufweist, das Einhalten einer mindestens dreigliedrigen Fruchtfolge bei einem Ackerland-Anteil von mehr als 30 Hektar. Die Hauptfrucht kann 75 Prozent der Ackerfläche, die beiden Hauptfrüchte 95 Prozent bedecken. Jeder Betrieb muss mit Ausnahme von Grünalnd ab einer Größe von 15 Hektar eine ökologische Vorrangfläche von mindestens fünf Prozent vorhalten. Dazu gehören Feldraine, Hecken, Bäume, Brachen, Landschaftselemente, Pufferstreifen, Biotope und Aufforstungen. Nach einem Kommissionsbericht im Jahr 2017 und einem neuen legislativen Vorschlag soll die Fläche auf sieben Prozent ansteigen. Diese Vorschläge gelten für jedes einzelne Unternehmen. 30 Prozent der Direktzahlungen sind an die Einhaltung dieser Maßgaben gebunden. Diese Vorgabe ist verpflichtend. Sanktionen können höher als die an das Greening gebundenen Gelder sein. Bis zu 125 Prozent sind möglich.

Greening-Äquivalente: Für Betriebe, die bereits Greening durchführen werden „Äquivalenzanrechnungen“ erlaubt sein, die das neue Greening ersetzen können. So müssen Ökobetriebe keine neuen Greening-Maßnahmen durchführen, weil ihnen per se ökologische Effekte unterstellt werden. Anrechenbar sind auch Agrarumweltmaßnahmen für konventionelle Betriebe. Um Doppelzahlungen (Greening in der ersten und Agrarumweltmaßnahmen in der zweiten Säule) zu vermeiden, müssen die Maßnahmen aus der zweiten Säule die Greening-Zahlungen der ersten Säule berücksichtigen.

Finanzdisziplin: Im Vorgriff auf den noch ausstehenden Mehrjährigen Finanzrahmen wird eine Finanzdisziplin erst ab 2.000 Euro je Betrieb greifen. Wenn also das Budget für die erste Säule nicht mehr ausreicht, bleiben die ersten 2.000 Euro Direktzahlungen für jeden Betrieb unangetastet.

Die Rolle des „aktiven Landwirts“ festzuschreiben, wird für die Länder verpflichtend. Flughäfen, Eisenbahnwege, Wasserwerke, Dienstleistungen für Immobilien und dauerhaft angelegte Sportplätze sollen nicht mehr und en Genuss von Direktzahlungen kommen. Die Länder können die Liste weiter schreiben. Wenn ein Betriebe nachweisen kann, dass er primär landwirtschaftlich tätig ist, kann er von der Liste gestrichen werden.

2014 wird ein neues Referenzjahr für förderfähiges Land sein. Es wird aber eine Verlinkung zum aktuellen Jahr geben, um jetzt noch Landspekulationen zu unterbinden. Mitgliedsländer, die den Verdacht haben, dass die Menge an förderfähigem Land deutlich größer geworden ist, dürfen im Jahr 2015 die Menge wieder auf 135 oder 145 Prozent der Förderfläche aus dem Jahr 2009 zurücksetzen.

Gemeinsame Marktorganisation

Das Aus für die Milchquote bleibt bei 2015. Die Zuckerquote läuft am 30. September 2017 aus. Weißzucker bleibt für die private Lagerhaltung förderfähig. Die meisten Entwicklungsländer dürfen weiterhin unbegrenzt zollfreien Zucker in die EU einführen.

Die Pflanzrechte für Weinreben enden 2015. Ab dem Folgejahr wird es eine neue Autorisierung für die Ausdehnung des Anbaus gemäß der High Level Group on Wine von Dezember 2012 geben (kostenfrei, nicht übertragbar und auf drei Jahre begrenzt). Die GAP sieht eine Begrenzung der neuen Anbaurechte auf ein Prozent pro Jahr vor.

Die Marktorientierung für die Landwirte bleibt bestehen. Intervention und private Lagerhaltug sollen effektiver und verantwortungsbewusster eingesetzt werden. Die Regeln für den Milchmarkt werden in das GAP-Paket integriert.

Ein Krisenfonds für Fälle wie bei der EHEC-Krise wird aus einem jährlichen Anteil der Direktzahlungen gespeist. Nicht ausgegebene Gelder fließen wieder an die Landwirte zurück. Bei Marktkrisen dürfen Erzeugerorganisationen durch geringere Produktion oder zusätzlicher Lagerhaltung ihren Sektor stabilisieren.

Die Programme für Schulmilch und Schulobst bleiben werden ausgebaut. So wird das Schulobstprogramm von 90 auf 150 Millionen Euro aufgestockt.

Erzeugerorganisationen innerhalb und quer über mehrere Sektoren sollen für die Marktstärkung des Einzelnen gefördert werden. Innerhalb des Wettbewerbsrechts. Die Förderung wird in der zweiten Säule angesiedelt. Die Kommission wird noch genaue Richtlinien dazu ausarbeiten.

Einige Richtlinien wie die Verwendung von Milchpulver in Tierfutter werden zur Vereinfachung der Bürokratie gestrichen.

Ländliche Entwicklung

Die ländliche Entwicklung in der zweiten Säule wird auf komplett neue Füße gestellt. Dabei hat das folgende Bild die vieljährige Diskussion überstanden und gilt ab 2014:

Die Mitgliedsländer sollen damit flexibler mit verschiedenen Fonds ihre Schwerpunkte setzen können und erhalten dabei eine Kofinanzierung von der EU. 30 Prozent der EU-Mittel für den ländlichen Raum müssen die Mitgliedsländer in Landmanagement und Klimaschutz investieren. Für den Ansatz LEADER müssen mindestens fünf Prozent aufgebracht werden.

Hier können aber auch spezielle Förderprogramme wie das der Junglandwirte, der Kleinbauern, Programme für Frauen, Biodiversität oder Unterstützung von Wertschöpfungsketten untergebracht werden.

Auswahl an einigen Maßnahmen:

Innovation bei Ressourceneffizienz, Resilienz von Ökosystemen, Low Carbon Solutions, und Verbindungen zwischen Praxis und Wissenschaft. Stärkung landwirtschaftlicher Beratungen. Modernisierung von Betrieben. Bis zu 70.000 Euro Starthilfe für Junglandwirte. Bis zu 15.000 Euro Starthilfe für Kleinbauern. Wetterversicherungen. Erzeugerorganisationen. Werbung für Ökobetriebe. Jährliche Zahlungen für Forstbetriebe. Berggebiete nördlich des 65° N erhalten statt 250 jetzt 450 Euro je Hektar. Benachteiligte Gebiete bekommen spätestens ab 2018 nach acht biophysikalischen Kriterien besondere Hilfe (10 Prozent können davon von den Ländern flexibel gehandelt werden, um ganz besondere Benachteiligungen auszugleichen). Starthilfe für Nicht-Landwirtschaftliche Kleinstunternehmen. Dorferneuerung. Der LEADER-Ansatz wird stärker für die Vernetzung mit anderen Fördermöglichkeiten für die ländliche Entwicklung und Land-Stadt-Beziehung eingesetzt.

Horizontale Regelungen (Finanzen, Management)

Kontrollen werden in die Regionen und Sektoren verstärkt, wo die Risiken höher sind und es Auffälligkeiten gegeben hat.

Die Liste für Beratungen wird um die Themen Grüne Direktzahlungen, Erhaltung von förderfähigem Land, der Wasserrahmenrichtlinie und Pflanzenschutzrichtlinie erweitert.

Die Regeln des Cross Compliance (CC), die Bindung von Direktzahlungen an Umweltkriterien wurden von unklaren Regeln befreit. Wenn alle Mitgliedsstaaten die Wasserrahmenrichtlinie und die Richtlinie für den verantwortungsvollen Umgang mit Pflanzenschutzmitteln umgesetzt haben, werden diese ebenfalls in die Liste des CC integriert.

Der Krisenfonds wird auf 400 Millionen Euro (zu Preisen aus dem Jahr 2011) festgesetzt. Nicht verausgabtes Geld fließt im Folgejahr an die Bauern zurück.

Alle Begünstigungen müssen öffentlich transparent gemacht werden. Ausgenommen sind nur die Betriebe, die in den Genuss des Kleinbauernprogramms gekommen sind.

Ab 2018 gibt es alle vier Jahre eine Evaluierung der GAP. Darin sollen vor allem ausreichende Nahrungsmittelproduktion, Nachhaltigkeit und territoriales Gleichgewicht begutachtet werden.

Zusatzbemerkungen

Die GAP kann nicht am 01. Januar 2014 starten. Die Kommission wird eine Übergangsregelung für die Direktzahlungen im Jahr 2014 formulieren. Neue Elemente wie das Greening und die Junglandwirteregelung werden nicht vor 2015 starten. Die Länder sind angehalten Übergangsregelungen für mehrjährige Agrarumweltprogramme zu gestalten, damit diese ohne Unterbrechung weiter laufen können.

Roland Krieg

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