GAP hat Osteuropa weiter geholfen
Landwirtschaft
Erfahrungen Osteuropas mit der GAP
Am Montag haben sechs Wissenschaftler im EU-Agrarausschuss die Erfahrungen Osteuropas mit der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU zusammengetragen. Albert Dess, CSU, fasst die Vorträge mit einer persönlichen Betrachtung zusammen: Es sei immer wieder beeindruckend, was die Bauern in Osteuropa mit Hilfe der europäischen Agrarpolitik geleistet haben. Im Vergleich dazu haben die Kleinbauern in der Ukraine einen schweren Stand. Ohne zusätzliche Gelder haben sie kaum eine Chance auf eine Weiterentwicklung. Aber nicht alles hat die GAP gelöst. Für weitere Vereinfachung, Entbürokratisierung und schnellere Angleichung der Agrargelder zwischen den Mitgliedsstaaten räumt Dess keinen großen Spielraum mehr ein.
Die Osterweiterung
Die EU hat sich in den Jahren 2004 und 2007 deutlich nach
Osten ausgedehnt und vor allem den Zusammenbruch nach den kommunistischen
Regimen auffangen. 2004 traten mit den drei baltischen Staaten, Polen,
Tschechien, der Slowakei, Slowenien und Ungarn neben Malta und Zypern, die
großen osteuropäischen Staaten der EU bei. Im Jahr 2007 folgten Bulgarien und
Rumänien.
Die Länder standen zwischen den Optionen, ihre Landwirtschaft
zu liberalisieren oder erneut eine staatliche Option zu wählen, führte Prof.
Andrzej Czyzewski von der Universität Posen an. Die Länder haben sich für ein
Modell entschieden, dass die „alten EU-Staaten“ mittlerweile auch beginnen
umzusetzen. Das Modell einer industrialisierten Landwirtschaft neige sich dem
Ende entgegen und sozial-ökologische Aspekte gewinnen für den ländlichen Raum
an Bedeutung. Das spiegel sich in der GAP, wenn auch nicht in vollem Umfang
wider. Die Ausgangssituation war für die osteuropäischen Länder nicht überall
gleich. Daher sind die Unterschiede zwischen den Ländern groß – aber das
Wachstumspotenzial sei viel größer als in der EU15. Nach Prof. Czyzewski haben
die neuen Länder die Chance, eine vielfältigere Landwirtschaft zu gestalten.
Großer Umbruch
Martins Cimermanis, Vorstandsvorsitzender vom
Lettischen Beratungs- und Bildungszentrum für den ländlichen Raum, zeigte die
großen Umbrüche auf, wie sie beispielsweise Lettland zu bewältigen hat. Das Land
sei zwar zurück in Europa und habe Anschluss an den Markt, doch der
Zusammenbruch des Kolchosensystems habe auch zu einem Zusammenbruch der
Produktion geführt. Noch heute werden lediglich 1,6 von 2,4 Millionen Hektar
Ackerland bewirtschaftet. Rund 70.000 Menschen haben den ländlichen Raum
verlassen, was für ein kleines Land wie dem baltischen Staat, viel sei. Jeder
Beschäftigte auf dem Land sichere einem weiteren Arbeiter im vor- oder
nachgelagerten Bereich seine Arbeitsstelle. Zudem sind 20 Prozent der Landwirte
bereits im Rentenalter und halten ihre Kleinstbetriebe aufrecht, weil sie keine
andere Beschäftigung mehr finden. Die Einkommenslücke zwischen Stadt und Land
beträgt 40 Prozent, was die Letten bis zum Jahr 2030 deutlich reduzieren
wollen. In der Summe fehlen Anreize für junge Menschen auf dem Land zu bleiben.
Sie gehen in die Stadt oder wandern gleich aus.
Elita Benga, Leiterin der Abteilung ländliche
Entwicklung am Lettischen Institut für Agrarwirtschaft, hielt konkrete Zahlen
bereit. Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe ist seit der Wende um 36
Prozent zurückgegangen. Die Einwohnerzahl Lettlands um sieben Prozent gesunken,
was zu einem niedrigeren Steueraufkommen führt. Nur die großen Betriebe haben
ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen können und nehmen am weltweiten Getreidehandel
teil.
Frühe Entkoppelung
Polen ist mit einer Hektarprämie von 320 Euro schon
recht nah am EU-Durchschnitt von 345 Euro, erklärte Wojciech Pomajda, Direktor
der Stiftung für Hilfsprogramme für die Landwirtschaft (FAPA) und ehemaliger
Direktor der entsprechenden Zahlstelle in Polen. In Polen war die
Ausgangssituation eine andere. Es gab schon während des Kommunismus viele
kleine private Bauern. Zur Wende startete Deutschlands östlicher Nachbar mit 34
Millionen Parzellen auf 312.000 Quadratkilometer Fläche. Noch heute haben zwei
Millionen Bauern eine durchschnittliche Betriebsgröße von 10,38 Hektar. Polen
hat viel Geld bekommen, aber auch viele Bauern, so Pomajda. Zu Beginn wurden
Gelder aus der Regionalentwicklung als Direktzahlungen genommen. Die Bauern
könnten mit der GAP zufrieden sein. Nur 4,5 Prozent des Geldes werden für
Administration, IT und Kontrollen verausgabt. Ein Antrag auf Fördergelder
kostet im Durchschnitt 100 Euro.
Zufrieden zeigte sich auch Balázs Györffy, Vorsitzender
der Landwirtschaftskammer Ungarns. Diese wurde erst im März neu gegründet. Die
Landwirte müssen Mitglied werden. Mehr Effizienz der Fördergelder wäre
lediglich in der Milchproduktion, Geflügelhaltung oder bei Junglandwirten
nötig. Györffy erinnerte daran, dass das geplante Junglandwirteprogramm nicht
nur für „neue Bauern“ gelten sollte, sondern auch für die schon aktiven. In den
letzten Jahren hätten etliche Landwirte unter 40 Jahren einen Betrieb
übernommen.
Kleinbauern beleben den ländlichen Raum
Für Emilia Mohan, Staatssekretärin aus dem rumänischen Landwirtschaftsministerium, legte die Bedeutung der Kleinbauern in ihrem Land dar. Während um Bukarest die großen Landwirte produzierten, hielten die vielen Kleinbauern die Landwirtschaft in den dünn besiedelten Regionen aufrecht. Das wirke sich nicht nur positiv auf die Umwelt aus, sondern habe auch ethnische Bedeutung. Die Menschen bleiben auf dem Land und können eine Sozialstruktur aufbauen, die der Kommunismus zerstört habe. Auf den Kleinbetrieben werden fast 40 Prozent des Haushaltseinkommens über die Landwirtschaft erzielt und nur neun Prozent mit Bargeld abgewickelt. Die rumänische Regierung sehe das nicht als Problem an, stelle aber doch die Frage, welche Betriebe künftig tragfähig sind. Für viele dieser kleinen Betriebe können ökologischer Landbau und Agrartourismus eine Alternative werden. Gerade diese Betriebe fragen nach zusätzlichen Fördermöglichkeiten, was Mohan als Beginn einer Marktanbindung bewertet. Außerdem sind noch rund zwei Millionen Hektar Ackerfläche nicht im EU-System erfasst und daher auch keine Direktzahlungen möglich.
Steuergelder auf Agrarsubventionen?
Für mehr Aufregung hingegen sorgte die Frage, ob Rumänien
Agrarsubventionen besteuert? Die Faktenlage ist vertrackt. Rumänien hat
zunächst einmal die Grundsteuer auf Landwirtschaftsflächen um 16 Prozent
angehoben und hat nun eine Pauschalsteuer je Hektar eingeführt. Die rumänische
Regierung unterstellt den Bauern den Erhalt von Subventionen. Deshalb gäben sie
keinen Gewinn an und zahlten keine Steuern. Mohan bekennt, dass niemand mit
dieser Lösung zufrieden sei. Die Steuer sei ein Versuch, mehr Geld für den
Staatshaushalt zu generieren. Während die Großbetriebe keine Probleme mit diese
Steuerlast hätten, sei die Regelung für die mittleren und Kleinbauern schon ein
Problem. Die Beschweren häuften sich.
Im Agrarausschuss regt sich Widerstand. Vor allem als
Jaroslaw Kalinowski, Christdemokrat aus Polen, anmerkte, dass auch die
polnische Regierung an eine Sondersteuer für Landwirte denke. Albert Dess will
prüfen, ob die Besteuerung der Agrarbeihilfen mit dem EU-Recht vereinbar sei,
der ungarische Christdemokrat Béla Glattfelder bezeichnete das rumänische
System bereits als illegal und der deutsche Christdemokrat Peter Jahr will sich
das System ebenfalls genau ansehen. Eine Einkommensbesteuerung sei hinnehmbar,
aber eine direkte Besteuerung von Agrarzahlungen nicht.
Roland Krieg