GAP: Krawall, Wahl und Vernunft

Landwirtschaft

Die GAP ist ein Kind ihrer Zeit

Eigentlich hat die neue Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) nur eine wesentliche Änderung eingeführt: Die Zahlungen werden auf ein neues Fundament der Umweltkomponente ausgerichtet. Doch das hat es in sich.

Vor der Entscheidung in Brüssel stellte Bauernpräsident Joachim Rukwied auf dem Bauerntag in Berlin die sich abzeichnende Einigung vor den Landesverbänden noch als drohenden Totalschaden dar [1]. Am Tag danach wurden daraus „Schrammen“ in einem „grundsätzlich positiv“ zu bewertenden Reformpaket. Was der Präsident als „überzogen und praxisfern“ bezeichnete, sieht der Rheinische Landwirtschafts-Verband als Chance: Geld zu verdienen, wenn die ökologischen Leistungen ordentlich entlohnt werden. Noch zufriedener klingt aus dem Süden der Republik: „Meine Erwartungen sind weitgehend erfüllt“, sagte Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner. Die Einigung setze gemeinsame Beschlüsse der deutschen Agrarminister um und trage dem Hauptanliegen Bayerns Rechnung, die Wettbewerbsfähigkeit bäuerlicher Familienbetriebe auch künftig abzusichern.

Am Tag „eins“ ist viel von Paradigmenwechsel die Rede. Doch das hat nicht die GAP zu verantworten. Die Energiewende, der Klimaschutz, verändertes Verbraucherverhalten und übersatte Märkte haben den Paradigmenwechsel schon vor dem ersten Legislativvorschlag zur GAP eingeleitet. Das nun auf der Grundlage des Lissabon Vertrages auch die gewählten Europaabgeordneten über die Agrarpolitik mitentscheiden folgt der Logik, dass die Bauern sich schon seit langem freuen, dass die Landwirtschaft in die Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Nur dürfen sie sich nicht wundern, dass die meisten Menschen ganz andere Vorstellungen von der Landwirtschaft haben, als die Praktiker.

Das sind nicht nur die „Gutmenschen“ schuld, die als Feindbild vorangetragen werden, sondern auch die zahllosen Heuhotels und Streichelzoos der landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebe. Seit Jahren gibt es Kampagnen für die Grünen Berufe – doch am Ende stehen für zwei Drittel der Betriebe mit Landwirten über 45 Jahren keine Hofnachfolger bereit [2]. Rund 2,5 Millionen Hektar Land müssen auf die anderen Betriebe aufgeteilt werden.

Bis Renate Künast war das Agrarministerium eine Ständevertretung. Über Horst Seehofer und Ilse Aigner hat sich die ganze Branche in einem neuen Ressortzuschnitt geöffnet und die Umfrage des Deutschen Bauernverbandes bei den Parteien über die Zukunft des Ministeriums lässt auch keinen Schritt zurück erwarten [s. ebenfalls 1].

Die Landwirte sind Unternehmer – und müssen sich den gleichen Anforderungen stellen, wie andere Unternehmen aus anderen Branchen auch: Nachhaltigkeitsberichte, Siegel und offene Türen, Transparenz bis ans Ende der globalen Wertschöpfungskette. Der Paradigmenwechsel betrifft nicht nur die Bauern.

Dennoch wollen sie – und das zu Recht – als Unternehmer angesprochen werden, denn die meisten verdienen nicht genug Geld, um zu investieren. So viel Arbeit für so wenig Geld machen die Nicht-Landwirte nicht mit. So versteht es Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler auf dem Bauerntag die Wahlkarte zu ziehen: „Unsere ländlichen Räume sind nicht nur Museum für die Städte, sondern Wirtschaftsräume.“ Bauern sind Unternehmer aus dem Mittelstand und Cross Compliance sei daher wesensfremd.

Dann aber verfällt er in bester Westerwelle-Manier, der bis zur Wahl als Außenminister ein fester Bestandteil der Bauerntage war, in den Graubereich, wo Bierzeltatmosphäre und Wahlprogramm nur noch schwer zu unterscheiden sind: Der Flächenausgleich für die neuen Energienetze muss geändert werden, „sonst ist Deutschland bald voll mit Fallobstflächen.“ Tobender Applaus und Gefallen an solchen Redewendungen müssen nicht unbedingt Zustimmung signalisieren.

Georg Häusler, Kabinettschef von EU-Landwirtschaftskommissar Dacian Ciolos, hatte vor Agrarjournalisten Deutschland bei den Verhandlungen sogar gelobt. Im Interesse eines wirklichen Kompromisses habe Deutschland seinen Widerstand gegen das Junglandwirteprogramm, bei der Transparenz, gegen ein früheres Auslaufen der Zuckerquote aufgegeben. Kappung und Degression stehen noch aus und liegen in der eigenverantwortlichen Ausgestaltung. Die Landwirtschaft in der Mitte der Gesellschaft bedeutet auch Mitreden des Europäischen Parlamentes. Rat, Kommission und Parlament haben erstmals bei einer großen und wichtigen Diskussion parallel ihre Machtstrukturen festgelegt. Damit musste sich vor allem der Rat auseinandersetzen. Vormals wollten die Agrarchefs das meiste für ihre Bauern herausholen, das Europaparlament setzt andere Akzente. Dabei ist ein kompromissfähiger Rahmen herausgekommen.

Gleichzeitig haben die Mitgliedsländer Flexibilität erhalten, regionale Unterschiede verschieden zu behandeln. Für Georg Häusler ist das keine Renationalisierung der Agrarpolitik.

Eine Zeitenwende ist unbeständig, weil die eingeschlagene Richtung nicht mehr sicher ist. Deshalb wird die GAP erstmals 2018 im Vierjahres-Rhythmus evaluiert. Dann stehen aber auch neuer Hochwasserschutz, die Energiewende, der Fortgang der Elektromobilität oder die Armutsbekämpfung auf dem Prüfstand. Denn die ganze Welt ist ein Dorf geworden.

Lesestoff:

[1] Rukwied und Merkel fordern mehr Markt für die Landwirte

[2] Landwirtschaftszählung 2010

[3] EP setzt eigene Ansprüche

[4] Details zur Agrarreform

Roland Krieg

Zurück