GAP: Wer wünscht und wer verhandelt?

Landwirtschaft

GAP: Das Grün wird grüner, ist aber noch nicht grün genug

Norbert Lins ist Vorsitzender des Agrarausschusses im Europaparlament. Am Donnerstag bezeichnete er in einer Diskussion beim Deutschen Bauernverband (DBV) die neue Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) als größte Reform seit 1992. Damals hatte der irische EU-Agrarkommissar Ray MacSharry den Landwirten den Weg von der produktionsgestützten Subvention in die Marktwirtschaft asphaltiert. Für Lins geht jetzt kein Euro mehr ohne irgendeine Konditionalität an die Landwirte raus und die grüne Architektur leite eine neue Umwelt-Agrarpolitik ein. Jörg-Andreas Krüger sieht als Präsident des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) differenzierter: Die Reform mache die GAP grüner. Das sei richtig, aber sei sie für die kommenden Herausforderungen grün genug, fragte er auf der gleichen Veranstaltung.

Solowünsche und Vielfaltskompromiss

Am Mittwoch tagte das Bundesumweltministerium und für Ressortchefin Svenja Schulze ist der „notwendige Systemwechsel auf der EU-Ebene noch nicht gelungen.“

In der zurückliegenden Woche wurde so viel über die GAP diskutiert, wie sonst auf der Internationalen Grünen Woche, die wegen der Pandemie für Besucher ausfällt und nur wenige digitale Höhepunkte aufweist. Daran stören sich die Akteure nicht und diskutieren digital außerhalb der Messehallen weiter. Dabei fällt auf, dass die zum Teil sehr großen Unterschiede in der Bewertung der GAP, für die ja noch einige Trilog-Verhandlungen von Rat, Kommission und Europaparlament offen sind [1], entlang der Linie verläuft, die aktiv Verhandelnde und Wünschende aus der Ferne trennt.

„Wir dürfen nicht die Fehler des Greening wiederholen“, sagte Schulze auf ihrem Kongress und Norbert Lins „entgegnete“ einen Tag später: Mit den Eco-Schemes gibt es subsidiäre Anpassungen über Agrar-, Umwelt- und Klimamaßnahmen, die in der zweiten Säule die Eco-Schemes in der ersten Säule ergänzen. Alois Bauer, Sprecher des Sonderausschusses Landwirtschaft in der EU für das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ergänzte: „Die gemeinsame Ausrichtung der GAP ist ein ziemlicher Kraftakt gewesen. Das verpflichtende Mindestbudget für die Eco-Schemes hatte bei Beginn der Ratsverhandlungen keine Mehrheitsposition.“ [2] Das Zusammenspiel aller Elemente der grünen Architektur ist nach Bauer komplex und werde „für die Verwaltungen anspruchsvoll“.

Ein Puzzleteil fehlt ja noch

„Wir wollen miteinander und nicht übereinander reden“, sagte Svenja Schulze. Organisationen wie „Land schafft Verbindung“ oder die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) stünden Seite an Seite und beklagten die Billigpreise und nicht die Umweltauflagen. Vergessen hatte Schulze, dass sie beim legendären Bauernprotest vor dem Brandenburger Tor, vor lauter Buhrufen nach gut drei Minuten von der Bühne flüchtete [3]. Schulze setzt auf den nationalen Strategieplan, der ökologisch über die Bundesländer die GAP nachbessern könne. „Die nationale Umsetzung ist der entscheidende Punkt“, so die Ministerin.

Schulze hatte per Videobotschaft den EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius im Boot. „Prioritär ist der Kampf gegen den Klimawandel“, sagt er und verwies auf den Green Deal der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Was die Kommission mit dem Green Deal, den beiden Strategien „From Farm-to-Fork“ und zur Biodiversität nachgelegt hat, entspricht den Bürgerbegehren zur Bienenrettung. Bauernpräsident Joachim Rukwied vermutete im vergangenen Jahr eine gemeinsame Blaupause für alle Umweltpapiere. Der Blick in die Zukunft zeigt, dass sich die Zeiten schneller ändern werden: Mit Alois Gerig, Kees de Vries, Georg von der Marwitz (Union), Rainer Spiering und Ursula Schulte (SPD), Kirsten Tackmann (Die Linke) und Friedrich Ostendorff (Bündnis 90/Die Grünen) hören mit der 19. Legislaturperiode gestandene Agrarpolitiker auf oder haben die Listenwahl verpasst. Es werden Politiker mit andern Interessen nachrücken.

Artenschwund und Trockenheit, aber auch Verarbeitungs- und Marktstrukturen haben die Marge bei den Landwirten gesenkt oder gefährden sie überhaupt. An diesen Realitäten kommen die Landwirte nicht vorbei.

Nicht nur auf den Tacho blicken

Wolfgang Miersch (SPD) äußerte auf dem BMU-Kongress nur maßvolle Kritik an Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner: „Die richtigen Diskurse fehlen mir. Nach meinem Dafürhalten hält Julia Klöckner am Alten fest.“ Es passiere dennoch viel auf europäischer und internationaler Ebene, fuhr er fort. So erschwere das Fehlen eines europäischen Tierschutzrechtes die einheitliche Vorgehensweise der Länder. Miersch glaubt nicht, dass es ein verpflichtendes Tierwohlkennzeichen gibt, weil es im Falle einer Einstufung als nicht-tarifäres Handelshemmnis die Verlagerung der Erzeugung ins Ausland beschleunige.

Wolfram Günther, Staatsminister für Landwirtschaft in Sachsen, kritisierte Klöckners Brief an die Agrar- und Umweltminister zur Umsetzung der nationalen Strategieplanung. Er vermisste die Vorgaben aus Berlin. Ursula Heinen-Esser hat den Brief als Landwirtschaftsministerin für Nordrhein-Westfalen erhalten und begrüßte die offene Abfrage für ein Meinungsbild. NRW habe bereits nach Themenblöcken geantwortet.

Kathrin Muus aus dem Vorstand der Deutschen Landjugend sprach sich beim DBV gegen einen schnellen Wechsel aus. Allerdings sollten die Politiker schon jetzt auch an die übernächste GAP denken. So wie Jörg-Andreas Krüger. Damit die Agrarpolitik auch wirklich grüner wird und passgenaue Maßnahmen durchführen kann, werde man bei bestimmten Leistungen über Finanzströme außerhalb der Landwirtschaft nachdenken müssen.

In Brüssel gibt es lediglich mit „Life“ ein vergemeinschaftetes Umweltprogramm [4]. In Ermangelung anderer Adressen fokussieren sich Ökonomen, Ökologen und Soziologen auf die Landwirtschaft, die für alle anderen Sektoren Umwelt und Klima retten solle. Das das Thema so umfangreich diskutiert wird, liege weniger an der komplexen Diskussionsstruktur, sagte Wolfgang Burtscher, Generaldirektor der DG Landwirtschaft und ländliche, Entwicklung beim DBV, „sondern an der Komplexheit der Materie“ [5]. Immerhin, so stellte Heinen-Esser auf der BMU-Konferenz fest, die Themen Umwelt und Klima sind mittlerweile bei allen europäischen Agrarministern angekommen.

Direktzahlungen

Was viele Landwirte trotz BMU-Kongress empfinden, ist ein Clash mit dem Umweltthema, dessen Akteure nicht klar machen können, sie arbeiten nicht gegen die Landwirte. In Deutschland wird das beim Thema Direktzahlungen deutlich. Bislang werden sie pro Hektar ausbezahlt und reichern sich bei steigender Betriebsgröße an. Nach MacSharry ist das eine deutliche Verbesserung gewesen, als die Subventionsbindung an die Menge. Die musste bei Überproduktion subventioniert über die Lagerhaltung vom Markt genommen werden und kostete am Ende ein drittes Mal Geld für die Vernichtung oder als verbilligte Weihnachtsbutter auf dem Weg nach Moskau.

Was die flächengebundene Direktzahlung in Deutschland so unbeliebt macht, ist nach Wolfgang Burtscher in Österreich kein Problem. Der alpenländische Betrieb ist im Durchschnitt 17 Hektar groß (Deutschland: 62 ha) und überwiegend im Eigentum. Da gibt es kein „Durchzahlen“ der Hektarprämien an den Landbesitzer. Die meisten Verbraucher wünschten sich kleine und mittlere Familienbetriebe und je kleiner ein Betrieb ist, desto wichtiger werden die Direktzahlungen, erläuterte Burtscher.

Alois Bauer und Kathrin Muus verwiesen auf die Existenzsicherung der Direktzahlungen, die je nach Produktsegment bis zu 35 Prozent des Einkommens stellen. Gerade bei offenen Märkten ist nach Bauer diese Grundsicherung nicht zu vernachlässigen. In Deutschland wird als Alternative eine Gemeinwohlprämie diskutiert. Für Burtscher ist die im Wesentlichen eine konditionierte Direktzahlung. Zudem würden einfache Pauschalzahlungen den Bürokratieaufwand verkleinern, weil für jede Kopplung auch eine Kontrolle erforderlich werde.

Neues Modell in Großbritannien

Der Österreicher Burtscher schaut gespannt nach Großbritannien. Dort werden mit einer siebenjährigen Übergangszeit die bisherigen EU-Flächenprämien auslaufen. Die etwa 150.000 britischen Bauern können im Gegenzug Geld aus dem neuen und freiwilligen Umweltprogramm EMLS erhalten. Die Nahrungsmittelproduktion wird ausschließlich über den Markt finanziert. Zudem müssen die Betriebe ab 2022 eine Wirtschaftlichkeitsprüfung durchlaufen, nach dessen Ergebnis sich eine Weiterfinanzierung oder eine Abwicklungsprämie ergibt.

Den besten Vorschlag hatte Ursula Heinen-Esser aus Düsseldorf auf dem BMU-Kongress parat: Die beiden Berliner Ministerinnen vom BMEL und BMU sollten sich gegenseitig einen Fragekatalog zusenden und eine eigene Zukunftskommission Landwirtschaft bilden.

Lesestoff:

[1] Aktueller Stand der Triloge: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/wie-weit-sind-die-gap-triloge.html

[2] GAP-Verhandlungsmarathon in Luxemburg: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/gap-die-harte-nuss.html

[3] Mega-Dialog: Julia und die Bauern: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/mega-dialog-julia-und-die-bauern.html

[4] Das kleine Umwelt- und Klimaprogramm der EU: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/das-kleine-umwelt-und-klimaprogramm-der-eu.html

[5] Whole of Government – Prozess: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/wolfgang-burtscher-im-eu-agrarausschuss.html

Roland Krieg

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