Gartenbau in Deutschland

Landwirtschaft

Obst und Gemüse aus Deutschland

Derzeit reiben sich deutsche Verbraucher die Augen. Preise für Salate, Paprika und andere Gemüse haben sich verdoppelt bis verdreifacht. In Großbritannien ist Gemüse aus den Regalen verschwunden und wird sogar rationiert. Mehr als zwei Köpfe Salat pro Konsument sind in einigen Geschäften nicht mehr erlaubt. Die preissensiblen Kunden kennen so etwas kaum. Dabei ist die Ursache vollkommen natürlich – im wahrsten Sinne des Wortes.

Frisches Gemüse kommt in dieser Jahreszeit aus den mediterranen Ländern. Dort hat ein Kälteeinbruch nicht nur das Freilandgemüse, sondern auch das aus den normalerweise unbeheizten Gewächshäusern geschädigt und Neuansaaten behindert. Spanische Gemüse- und Obstproduzenten bitten Kunden um Verständnis und Flexibilität. In Italien ist nahezu die gesamte Produktion seit Anfang 2017 betroffen. In Südtirol sind vereiste Glasüberdachungen sogar eingestürzt. Mehr als 50 Prozent Ausfall bei Salaten und die Produktion von Artischocken ist für weitere Wochen blockiert. „Auch bei den Tomaten verzeichnen wir Schäden, denn die Gewächshäuser werden nicht geheizt und so gibt es Reifeverzögerungen und Blütenverluste“, berichtet Salvatore Giardina, Erzeuger aus Sizilien im Fruchthandelsmagazin. In Piemont hingegen sind die Ausfälle geringer, weil die Gewächshäuser mit der Wärme aus Biogasanlagen beheizt werden. Die Anbauflächen sind allerdings nicht so groß wie in Sizilien. Die Norditaliener planen zwar Erweiterungen, aber es fehlt an Investitionsmitteln.

Glasanbau oder Freiland?

Der geschützte Anbau ist auch in Deutschland wichtig. Der Sommer war für die Gemüsebauern viel zu trocken. 95 Prozent des bekannten Gemüses von der Bodenseeinsel Reichenau kommt aus dem geschützten Unterglasanbau. Die eigene Wasserversorgung mit 60.000 Meter Rohrleitungen aus dem größten Trinkwasserspeicher in Europa hat die Ernte gerettet und macht Planungen für Erweiterungen möglich. Vor dem trockenen Sommer haben Niederschläge in den Monaten Mai und Juni regional für schlechte Stimmung gesorgt. Der Freilandanbau in Rheinland-Pfalz musste rund um Mutterstadt einen Totalausfall von 900 Hektar hinnehmen.  Verluste konnten aus anderen Regionen ausgeglichen werden.

Sorgen der Branche

Doch nicht nur das Wetter als ursprüngliches Produktionselement der Landwirtschaft hält die Branche in Atem. Die handelspolitische Großwetterlage sorgt für Unruhe. Dieter Krauß ist Präsident des Deutschen Fruchthandelsverbandes und unterstreicht zur Fruit Logistica die Bedeutung des freien Warenverkehrs. Selbst als Optimist muss er aktuell widersprüchliche Signale  vor allem aus den USA deuten.

Zufrieden hingegen zeigte sich Krauß im Vorfeld der Obst- und Gemüsemesse mit der öffentlichen Wahrnehmung von Pflanzenschutzmittel. Bis auf die Diskussion um Glyphosat waren die Rückstände kein Thema in der Öffentlichkeit. Krauß wertet das als Erfolg, weil der Konsument die ständig negativen und unberechtigten Meldungen längst durchschaut habe. Dennoch lässt ihn das Thema nicht ruhen. Der Lebensmittelhandel  setze mit eigenen Regeln „Sekundärstandards“, die heimischen Erzeugern den Zugang zum Markt erschwere.

QS hat das Probenvolumen um 8,6 Prozent steigern können. Zur  Fruit Logistica wurde der Monitoring Report 2017 für 28.306 Proben aus 78 Herkunftsländern vorgestellt. In 96,6 Prozent aller Proben konnten keine oder nur Rückstände innerhalb der Grenzwerte festgestellt werden. Der Umfang der Proben ohne jeden Rückstand lag bei 36,6 Prozent. Gestiegen ist allerdings die Beanstandungsquote bei Drittlandimporten (6,9 Prozent). Die geringste Beanstandungsquote lag wie immer bei deutscher Ware mit 0,6 Prozent.

Christian Weseloh, Geschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Erzeugerorganisationen (BVEO), kritisiert die Politik. Der Audit-Bericht der EU-Generaldirektion Gesundheit hat die Probleme der Zulassungsbehörden in Deutschland aufgezeichnet. Weseloh hält die Kritik an langen Fristen und unkordinierter Zuammenarbeit für gerechtfertigt. Unzufrieden ist er auch mit der Umsetzung der Harmonisierung der Zulassung zwischen den Mitgliedsländern und der noch immer offenen zonalen Zulassung. Die Zeit dränge, denn vor allem der Obst- und Gemüsebranche gehen die Wirkstoffe aus.

Auch die Argumente. Allen Versuchen zum Trotz könnten die Deutschen mehr Obst und Gemüse essen. Die Aktionen der Vergangenheit hatten keinen durchschlagenden Erfolg und machen die Branche ratlos. Die CMA hat noch immer keinen Nachfolger gefunden. Geschäftsführer Hans Lehar von der Obst- und Gemüse-Absatzgenossenschaft Nordbaden eG fordert daher im Fruchthandelsmagazin: „Auch das Image der Landwirte muss verbessert werden. Anstatt die Landwirte und Produzenten nur zu kritisieren, sollte man deren Arbeit und Leistungen für die Gesellschaft und den Verbraucher thematisieren. Es fehlt eine gemeinsame Aufklärungskampagne, die diese wichtige Berufsgruppe bei allen Beteiligten wieder ins rechte Licht rückt.“

Da steppt die Beere

Grund zur Freude haben derzeit die Beerenerzeuger. Alle Zahlen aus diesem Segment zeigen nach Ansicht von Ludger Linnemannstöns von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen nach oben. Bei Erdbeeren und Johannisbeeren stagniere zwar die Zahl der Haushalte, die diese Beerenfrüchte kaufen um die 70 und zehn Prozent, aber bei den Heidelbeeren hat sie sich auf 30 Prozent verdoppelt und bei Himbeeren auf 25 Prozent verdreifacht.  Auf niedrigem Niveau hat sich auch die Verbreitung der Brombeere (sieben Prozent der Haushalte, die mindestens einmal im Jahr dieses Produkt kaufen) erhöht.  Noch freundlicher sieht es bei den Mengen aus. 2015 wurden rund 170.000 Tonnen Erdbeeren und 17.000 Tonnen Heidelbeeren (2006 waren es 6.000 t) verkauft. Die Preise der Heidelbeeren stiegen von sieben auf neun Euro das Kilogramm. „Bilderbuchhaft“ war auch die Marktperformance der Himbeere: In den letzten zehn Jahren stieg der Verkauf von 3.600 auf 12.500 Tonnen und der Preis von fünf auf fast 12 Euro.  Die Brombeere hat ihren Umsatz von 600 auf 1.400 Tonnen gesteigert und die Marke von zehn Euro je kg geknackt. Linnemannstöns prognostiziert beerige Aussichten: „Die Produktion wird weiter steigen, die Saison wird sich ausdehnen und die Produktion intensivieren. Dazu brauchen die Anbauer bessere Sorten und Kapital. Schwieriger wird die Beherrschung verschiedener Krankheiten. Wer das im Griff habe, kann auch in den Ökomarkt einsteigen.

Mehr Bio

Der Bio-Trend fordert die Gemüsebauer heraus. Die Behr AG wird in Norddeutschland mehr Biogemüse wie Baby Leaf, Spinat, Rucola und Kartoffeln anbauen. Für den Sommer 2017 stehen insgesamt 16 Gemüsearten im Anbauplan. Das Betriebswachstum will Geschäftsführer Rudolf Behr bei Direktsaat-Gemüse voranbringen. Dazu hat er eine neue Dämpfanlage angeschafft, mit der er eine  „gute, biologische Unkrautbekämpfung“ durchführen kann.

Herkunft ist der neue Kontrolltrend

Kaum ist das Thema Pflanzenschutzmittel vorbei, steht eine neue Anforderung ins Haus. Die Überprüfung der Warenherkunft. „Regionalität“ wird mehr bezahlt und von Kunden als wichtig eingestuft. „Die Vermarktung mit dem „Regional“-Prädikat verspricht höhere Renditen und erreicht auch den Nicht-Bio-Kunden“, sagt Frank Mörsberger im Fruchthandelsmagazin. Für den Nachweis greift der Experte von Agrolab Group in die Schatzkiste der Natur. Chemische Elemente kommen in verschiedenen Variationen vor, bei der die Anzahl der Neutronen im Atomkern verschieden ist. Schwere Isotope zerfallen in nicht radioaktive stabile Isotope. Deren Massenverhältnis ist auf der Welt von Ort zu Ort unterschiedlich und entspricht einem geografischen Fingerabdruck, der gemessen werden kann. Mit Hilfe eines Produktmusters kann die Erdbeere aus Ägypten von der deutschen oder der chilenischen unterschieden werden.  Damit kann sogar die pfälzische von der märkischen Erdbeere getrennt werden.  Ein Discounter in Österreich verlangt von seinen Lieferanten so ein Produktmuster, um falsche Angaben aufdecken zu können.

Mit Hilfe der Stabil-Isotopenanalyse können auch Bioprodukte von konventionellen unterschieden werden, oder Produktverfälschungen bei Wein, Honig und Fruchtsaft.

In Baden-Württemberg gehört die Herkunftskontrolle zu den festen Aufgaben des im Oktober 2015 gestarteten „Landeskontrollteam Lebensmittelsicherheit“. In 45 kontrollierten Betrieben war die Auslobung „regional“ meist korrekt, vermerkte Landwirtschaftsminister Peter Hauk zu Beginn dieser Woche. In einigen Fällen war durch eine unvollständige Dokumentation die Herkunft der Produkte oder Rohstoffe nicht mehr nachvollziehbar gewesen. Vereinzelt entsprach die Herkunftsangabe im Internet nicht den vorgefundenen Tatsachen. Darauf mussten die Betriebe ihre Werbung ändern.  Für Hauk ist das ein Erfolg für den Verbraucher und die ehrlichen Händler.

Roland Krieg; Fotos: roRo

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