Geflügelbranche unter Druck
Landwirtschaft
Bundestag debattiert Tötung von Eintagsküken
Die männlichen Küken spezialisierter Legehennenrassen legen nicht nur keine Eier, sondern sind auch wirtschaftlich kaum zu mästen. Obwohl laut Tierschutzgesetz keinem Tier „ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden“ zugefügt werden dürfen, werden allein in Deutschland jährlich rund 40 Millionen männliche Eintagsküken geschreddert oder vergast.
Neben Zweinutzungshühner, die sowohl einen zufriedenen Masterfolg als auch einen zufriedenen Legeerfolg aufweisen können, gilt die Geschlechterbestimmung im Ei als Alternative zur Kükentötung. Das Bundeslandwirtschaftsministerium unterstützt die Leipziger Forschung, die mit einer Nah-Infrarot-Raman-Spektroskopie, die mittlerweile das Labor verlassen hat und eine praxisreife Lösung entwickelt [1]. 2017 soll es soweit sein.
Wie bei der Legebatterie hat die Tierrechtsorganisation Peta den Rechtsweg gegen das Kükentöten versucht einzulegen und setzt die Politik unter Druck. Diesen Februar hat die Staatsanwaltschaft Münster Klage gegen eine Brüterei erhoben, weil die Brüterei seit 2013 wissen müsste, dass das Kükentöten unrechtmäßig sei. Allerdings hat das Landgericht die Klage dann doch nicht zugelassen.
2013 hatte Nordrhein-Westfalens Landwirtschaftsminister Johannes Remmel auch per Erlass diese Praxis beenden wollen, was allerdings vom Verwaltungsgericht Minden Anfang 2015 wieder außer Kraft gesetzt wurde. Es fehle eine „spezialgesetzliche Ermächtigungsgrundlage“ des Bundes. Bündnis 90/Die Grünen haben daraufhin den Antrag gestellt, einen klaren Gesetzentwurf gegen das Kükentöten zu verabschieden.
Dem fast einjährigen Antrag hat die Partei diesen Donnerstag sogar Landwirtschaftsminister Johannes Remmel aus Nordrhein-Westfalen zu einer Rede in den Bundestag hinterhergeschickt. Die männlichen Küken werden „geboren um zu sterben“ und das am Fließband, sagte er. „Diese abscheuliche Praxis geschieht mit der Kenntnis des Gesetzgebers. Die Länder hätten alle Möglichkeiten auch über den Bundesrat ausgenutzt, alleine, der Bund ließe jede Handlung vermissen. „Ohne den Bundestag läuft nichts. Tiere sind kein Abfallprodukt.“ Und: „Mit jedem geschredderten Tier schreddern wir auch ein Stück der eigenen Würde.“
Keine Frage: Alle Parteien wollen das Kükentöten beenden. „Ihren Weg zum Ziel teile ich aber nicht“, unterstreicht Dieter Stier von der CDU. Das Töten der Küken wertet er als nicht mehr zeitgemäß und verweist auf die technische Lösung der Geschlechterbestimmung im Ei. Stier wolle keine Lösung mit der Brechstange, sondern eine praxisreife Lösung. Dazu müsse das Tierschutzgesetz auch nicht geändert werden. Sobald es eine flächendeckende Lösung gibt, sei das aktuelle Gesetz erfüllt. Gleichzeitig wird mit Zweinutzungshühnern und Bruderhähnen an weiteren Alternativen gearbeitet.
Kirsten Tackmann (Die Linke) verweist auf das Landgericht Münster, dass in seiner Ablehnung ebenfalls die Politik für eine Lösung anvisiert hat. Man müsse nicht alles den Gerichten überlassen, zumal „es doch einen politischen Konsens“ gibt. Der einfachste Weg wäre die Änderung des Tierschutzgesetzes.
Die Weigerung zur Änderung des Tierschutzgesetzes hat handfeste Gründe. Wenn Tiere nicht mehr aus wirtschaftlichen Gründen getötet werden dürfen, dürften bald auch die Schlachttiere nicht mehr getötet werden, fragte Rita Stockhofe (CDU). Die Alternativen der Zweinutzungshühner seien wirtschaftlich alle nicht so erfolgreich wie spezialisierte Mast- und Legehennentiere. Zudem sei unklar, was mit den 40 bis 50 Millionen Küken geschehen solle? „Wollen Sie die haben?“, fragte sie Zwischenrufer Oliver Krischer von Bündnis 90/Die Grünen.
Ob die Geschlechterbestimmung das Ende der Diskussion ist, bleibt mehr als offen. Christiane Jantz-Hermann (SPD) bezeichnete diese nur als Brückentechnologie, weil industrielle Selektion und das System weiterhin bestehen.
Schließlich geht auch im Bundestag die Debatte weiter. Der einjährige Antrag wurde mit Regierungsmehrheit abgelehnt, der neue Antrag zur „Zukunftsfähigen Hühnerhaltung“ mit Beendigung des Kükentötens wurde in den Agrar-Ausschuss verweisen.
Lesestoff:
Roland Krieg