Geflügeltag im BMEL
Landwirtschaft
In Ovo-Geschlechtsbestimmung und Kupieren von Schnäbeln
Zu Beginn der parlamentarischen Sommerpause hat Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt am Donnerstag noch einmal aus dem Vollem geschöpft. In einer Doppelveranstaltung überreichte er Prof. Dr. Maria Elisabeth Krautwald-Junghanns einen Förderbescheid zur Entwicklung des Prototyps für die Geschlechterfrüherkennung im Hühnerei und unterzeichnete anschließend mit Vertretern der Geflügelwirtschaft eine Vereinbarung zum Beenden des Schnabelkürzens in der Haltung von Legehennen und Mastputen.
Männliche Küken der Legehennenrassen
Rund 45 Millionen männliche Eintagsküken werden pro Jahr getötet, weil sie als Nachwuchs spezialisierter Legehennen weder Eier legen noch ausreichend für die Mast geeignet sind. „Es ist mir ein Anliegen, dass das Töten der männlichen Küken ein Ende findet“, bekannte Schmidt, der sich die aktuellste Forschung im März vor Ort in Leipzig angeschaut hatte [1]. Schmidt legt die Messlatte hoch: „Wir müssen eine praktikable Alternative entwickeln, damit die Kükenproduktion nicht ins Ausland verlagert wird.“ Daher bekommt das Forscherteam der Universität Leipzig einen Förderbescheid in Höhe von 1,1 Millionen Euro für die zweite Phase der Forschung: Die Geschlechtererkennung vom Labormaßstab für die Brütereien zu entwickeln. Weil es auch wirtschaftliche Gründe hat, zieht das Ministerium diese Methode der Entwicklung von Zweinutzungshühnern vor. Die Geschlechtererkennung tastet die hoch spezialisierten Legehennenrassen nicht an. Schmidt verweist auf die TU Hannover, die sich als kleine Alternative auch um das Zweinutzungshuhn kümmere.
Früher als nach drei Tage kann die Nah-Infrarot-Raman-Spektroskopie
nicht eingesetzt werden. Da sei das Ei noch zu sensibel. Schließlich müssen die
Forscher ein Loch in die Schale fräsen und anschließend wieder mit einem Deckel
versehen. Aber der Zeitpunkt ist gut gewählt, denn am dritten Tag ist das
Schmerzempfinden der Küken noch nicht entwickelt.
Prof.
Dr. Maria Elisabeth Krautwald-Junghanns erhaelt den Foerderbescheid von
Minister Christian Schmidt
Die Eier mit weiblichen Legehennenküken werden weiter bebrütet, die der Brüder aussortiert und möglicherweise als Proteinfutter verarbeitet. Schmidt hat sich einen „ambitionierten Zeitrahmen“ gesetzt. Bis 2017 soll der Prototyp serienreif sein.
Über eine Parallelschaltung der Erkennungstechnologie soll sie nach Vorstellung der Wissenschaftlerin und des Ministers den Sexern Konkurrenz machen können. Die Profis erkennen Eintagsküken mit hoher Sicherheit bei einem Durchlauf von mehr als 2.000 Küken pro Stunde.
Tierwohl auch im Maststall
Minister Schmidt wechselte dann in den Maststall. Zusammen mit der Geflügelindustrie unterzeichnete er eine „Vereinbarung zur Verbesserung des Tierwohls zum Verzicht auf das Schnabelkürzen in der Haltung von Legehennen und Mastputen“. Das Töten der männlichen Küken ist darin nur ein Baustein. Auch hier will Schmidt das Tierwohl verbessern und die Mast in Deutschland halten. Am 01. August 2016 soll daher das Schnabelkürzen in den Brütereien eingestellt werden und ab dem 01. Juni 2017 kein „amputiertes Tier“ mehr eingestallt werden dürfen. Auch dieses Projekt ist sehr ehrgeizig, denn Millionen von Eiern aus dann herkömmlicher Haltung werden aus den Niederlanden und Polen nach Deutschland eingeführt. Daher verspricht Schmidt. „Ich werde unseren nationalen Konsens auf die europäische Ebene bringen.“
Das Ministerium etikettiert das Modell mit der „freiwilligen Verbindlichkeit“, die der Industrie einen Zeitrahmen zur Verfügung stellt, vor Inkraftsetzung von ordnungsrechtlichen Regeln, den Weg frühzeitig selbst zu gehen. Leopold Graf zu Drechsel, Präsident der Deutschen Geflügelwirtschaft, spricht von einem aufregenden Tag: „Es ist ein Riesenjob, so eine Wende auf den Weg zu bringen.“ Vom Erzeuger bis zum Handel komme die „freiwillige Verbindlichkeit“ genau richtig. Graf von Drechsel verweist auf die drei Jahre alte freiwillige Branchenverpflichtung zur Putenhaltung. „Wir sind veränderungsbereit“, ergänzte Günter Scheper, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutsches Ei [2].
Günter
Scheper (Bundesverband Deutsches Ei), Leopold Graf von Drechsel (Zentralverband
der Deutschen Geflügelwirtschaft), Christian Schmidt
(Bundeslandwirtschaftsminister), Dr. Maria Flachsbarth (Staatssekretärin im
BMEL), v.l.n.r. Thomas Storck (Verband der Deutschen Putenerzeuger) hatte aus
terminlichen Gründen vorab unterschrieben
Die Vereinbarung geht gezielt gegen Federpicken und Kannibalismus vor. Scheper betont, dass beides multifaktorielle Ursachen habe. Im Notfall könne in Zusammenarbeit mit dem Veterinär das Lichtregime im Stall verändert werden. Dunkelheit beendet beide Verhaltensweisen. Doch die Forschung bietet auch Alternativen an: Ein Korb mit Möhren oder ein Strohballen, vielleicht auch die Zucht in Richtung ruhigerer Tiere. Die vorläufigen Haltungsleitlinien sehen für die Junghennenaufzucht eine maximale Besatzdichte von 18 Tieren pro Quadratmeter ab dem 35. Lebenstag vor. Bei einem Stall mit mehreren Ebenen können 36 Junghennen pro Quadratmeter gehalten werden.
Lesestoff:
[1] Spektroskopie erkennt den Hahn
[2] Freiwillige Branchenverpflichtung zur Putenhaltung
Roland Krieg; Fotos: roRo