Gegen millionenfachen Vogeltod

Landwirtschaft

Vergessen Sie Vogelsilhouetten auf dem Fensterglas

Jeder Blick aus dem Fenster sollte der Blick in den Spiegel sein. Egal, ob es dabei um ein Wohnzimmerfenster, eine Glasfläche im Wintergarten oder Fassadenteile mit architektonischer Aussagekraft geht: Für das kleine Goldhähnchen bis zum Greifvogel sind Glasflächen unter den meisten Bedingungen eine tödliche Gefahr. Das gilt auch für gläserne Wartehäuschen und Schallschutzwände.

Die gefiederten Freunde segeln im Sturm, die Finken und Meisen durchfliegen Hecken und weichen bei Sturm peitschenden Ästen aus. Doch seit die Menschen ihre Gebäude mit Glas durchbrechen und der moderne Baustoff Glas den Inhäusigen ein naturnahes Wohnerlebnis verspricht, bleiben immer mehr Vögel mit gebrochenem Genick am Gebäudefuß liegen.

Die unsichtbare Gefahr

Glas wird aus drei Gründen für Vögel zur Todesfalle. Vögel umkurven zwar das Wohnhaus, wenn aber bei einer Verglasung über Eck dem Vogel ein Durchflug suggeriert wird oder das gläserne Wartehäuschen mitten in der Landschaft den Flugweg blockiert, endet der Vogelflug tödlich.

Auch spiegelnde Scheiben suggerieren den Vögeln „freie Bahn“, denn sie sehen nur die sich spiegelnde Vegetation oder den reflektierten Himmel und wähnen einen Landeplatz, den es anzusteuern gilt.

Beleuchtete Glasfronten ziehen Vögel am Abend magisch an. Sie erkennen aber nicht das Glas und fliegen dagegen.

Wie viele Vögel durch diese rein menschengemachte Umwelt bundesweit sterben ist nicht klar. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) geht von mindestens 18 Millionen Vögeln pro Jahr allein für die Bundesrepublik aus. Andere verweisen auf deutlich höhere Glasopfer. Der Naturschutzbund Deutschland verweist auf die Vogelschutzwarten und gibt die Zahl der Opfer mit 100 Millionen pro Jahr an.

Die große Spanne resultiert sicher auch aus den vielen Einzelfällen, bei denen eine tödliche Glasfront erst durch eine Vielzahl an Schadensereignissen auf sich aufmerksam macht. US-Studien haben eine Todesrate von über 20 Vögel pro Bürohaus und Verwaltungsgebäude pro Jahr berechnet. Jedes Einfamilienhaus erhöht die Zahlen um zwei tote Vögel pro Jahr.  Diese Zahlen sind nach Erkenntnis der Wissenschaftler auch auf Deutschland übertragbar.

Die Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutz (LAG VSW) baut auf seiner Internetseite mit dem Titel „Glasanflug“ gerade eine neue Rubrik auf. Bei 100 Millionen Scheibenopfern sterben jährlich rund fünf Prozent der Vogelpopulation. „Damit wird deutlich, dass es sich bei Vogelschlag an Glas um ein relevantes Vogelschutzproblem handelt“, schreibt die LAG VSW in ihrer Publikation „Vermeidung von Vogelverlusten an Glasscheibe“ aus dem Jahr 2021.

Abhilfe schaffen

Sichtbare Markierungen wie Streifenmuster an Wartehäuschen und Schallschutzmauern signalisieren den Vögeln Hindernisse. Die sind oft aber nicht erwünscht. Daher wurden UV-Markierungen ausprobiert, weil Vögel UV-Licht wahrnehmen können. Das gilt aber nicht für alle Vogelarten und gilt offenbar auch nicht, wenn die Vögel mit 30 bis 60 Stundenkilometer Geschwindigkeit unterwegs sind. In Flugtunnelversuchen wurden die mit UV-Markierungen nur schwach wahrgenommen. Unter realen Lichtbedingungen im Freiland zeigen sie kaum eine Verbesserung.

Beliebt und vor allem bei Privatpersonen sind die schwarzen Vogelsilhouetten, die auf die Scheiben geklebt werden. Sie kleben offenbar nur für die Hausbesitzer an den Scheiben. Vögel nehmen die Silhouetten lediglich als schwarzen Fleck wahr und zerschellen direkt daneben an der Fensterfront, Die LAW VSW stufen diese Rettungsversuche als unwirksam ein.

Was wirkt

Wirksam sind Muster, die auf einem größeren Teil der Fensterfläche angebracht werden. Bunte Markierungen erhöhen den Kontrast und machen Glasfronten sichtbar. Sehr wirksam sind Netze, Gitter, Blenden und Jalousien, die aber aus ästhetischen und funktionalen Gründen nicht angebracht werden.

Mit Punkten gegen Vogelschlag

Das „Barnim Panorama“ im Brandenburger Naturpark Barnim hat als erstes sein Gebäude in Deutschland mit einer neuen und zertifizierten Methode gegen Vogelschlag ausgerüstet. Es werden neun Millimeter große Punkte in einem regelmäßigen Abstand von neun Zentimeter auf die Glasfläche aufgebracht. Bislang galt die Empfehlung, dass Markierungen auf fünf bis zehn Prozent der Glasfläche angebracht werden müssten. Das Schweizer Verfahren kommt mit einer Fläche von einem Prozent aus. Das 9/90-Raster wurde von der österreichischen Biologischen Station Hohenau-Ringelsdorf im Flugtunnel mit der Kategorie „A“ (hochwirksam) eingestuft.

Auf den Punkt gekommen

Der Schweizer Spezialist für Innen- und Außenfassaden „Seen AG“ aus St. Gallen arbeitet mit Partnern schon länger an Lösungen gegen den Vogelschlag. Die neun Millimeter großen Punkte können auch im Raster mit Hilfe einer Folie auf den Bestand an Fensterscheiben von einer Spezialfirma aufgeklebt werden. Nach dem Abziehen der Folie bleiben die Punkte auf dem Glas. Für 90 Prozent der Vögel wird die Scheibe als Hindernis sichtbar. Für das menschliche Auge ist das Raster beim Blick nach draußen so gut wie nicht wahrnehmbar.

Oder: Die Punkte werden bei neuen Fenstern gleich zwischen das Glas einlaminiert. Es handelt sich dabei aber nicht um einfache Punkte, sondern um zwei unterschiedlich stark reflektierende und dreidimensionale Oberflächen aus Aluminium. Daher nehmen die Vögel das Raster als Hindernis wahr. Die Elemente können auch als Design mit der Fassade kombiniert werden.

Roland Krieg

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