Gegen Patente

Landwirtschaft

Beschwerdeverfahren beim EPA

Mit der Patentnummer EP1069819 erhielt die Firma Bioscience ein Patent auf ein Auswahlverfahren für die Zucht von Brokkoli, der einen hohen Anteil von Glucosinolaten enthält. Das Auswahlverfahren wird mit Hilfe eines Markergens durchgeführt und steht seit gestern beim Europäischen Patentamt in München vor der Beschwerdekammer zur Begutachtung an. Gemeinsam haben das Bundeslandwirtschaftsministerium und der Deutsche Bauernverband im Vorfeld deutlich Stellung gegen diese Form der Patentierung bezogen. Das „Brokkoli-Patent“ gilt dabei nur als eines von vielen ähnlichen Beispielen. In einer zweitägigen mündlichen Verhandlung geht die Große Beschwerdekammer der Frage nach, was unter dem Begriff „im wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzensorten und Tierrassen“ zu verstehen ist.

Ablauf der Anhörung
Drei Fragen sind zu klären. Ist ein nicht mikrobiologisches Verfahren nur dann zu verbieten, wenn es nicht auch ohne menschliches Zutun ablaufen kann? Kann das Patent verweigert werden, weil das Verfahren nur ein zusätzliches Merkmal technischer Natur umfasst? Und wenn beide Fragen verneint werden, was sind dann die „maßgeblichen Unterscheidungskriterien“ dafür, ob ein solches Verfahren vom Patentschutz ausgeschlossen wird?
Zwar wird heute die mündliche Verhandlung abgeschlossen, doch eine Entscheidung soll erst gegen Ende des Jahres in schriftlicher Form vorliegen.

Einigkeit von A bis Z

AbL
Georg Janssen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL): „Pflanzen und Tiere sind keine Erfindung, die Natur und unsere Lebensgrundlagen dürfen nicht monopolisiert werden! Deshalb muss die Patentierung von Leben, die zunehmend auch konventionelle Züchtungen von Pflanzen und Tieren betreffen, eindeutig und klar verboten werden. Patente auf Pflanzen und Tiere führen zu noch mehr Abhängigkeiten der Bäuerinnen und Bauern, aber auch der Züchter und der Verbraucher. Folgen sind steigende Preise für Saatgut und Lebensmittel, immense Verteuerung und Behinderung der Züchtung, Verdrängung von mittelständischen Züchtungsunternehmen und weitere Konzentration des Saatgutmarktes. Die Agro-Industrie missbraucht systematisch das Patentrecht, um ihrem Ziel, der Kontrolle über die Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung immer näher zu kommen.“

BDM
Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) begrüßt die Einigkeit gegen Patente auf Leben. Vor allem den fraktionsübergreifenden Antrag, der eine klare Grenze zwischen Erfindungen als geistige Leistung und Entdeckung von natürlichen Ressourcen ziehen will. In diesem Zusammenhang fordert der BDM die Bundesregierung auf, schon ganz konkret die Möglichkeit der Erfassung und Weitergabe genetischer Daten stärker als bisher zu überwachen. Aktuell sieht der BDM eine Gefahr bei der Ohrstanz-Methode neugeborener Kälber, die ab dem 01. Januar 2011 für alle Rinderhalter im Kampf gegen die Bovine Virus Diarrhoe (BVD) zur Pflicht wird. In Niedersachsen wird sie bereits seit dem 01. Juni umgesetzt. „Mit dem Einziehen der gesetzlich vorgeschriebenen Ohrmarken werden Gewebeproben entnommen und zentral analysiert, die für eine komplette Genom-Analyse geeignet sind und sich lange Jahre aufbewahren lassen. Die Landwirte müssen sich sicher sein können, dass die Gewebeproben ihrer Kälber tatsächlich ausschließlich zur Bekämpfung von BVD verwendet werden und hier nicht durch die Weitergabe von Genmaterial/Gendaten über die Hintertür eine Gendatenbank angelegt werden kann.“ Der BDM sieht hier eine Lücke im Datenschutz und zu geringe Bußgelder für einen Verstoß.

BMELV
Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner hat sich schriftlich an das Europäische Patentamt und gegen die Patentierung gewandt. „Eine Konzentration auf wenige, profitable Pflanzensorten oder Tierrassen gefährdet die biologische Vielfalt“ und könne zu einer „deutlichen Einschränkung des Wettbewerbs in der überwiegend mittelständisch geprägten europäischen Züchtungs- und Landwirtschaft führen“, warnte Aigner in dem Schreiben. „Ich wende mich nicht gegen Patente als solche oder gegen die Patentierung biotechnischer Verfahren. Sie sind für den Schutz des geistigen Eigentums notwendig. Kritisch wird es aber, wenn ein Verfahrenspatent auch für die damit erzeugten Tiere und Pflanzen und vor allem deren Nachkommen Gültigkeit hat“, sagte die Bundesministerin. Immerhin garantiere das Patentrecht dem Inhaber 20 Jahre lang die alleinige Nutzung seiner Erfindung. Aigner hat erhebliche Zweifel, „ob das patentierte Verfahren beim Brokkoli eine Innovation bei der Kreuzung und Züchtung, also bei der Herstellung, ist.“

CDU/CSU
Peter Bleser, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in der CDU/CSU-Fraktion erklärt die Ablehnung der Patente: „Es ist völlig unstrittig, dass Patente bei der Forschung nach Innovationen notwendig sind. Allerdings sehen wir es äußerst kritisch, wenn sich einzelne Firmen wie im aktuellen Falle des Brokkoli-Patents über den Umweg der Patentierung eines Selektionsverfahrens auch den Samen oder die fertigen Pflanzen des Brokkolis schützen lassen. Die Tatsache, dass es mittlerweile eine Vielzahl solcher Patentanmeldungen gibt - wie z.B. bei Tomaten, aber auch bei Kühen oder Schweinen - zeigt den dringenden Handlungsbedarf. Wir fordern daher eine Konkretisierung der Europäischen Biopatentrichtlinie, vor allem in der Frage der „im Wesentlichen biologischen Verfahren“, damit solche Verfahren vor dem EPA nicht mehr notwendig sind. Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Landwirte ihrer Haupttätigkeit nachgehen können, Nahrungsmittel zu produzieren, anstatt vor Gericht gegen zu weit gefasste Patente zu prozessieren.
Auch der Stellvertretende Vorsitzende der Fraktion, Johannes Singhammer, wendet sich gegen diese Patentierung: „Die Schöpfung gehört der gesamten Menschheit und nicht einzelnen privaten Firmen. Hier zeigt sich der Interessenkonflikt zwischen dem Schutz des geistigen Eigentums einerseits und dem Grundsatz der allgemeinen Verfügbarkeit natürlicher genetischer Ressourcen andererseits. DieserKonflikt muss auf politischer Ebene gelöst werden und darf nicht überdie Hintertür der Patentierung dazu führen, dass die genetischen Ressourcen der Natur in Zukunft nur noch bestimmten Patentinhabern kostenfrei zur Verfügung stehen.
Der Schutz geistigen Eigentums über Patente ist in einem Forschungsland wie Deutschland unabdingbar. Die Sorge von Züchtern und Landwirten, dass Biopatente zu einer zunehmenden Konzentration der Pflanzenzüchtung auf wenige große Unternehmen sowie zu einer Verengung der biologischen Vielfalt in der Produktion auf wenige Hochleistungssorten und Rassen führen könnten, ist aber sehr berechtigt.“

DBV
Der Deutsche Bauernverband (DBV) beklagt, dass die Biopatentrichtlinie keine klare Definition enthalte, was „im wesentlichen biologische“ Züchtungsverfahren sind. „Das Europäische Patentamt trifft eine weitreichende Verantwortung“, betonte DBV-Generalsekretär Dr. Helmut Born. Es dürfe nicht passieren, dass Kreuzungs- und Selektionsschritte patentierbar werden, nur weil sie mit einem kleinen, nicht einmal erforderlichen technischen Element verbunden werden, so Born. Die Züchter müssten auch weiterhin alle zur Verfügung stehenden Verfahren und sämtliches genetisches Material verwenden dürfen, um jeweils die optimalen Sorten zu entwickeln. Im September wird der DBV mit dem BMELV in Brüssel eine Veranstaltung zur Änderung des EU-Biopatentrechts abhalten.

Hessen
Der hessische Agrarstaatssekretär Mark Weinmeister betonte im Vorfeld: „Die Patentierung von landwirtschaftlichen Nutzpflanzen führt dazu, dass große marktbeherrschende Saatgutkonzerne ihre Marktmacht immer weiter ausbauen könnten. Dies geht zu Lasten der mittelständischen Saatguterzeuger und der Landwirtschaft insgesamt.“ Die freie Nutzung von Saatgut werde dadurch erheblich erschwert. Deshalb setze sich Hessen gegen eine Patentierung ein. Weinmeister verwies darauf, dass das Land Hessen im Jahr 2009 eine Bundesratsinitiative zur Verschärfung der sogenannten EU-Biopatentrichtlinie gestartet habe. Zudem habe das Land Hessen 2009 Einspruch gegen ein vom Europäischen Patentamt am 16.07.2008 an ein amerikanisches Unternehmen erteiltes Patent auf die Zucht von Schweinen erhoben.

VLE

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