Gelbe Karte für die Milchbranche

Landwirtschaft

§148 geht Julia Klöckner nicht aus dem Sinn

Den Milchbauern soll es im Markt nach Wegfall der Quote besser gehen. Das ist witterungs- und preisbedingt nicht der Fall. Die Milchbauern stehen aber auch innerhalb der Genossenschaften trotz ihrer Anteile und des Mitspracherechts nicht immer auf der Sonnenseite. Vor allem die genossenschaftlichen Lieferbedingungen stehen in der Kritik.

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hat die vielen Forderungen aus den Bundesländern in Berlin aufgenommen, im Rahmen der Gemeinsamen Marktordnung (GMO), von ihrem Recht auf den Artikel 148 Gebrauch zu machen. Damit könnte sie Lieferpreise und Mengenangaben in den Lieferverträgen verpflichtend machen. Der Wunsch ist alt, die Mahnungen also nicht neu, doch ernst schien es im August 2018 zu werden, als Klöckner der Milchindustrie eine Frist bis Januar vorlegte [1].

Der anvisierte Januar verstrich und selbst das Milchforum im März dieses Jahres schien die Ministerin von der Branche eingewickelt zu zurückzulassen. Sicherlich ist der § 148 nicht die Lösung gegen den Strukturwandel, für höhere Milchpreise und höhere Wertschöpfung bei den Molkereien. Die Kostenspreizung bei den Milchviehbetrieben ist sehr hoch, sagte Peter Stahl vom Milchindustrie-Verband (MIV) zu Herd-und-Hof.de auf dem Milchforum. Es gibt Betriebe, die melken ihre Kühe auch für 20 Cent. Doch selbst als Baustein für die Zeit nach der Quote wird er helfen: Die Ökomolkereien und privaten Molkereien sind mit detaillierten Lieferverträgen besser aufgestellt. Vor allem die Ökomilch liegt preislich seit Jahren über dem Niveau der konventionellen Milch. Weil die Molkereien nur die Mengen abnehmen, die sie auch verkaufen können [2].

Zusammen mit dem Milchpräsidenten des Deutschen Bauernverbandes (DBV) Karsten Schmal war sich die Verarbeitungsbranche auf dem Milchforum sicher, dass der § 148 vom Tisch ist. Bis Jahresende wollen sie sich endlich eine Sektorstrategie verleihen.

Problematisch ist, dass die Milchbauern keine eigene Stimme im Konzert haben. Der DBV plädiert zwar nach wie vor für einen eigenen Branchenverband, die Milchindustrie allerdings sieht mit der Interessengemeinschaft Milch die Bauern ausreichend vertreten. Politisch gesehen blockiert die IGM der Molkereien die bäuerliche Branchenorganisation [3].

Zum Milchforum hin hatte Herd-und-Hof.de das Bundesministerium auf das Versprechen zum § 148 hin befragt. Das Ministerium sei nicht „Herr des Verfahrens“ und könne nichts zu den Verzögerungen bei der Milchbranche sagen. „Gleichwohl kann das BMEL Erwartungen an den zeitlichen Ablauf und den Inhalt der Branchenstrategie äußern“, teilte eine Sprecherin mit.

In der nächsten Woche steht das Thema wieder auf die Agenda der Agrarministerkonferenz. Vor allem die Forderungen der Berliner Oppositionsparteien werden Julia Klöckner wegen nicht gehaltener Versprechen unter Druck setzen. Am Mittwoch hat sich die Ministerin in einem Brief doch noch an die Milchindustrie gewandt. Außer einzelnen Verbandspapieren liegt ihr keine gemeinsame Strategie vor, auf deren Basis sie sich weiterhin erlaubt, über den Einsatz des § 148 zu entscheiden. „Denn eine gemeinsame Strategie der Branche ist angesichts der Herausforderungen ein überfälliger Schritt“, heißt es in dem Brief. Staatliche Hilfen wie in der Vergangenheit sind künftig nicht mehr vertretbar. Klöckner vermutet richtigerweise, dass der Druck der Agrarministerkonferenz Ende der nächsten Woche bei dem Thema zunimmt und sie Stellung nehmen werden muss, den Baustein endlich umzusetzen. Worten auch mal Taten folgen zu lassen.

Das von ihr beauftragte ife-Gutachten zur Mengenplanung und Mengensteuerung zeige zwar ein hohes Eigeninteresse der Molkereien. Doch gebe es einen hohen Nachholbedarf. Die Branche hat sich selbst keine Frist für eine Sektorstrategie gesetzt. Doch endlos wollen sie den Prozess nicht in die Länge ziehen, sagte Peter Stahl zu Herd-und-Hof.de. Lähmung drohte sich auszubreiten. Die Branche darf den Brief von Julia Klöckner als gelbe Karte verstanden wissen. Die Rote Karte folgt, wenn es bis zur Herbst-AMK kein Papier gibt. Klöckner „erwartet“ ein Strategiepapier.

Das sichert der Ministerin auch politisches Vertrauen. Denn endlos verschobene Fristen, ob Ferkelkastration oder Lieferbeziehungen, bewegen weder die Branche noch sorgen sie für anhaltendes Interesse an der Politik.

Lesestoff:

[1] Frist für Sektorstrategie: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/kloeckner-setzt-molkereien-frist-bis-148-gmo.html

[2] Verträge alleine reichen nicht: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/risikofaktor-politik-fuer-den-milchmarkt.html

[3] IGM oder Branchenorganisation Milch? https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/braucht-die-milchwirtschaft-einen-branchenverband.html

Roland Krieg

Zurück