Geldtöpfe wecken Begehrlichkeiten

Landwirtschaft

Agrarier greifen in den Aufbaufonds

Im Sog der Pandemie hatten sich die EU-Mitgliedsländer auf ein befristetes Instrument zur Krisenbewältigung und zum Wiederaufbau geeinigt. Mit dem Namen „NextGenerationEU“ (NGEU) bekam der neue Geldtopf in Höhe von 807 Milliarden Euro einen vielversprechenden Namen, der für die Bundesrepublik mit dem „Deutschen Aufbau- und Resilienzplan“ (DARP) übersetzt wird. In den Medien wird die Höhe mit 750 Milliarden Euro ausgegeben, was den Preisen des Jahres 2018 entspricht. Der allergrößte Anteil von 724 Milliarden Euro geht in die Aufbau- und Resilienzfaszilität. Davon werden 338 Milliarden Euro als Zuschüsse und 386 Milliarden Euro als Kredite vergeben. Für Deutschland stehen 25,6 Milliarden Euro bereit, die bis 2026 ausgegeben werden [1]. Wie die Mittel eingeplant sind hat das Bundesfinanzministerium in einer Grafik dargestellt.

Maßstäbe für die Mittelvergabe

Grundsätzlich sollen die jeweiligen Volkswirtschaften leistungsfähiger und widerstandfähiger werden. So hat die EU bei der Notifizierung der Pläne darauf geachtet, dass die Länder mindestens 37 Prozent der Mittel in die grüne und mindestens 20 Prozent in die digitale Infrastruktur fließen. Deutschland verwendet 40 Prozent für die grüne und 50 Prozent für die digitale Transformation. Wenn Landwirte und Agrarpolitiker auf den Plan schauen, fehlt ihnen im DARP der Begriff „Landwirtschaft“.

Agrarpolitik: Zuerst die Hausaufgaben machen

So kann Ulrike Müller aus dem Agrarausschuss des Europaparlamentes zwar mit den geplanten 1,5 Milliarden Euro für den grünen Wasserstoff mitgehen, aber die 2,5 Milliarden Euro für Elektroautos bezeichnete sie am Montag bei der Euractiv-Diskussion als „Investitionsprogramm für die Automobilindustrie.“ Die Renew-Abgeordnete sagte: „Am Ende fehlt es der Landwirtschaft.“ Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) sieht zwar in der zweiten Säule viele kleine Projekte vor, doch sei die Mittelausstattung so karg, dass für Bayern nur für eine Aufstockung bestehender Programme und nicht für eine Neugestaltung reiche.

Kathrin Maria Rudolf ist stellvertretende Leiterin der ländlichen Entwicklung für Deutschland und Österreich. In den beiden Säulen der GAP stehen mit 34 und neun Milliarden Euro ausreichend Mittel für die Finanzierung zur Verfügung. Die Länder können über ihre nationalen Umsetzungspläne zusätzliche Schwerpunkte auflegen. Das sieht auch Peter Pascher vom Deutschen Bauernverband so. Mit den neuen Eco-Schemes fließt mehr Geld in Agrar- und Umweltmaßnahmen, die von den Bundesländern noch einmal verstärkt werden können. Zudem gibt es in der neuen GAP die erweiterte Konditionalität für Gelder aus der ersten Säule.

Das Frankreich in seinem Aufbauplan die Stärkung der Ernährungssouveränität, die Beschleunigung des Übergangs zur Agrarökologie und die Anpassung von Land- und Forstwirtschaft an den Klimawandel formuliert hat, liegt nach Kathrin Rudolf auch darin begründet, dass Paris rund 15 Milliarden Euro mehr zur Verfügung stehen.

Die Mittel reichen nie

Dennoch unterstreicht Harald Ebner von Bündnis 90/Die Grünen die Agrar-Lücke im DARP: „Es ist ein Defizit, wenn dieser Plan mit nicht unerheblichen Summen nicht für die großen Aufgaben für die Land- und Forstwirtschaft genutzt werden.“

„Verbesserungen brauchen große Schritte“, ergänzt Robert Hermanowski vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL). Hier könne der Resilienzplan helfen, denn der Ökolandbau ist das Leitbild in der Strategie From-Farm-to-Fork. Zudem habe die GAP noch nicht einmal den Green Deal berücksichtigt. Seiner Begründung nach ist die Agrarpolitik keine Sektorpolitik mehr: „Die Gesellschaft will mitreden.“ Wenn der Ökolandbau nicht durch die Eco-Schemes profitiere, sei die Mittelverteilung eine Fehlallokation. Hermanowski gibt aber auch zu, dass die Agrarpolitik vor dem Griff in neue Töpfe, erst einmal ihre Hausaufgaben im eigenen Mittelbereich machen solle.

Hoffnung Digitalisierung

Dem Sensor ist es egal, ob er  mit Künstlicher Intelligenz Unkraut von Getreide unterscheiden lernt, oder Schrauben auf korrektes Gewinde überprüft. Investitionen in die Digitalisierung kommen der Landwirtschaft auf jeden Fall zugute. Da sieht Peter Pascher noch immer erhebliche Defizite bei der Netzabdeckung und der Verarbeitung großer Datenmengen [2]. Auch Ebner und Hermanowski sehen digitales Potenzial für den Ökolandbau. Im Koalitionsvertrag stehe zur Präzisionslandwirtschaft zwar nur ein Satz drin, aber die Parteien seien sich darüber einig, dass Landwirten außer Geld auch andere Mittel an die Hand gegeben werden müssen, damit sie beispielsweise weniger Pflanzen- und Düngemittel ausbringen. Ebners „Favorit“ ist der Jätroboter, der zur Erhaltung der Biodiversität auch das eine oder andere Unkraut stehen lässt.

Lesestoff:

[1] Deutschland erhält rund acht Prozent des Aufbaufonds. Den größten Anteil bekommen Spanien und Italien mit 69,5 (21 Prozent) und 68,9 Milliarden Euro. Auch Frankreich erhält mit 39,4 Milliarden Euro und 12 Prozent einen größeren Anteil als die Bundesrepublik. In etwa gleichauf mit Berlin erhalten die Polen sieben Prozent der Mittel. Gerade kleinere Länder mit einem kleineren Anteil wie Kroatien erhalten relativ viel. Die 6,3 Prozent für Kroatien bilden rund 13 Prozent ihres Bruttosozialproduktes.  Der Süden und Südosten der EU erhält so einen wesentlichen Anteil für den in der Pandemie gestörten Wachstumspfad. Alle Länder haben fristgerecht ihre individuellen Aufbaupläne bis Mai 2021 eingereicht.

[2] Gespräch von Herd-und-Hof.de mit Peter Pascher auf der DigiTier: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/digitale-projekte-fuer-das-tierwohl.html

Roland Krieg

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