Genetischer Engpass in der US-Milchindustrie
Landwirtschaft
US Forscher suchen Ausweg aus HF-Inzucht
Im Jahr 1940 gab es rund 25 Millionen Milchkühe in den USA. Sie hatten eine Milchjahresleistung von etwa 2.000 kg Milch im Jahr. Im Jahr 2010 gab es nur noch neun Millionen US-Milchkühe, die aber pro Kopf fast 10.000 kg Milch gaben. Die US Livestock Genetic Export Inc (USLGE) ist auf diese Leistungsexplosion stolz und führt die Steigerung auf intensive Zuchtbearbeitung im Land zurück. Zwischen 80 und 90 Prozent der Genetik basiert auf Tieren innerhalb der Milchindustrie.
Was auf den ersten Blick eine reine Erfolgsgeschichte ist, erweist sich bei näherem Hinsehen als tönernes Fundament. Mit dem Verlust an genetischer Vielfalt steigt die Anfälligkeit der Population für Krankheiten und genetischen Problemen. Harvey Blackburn vom US-amerikanischen Landwirtschaftsministerium berichtete am Samstag über die Forschungsaufgabe neue Genetik zu finden. Eine Studie zeigte, dass die allermeisten Holstein-Friesian-Milchkühe in den USA auf zwei Bullen der 1880er (!) Jahre zurückzuführen sind. Die enge Zuchtauswahl auf hohe Milchleistung in den vergangenen 40 bis 50 Jahren hat den genetischen Pool noch weiter verengt. Daher evaluieren die Tierzüchter derzeit das genetische Material von mehr als 4.000 Zuchtbullen, um die Breite der zur Verfügung stehenden Chromosomen wieder auszudehnen.
Das ist nicht nur ein Problem der amerikanischen Milchindustrie. Auch in Kanada ist die Genetik der Milchkühe eng geworden. Erst in den 1990er Jahren ist die Inzuchtrate langsam wieder zurückgegangen [1].
Das Problem ist auch in Deutschland bekannt. Die Reinzucht auf hohe Milchleistung der vergangenen Jahre hat nach Prof. Onno Poppinga zu gesundheitlichen Problemen im Euter, Klauenerkrankungen, Stoffwechselstörungen oder zum Verlust der Fruchtbarkeit geführt [2]. Ursache ist, dass die Tiere nicht mehr gekreuzt, sondern rein gezüchtet werden. Eine Umkehr der Zucht und Einführung neuer Zuchtziele braucht aber ihre Zeit. Prof. Poppinga fordert Zucht auf Dauerleistung und Tiergesundheit und eine neue Inwertsetzung des Natursprungs auf den landwirtschaftlichen Betrieben.
Im April hat die Bundestierärztekammer eine Neuausrichtung der Tierzüchtung in Deutschland gefordert [3]. Dazu müsse aber die Bundesregierung im Tierschutzgesetz für Klarheit sorgen, damit die Veterinäre auch eingreifen können.
Lesestoff:
[1] Stachowicz K: Rates of Inbreeding and genetic diversity in Canadian Holstein and Jersey cattle, Journal of Dairy Science, Oct 2011 Vol 94 Issue 10 pp 5160-5175 http://dx.doi.org/10.3168/jds.2010-3308
[2] Onno Poppinga: wissenschaftliche Rinderzucht, in: Der kritische Agrarbericht 2010, S. 141
[3] Nutztierzucht auf Gesundheit ausrichten
Roland Krieg