Genmais ist da
Landwirtschaft
Unbegrenzter Anbau zugelassen
> Die Akzeptanz der Gentechnik ist so unterschiedlich, wie ihre Anwendungen. In der Humanmedizin ist der individuelle Nutzen für jeden Einzelnen am größten, weswegen die Gentechnik dort nur wenig umstritten ist. Veränderungen an Mikroben in der weißen Gentechnik gelten als Wachstumsmarkt und die Verwendung deren Produkte als normal. Demgegenüber ist der individuelle Nutzen in der Grünen Gentechnik den Verbrauchern nicht geheuer. Essen und Trinken gibt es bei uns im Überfluss und die Ernährungsindustrie stellt jede Woche gleich mehrere ?neue? Produkte vor, die eine Ernährungslücke oder ein Imagedefizit decken, dass es vorher gar nicht gegeben hat. Der ökologische Landbau sieht seine Grundpfeiler gefährdet, wenn die ungewollte Verbreitung gentechnisch veränderter Pflanzen den Anbau konventioneller Pflanzen unmöglich macht, da der Verzicht auf Gentechnik zum Grundverständnis gehört und ein Unterscheidungsmerkmal im Markt ist. Monsanto Mais zugelassen
Monsanto gehören neben Syngenta, Pioneer und Bayer die meisten in Europa gentechnisch veränderte Sorten. Die mit Abstand am häufigsten veränderte Pflanze ist der Mais mit über 35 Linien. Mit elf Sorten folgt der Raps, während die Zuckerrübe mit drei und die Kartoffel mit zwei Pflanzen nur wenig Interesse findet. Noch sind die meisten Zulassungen für einen Anbau bei der EU nur eingereicht, aber einige Sorten bereits gültig im Rahmen der aktuellen Rechtsvorschriften.
Gestern hat das Bundessortenamt in Hannover für drei gentechnisch veränderte Maissorten der Firma Monsanto grünes Licht für den unbegrenzten Vertrieb und Anbau in Deutschland gegeben. Die Sorten tragen alle ein Gen des Bodenbakteriums Bacillus thuringiensis (Bt), das den Mais, der überwiegend als Futtermittel angebaut wird, gegenüber dem Maiszünsler schützt. Dieser Falter (Ostrinia nubilalis) fliegt in warmen Sommermonaten bereits Anfang Juni in die Bestände ein. Die aus den Eiern schlüpfenden gelbbraunen Raupen nagen an den Blättern und bohren sich dann in die Stängel. Dabei fressen sie sich bis abwärts zum Boden durch die Pflanze. Als mechanische Bekämpfungsmaßnahme hilft das Häckseln und Unterpflügen der Pflanzenreste nach der Ernte ? oder der Anbau des Bt-Mais.
Freifahrtschein für Gen-Sorten?
Im umfangreichen Erprobungsanbau versuchen Experten zu ermitteln, wie eine Koexistenz zwischen dem Anbau gentechnisch veränderten Sorten und gentechnikfreien Sorten aufgebaut werden kann, um die Wahlfreiheit der Verbraucher nicht einzuschränken. Sie sollen, sofern sie auf Produkte aus gentechnischem Anbau verzichten wollen, die Möglichkeit haben, diese auch zu kaufen. Wenn sich allerdings die GVO-Sorten in die gentechnikfreien Sorten einmischen, dann besteht diese Wahlfreiheit nicht mehr. Aktuell gilt der Schwellenwert von 0,9 Prozent als Obergrenze für gentechnikfreie Produkte. Für Saatgut gibt es zur Zeit in Europa keine Vorschriften. Wenn in der kommenden Vegetationsperiode vermehrt GVO-Mais angebaut wird, dann erhöht sich auch der Aufwand, beide Nutzungsformen zu trennen. Der ökologische Anbauverband Bioland sieht die Erzeugung gentechnikfreier Lebensmittel ?nur noch mit einem hohen Kostenaufwand für vorsorgliche Schutzmaßnahmen? verbunden. ?Dies würde mittelfristig zu einer unabsehbaren Verteuerung konventionell und ökologisch erzeugter Lebensmittel ohne Gentechnik führen.? Das sieht nicht nur die Ökobranche, wie eine britische Studie über die Kosten der Gentechnikfreiheit vor einem Jahr bereits ermittelte.
Aufwand für GVO-Anbau
Allerdings steigt nicht nur der Aufwand für Landwirte, die auf gentechnisch veränderte Pflanzen verzichten wollen. Auch die anderen Bauern müssen erhöhten Aufwand betreiben. Monsanto gibt für den Anbau konkrete Vorgaben heraus: So muss rund um den BT-Mais konventioneller Mais als Trennstreifen auf 20 Meter ausgesät werden. Diese Breite ergab sich aus dem Erprobungsanbau und soll eine Ausbreitung verhindern. Erntegeräte für den GVO-Anbau müssen anschließend gereinigt werden, um eine Verschleppung in andere Bestände zu vermeiden. Wird der Mais nicht komplett auf dem eigenen Betrieb verfüttert, dann muss er für den Verkauf gesondert gekennzeichnet und der Verbleib dokumentiert werden. Praktisch wird eine Parallelwelt für GVO-Pflanzen zu ihren konventionellen Erzeugnissen aufgebaut.
Es gibt mittlerweile auch Bt-resistente Maiszünsler, die das Gesamtkonzept des BT-Mais gefährden. Der Ausbreitung der GVO-Anbau gefährdenden Falter wird mit dem so genannten Refugien-Konzept vorgebeugt. Auf einem Teil der Bt-Flächen wird konventioneller Mais angebaut auf dem sich eine Bt-empfindliche Zünslerpopulation erhalten kann, so das dlz agrarmagazin: ?Entstehen Bt-resistente Zünsler, paaren sie sich mit normalen Individuen aus den Refugien. Da Bt-Resistenz nicht dominant vererbt wird, soll sie in der nächsten Generation nicht mehr vorhanden sein.?
Gentechnik in der Koalition
Schon die letzte Regierung wanderte auf einem schmalen Grat, eine Koexistenz realisieren zu wollen. Das Gentechnikgesetz konnte nur mit dem Trick durchgesetzt werden, das es der Zustimmung des Bundesrates nicht mehr bedurfte. Die neue Regierung versucht sich mit folgendem Wortlaut (aus dem Koalitionsvertrag):
?Die Biotechnologie stellt eine wichtige Zukunftsbranche für Forschung und Wirtschaft dar, die bereits weltweit etabliert ist. Der Schutz von Mensch und Umwelt bleibt, entsprechend dem Vorsorgegrundsatz, oberstes Ziel des deutschen Gentechnikrechts. Die Wahlfreiheit der Landwirte und Verbraucher und die Koexistenz der unterschiedlichen Bewirtschaftungsformen müssen gewährleistet bleiben. Das Gentechnikrecht soll den Rahmen für die weitere Entwicklung und Nutzung der Gentechnik in allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen setzen. Die Eu-Freisetzungsrichtlinie wird zeitnah umgesetzt und das Gentechnikgesetz novelliert. Die Regelungen sollen so ausgestaltet werden, dass sie Forschung und Anwendung in Deutschland befördern. Dazu ist es unverzichtbar, gesetzliche Definitionen (insbesondere Freisetzung, in Verkehr bringen) zu präzisieren. Die Bundesregierung wird darauf hinwirken, dass sich die beteiligten Wirtschaftszweige für Schäden, die trotz Einhaltung aller Vorsorgepflichten und der Grundsätze guter fachlicher Praxis eintreten, auf einen Ausgleichsfonds verständigen. Langfristig ist eine Versicherungslösung anzustreben.?
Zur Zeit gibt es keine Versicherung, die Bauern gegen Schäden für eine Überschreitung der 0,9 Prozentgrenze absichert. Zur Zeit haftet der Bauer auch im Falle der unverschuldeten Ausbreitung, weswegen der Deutsche Bauernverband den Anbau von GVO-Pflanzen nicht empfehlen wollte. Zukünftig soll er nur noch haften, wenn er gegen Auflagen und Vorschriften verstoßen hat, wobei aber die ?gute fachliche Praxis? beim GVO-Anbau noch nicht feststeht. Wer in den Haftungsfonds einzahlen soll und letztlich die Kosten übernimmt oder weitergibt, steht zur Zeit noch nicht fest.
VLE