Genom Editing im EU-Umweltausschuss
Landwirtschaft
Anhörung zu GE im Umweltausschuss
Im Gegensatz zu deutschen Nichtregierungsorganisationen und dem Bundesumweltministerium plädierte Ende April die EU-Kommission für eine Überarbeitung des Gentechnikrahmens. Die bestehende Gesetzgebung hält dem technischen Fortschritt nicht mehr Stand, lautete das Fazit, nachdem der Europäische Gerichtshof neue Techniken mit den alten Techniken gleichgesetzt hat [1].
Fehlende Präzision und mangelndes Vorsorgeprinzip
Am Montag fand eine Expertenanhörung im Umweltausschuss des Europaparlaments statt. Dort bekräftigte Michael Antoniou vom King´s College in London, dass die Definition, was „gentechnisch“ bedeutet, eine Prozessdefinition ist. Befürworter der Genom Editierung (GE) sprechen von einer Nachahmung natürlicher Prozesse, von Präzision, voraussagbaren Ergebnissen und „Präzisionszucht, die sicher sei. Nach Antoniou ist die Nachahmung natürlicher Mutagenese nur eine ungeprüfte Hypothese und könne durch Schäden an der DNS auch zu unerwünschten Effekten führen. Qualitative und quantitative Unterschiede im Genom würden die natürliche von der GE-Mutagenese unterscheiden. Je größer der Eingriff im Genom wird, desto größer werden auch die gewünschten Zieleffekte. Im schlimmsten Falle können Toxine oder Allergene entstehen. Unerwünschte Effekte seien niemals auszuschließen. Antoniou verweist auf die Unterschriften im Europäischen Netzwerk von Sozial- und Umweltwissenschaftlern (ENSSER), die 2017 eine Neuregulierung des GE ablehnten [2] und plädiert für die Beibehaltung der aktuellen europäischen und britischen Gentechnikregulierung.
Margret Engelhard vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) hält das Argument, GE entspräche der normalen Mutagenese für zu kurz. Sie plädiert für das Vorsorgeprinzip und führt für die GE die gleichen Risikoeffekte wie Ungenauigkeit der Veränderung und Risiken für Mensch und Umwelt an. Neben den einfachen Zielen der Gentechnik, wie Resistenzen gegen Herbizide führt Engelhard auch die Komplexität des Klimawandels an, auf den Pflanzen nicht mit nur einer Genveränderung angepasst werden könnten.
Kein Kompromiss
Irene Sacristán Sánchez von der Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit wog die Vor- und Nachteile ab. GE könne Pflanzen robuster gegen den Klimawandel machen, gesundheitsgefährdende Substanzen eliminieren, die Nährstoffzusammensetzung verbessern und bei Nutztieren die Anfälligkeit gegenüber Krankheiten senken. Die Gegenargumente bestünden in möglichen Risiken für Gesundheit und Umwelt, Probleme gibt es bei der Koexistenz zwischen gentechnisch veränderten und nicht veränderten Warenströmen sowie noch offener Fragen nach Kennzeichnung und Wahlfreiheit für Verbraucher. Die EU-Studie zeige die Polarität der Diskussion, wobei aber Kenntnisse über Anwendungen und ihrer Effekte noch gering sind. Die Wissenschaft über GE müsse auch unter rechtlichen Aspekten und ethischen Begründungen betrachtet werden. Ein neuer Rechtsrahmen für GE müsse geschaffen werden, dürfe aber vorhandene Anwendungen wie den Ökolandbau nicht untergraben. Dennoch sind sie Bestandteil des Green Deals und der Strategie „From Farm-to-Fork.“ Die Gesundheit von Mensch und Umwelt müsse mit notwendigen technologischen Fortschritten vereinbar sein.
Verbrauchererwartung
Die österreichische Kammer für Arbeiter und Angestellte (AK) repräsentiert 3,8 Millionen Konsumenten und ist Mitglied beim Europäischen Verbraucherschutzverbandes. AK-Umweltreferentin Iris Strutzmann führte aus, dass Konsumenten mit nachhaltigen Lebensmitteln Umweltfreundlichkeit, Gentechnikfreiheit und regionale Erzeugung verstehen. Sie verweist darauf, dass gentechnisch erzeugte Produkte nur dann in die EU importiert werden dürfen, sofern sie keine nachteiligen Effekte aufweisen. Mittlerweile habe sich in der EU ein Markt für gentechnikfreie Produkte etabliert. Die GVO-freien Produkte des Verbandes Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG) werden 2021 einen Umsatz von 13,1 Milliarden Euro erzielen. 2019 hatten die GVO-freien Produkte in Europa einen Anteil von rund 25 Prozent im Biobereich. Gegenüber anderen Mitgliedsländern ist in Österreich die gesamte Erzeugungskette für Milch, Eier und Geflügel „GMO-frei“ zertifiziert und das Donau-Soja habe einen Standard für die Erzeugung europäischer Eiweißfuttermittel gesetzt. Verbraucher sind aber nicht der gleichen Meinung. In Österreich sprechen sich 84 Prozent von Befragten Konsumenten für eine strikte Regulierung des GE wie bei der alten Gentechnik aus. In Norwegen hingegen können sich Konsumenten mit GE eher anfreunden, sofern soziale Zielsetzungen erreicht werden können. Strutzmann führt auch eine weitere Umfrage an: Lediglich 37 Prozent befragter Konsumenten haben von Genom Editierung überhaupt schon einmal etwas gehört. Die österreichische Umweltagentur kommt durchaus zu dem Schluss, dass Gentechnik unterschiedliche Effekte verursachen kann. Mit GE als neue Technik, sollte aktuell keine Deregulierung erfolgen. Für Verbraucher bleibt die verpflichtende Kennzeichnung oberstes Gebot. Das setzt aber eine sichere Nachweismethode voraus.
Entwicklungsprozess Züchtung
Die Pflanzenzucht hat sich nach Agrarökonom Matin Qaim von der Universität Göttingen verändert. Mehr als 12.000 Jahre hatten die Menschen kaum eine andere Möglichkeit als die der Selektion. Die Kreuzungszucht wird erst seit rund 150 Jahren genutzt und seit 40 Jahren arbeiten die Züchtungsunternehmen mit einer Marker-gestützten Selektion. Bis dahin galt die „konventionelle Züchtung“ als natürlich und sicher. Erst mit dem Gentransfer und dem GE sind Techniken entstanden, die als unnatürlich und risikoreich bewertet werden. Qaim sieht Vorurteile gegen jede Form der technologisch unterstützten Landwirtschaft, wie Monokulturen, Betriebsgrößen, chemischen Pflanzenschutz und industrielle Lebensmittelproduktion und fragt, ob sich die Kritiker das Thema nicht zu einfach machen. In seiner Meta-Analyse aus dem Jahr 2020 aus 25 Ländern haben GVO-Pflanzen vor allem bei Insektenresistenten Pflanzen die Erträge um 25 Prozent steigern können. Bei herbizidtoleranten Pflanzen ist Einsatz von chemischen Mitteln um zwei Prozent nach oben, bei insektentoleranten Pflanzen hingegen um 42 Prozent zurück gegangen. Qaim spricht sich für eine seriöse Debatte um die Gentechnik aus. So sind nach seinen Berechnungen die Einkommen von indischen Baumwollfarmern und Anbauern von Auberginen in Bangladesch mit Bt-Pflanzen angestiegen. Das Zusammenwerfen der alten und neuen Gentechnik ist für Qaim eine Quelle von Missverständnissen und Grundlage für öffentliche Angst vor GE. Letzteres exportiert negative Umwelteffekte und behindere vor allem die Landwirtschaft in Afrika und Asien, die dringend einen Technologieschub für die Ernährungssicherung brauche. Dringend notwendige Feldversuche zur Risikoüberprüfung seien in Europa kaum möglich.
Lesestoff:
[1] Kommission plädiert für Überarbeitung des Gentechnikrahmens: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/kommission-will-gentechnikrahmen-ueberarbeiten.html
[2] ENSSER-Statement: https://ensser.org/publications/ngmt-statement/
Roland Krieg
© Herd-und-Hof.de Nutzungswünsche: https://herd-und-hof.de/impressum.html