Gentechnik? Ja, vielleicht?
Landwirtschaft
Bauern nicht mehrheitlich dagegen
Auch in diesem Jahr hat der weltweite Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen mit über 100 Millionen Hektar einen neuen Flächenrekord erzielt. In Deutschland ist die Sachlage dagegen recht eindeutig: Verbraucher lehnen „Genfood“ ab und deswegen bietet der Lebensmittelhandel es nicht an. Weil der Handel es nicht nachfragt, gibt es keinen Anbau, der wirtschaftlich tragfähig ist - was auch Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer bei der Vorstellung der Novelle zum Gentechnikgesetz kürzlich in Berlin feststellen musste. Ein Forschungsteam der Universität Göttingen um Agrarökonom Prof. Dr. Achim Spiller hatte sich vorgenommen, die Frage nach dem Einsatz der grünen Gentechnik einmal von der bäuerlichen Seite zu beleuchten und befragte 370 Landwirte zu ihren Einstellungen. Insbesondere waren es Besitzer von größeren landwirtschaftlichen Betrieben in Norddeutschland.
Ein Drittel – unter Umständen
Ein Drittel der Befragten, so die Studie, befürwortet die Verwendung von gentechnisch veränderten Saatgutsorten, während sich 29 Prozent klar gegen den Einsatz aussprechen. „Die größte Gruppe von über 38 Prozent ist unentschlossen kritisch, aber nicht gänzlich ablehnend“, erläuterte Prof. Spiller Anfang März. „Entgegen der oft vertretenen These, Landwirte seien mehrheitlich gegen Gentechnik, zeigen die Ergebnisse unserer Untersuchung ein geteiltes Bild.“
Ausgangspunkt für die Studie ist gewesen, dass sich die Untersuchung der Akzeptanz fast ausschließlich auf die Verbraucherseite konzentriert. Hier gibt es ein wiederholbar klares Meinungsbild.
Mit einer Regressionsanalyse wurden jetzt die Einflussgrößen auf die Einstellung der Landwirte gegenüber der grünen Gentechnik ermittelt. Mit diesem statistischen Verfahren können die Experten berechnen, welche Faktoren die Einschätzung am stärksten prägen. Dabei kam heraus, dass das Meinungsbild der Familie und ökonomischer Druck die Zustimmung zur Gentechnik am stärksten beeinflussen. „So ist davon auszugehen, dass einige Landwirte GV-Saatgut aufgrund wirtschaftlicher Vorteile einsetzen würden, obgleich sie dieser Thematik unter Umständen kritisch gegenüber stehen. Neben der Zustimmung des räumlichen Umfelds spielt außerdem das Innovationsverhalten landwirtschaftlicher Entscheider gegenüber neuen Saatgutsorten eine wichtige Rolle“, betont Studienleiter Julian Voss: „Erstaunlicherweise haben das Haftungsrisiko und mögliche Probleme wie eine Verunkrautung der Anbauflächen nur eine nachgeordnete Bedeutung.“
Die Bauern antworten zurückhaltend, sobald ihnen die Frage nach einem möglichen Anbau gestellt wird. Die Studie jedoch zeigt, dass sich die Einsatzbereitschaft erhöht, werden konkrete Produkte wie Zuckerrüben oder Mais mit Vor- und Nachteilen vorgestellt.
Gentechnik auf smarte Art?
Die Farbenlehre der Gentechnik zeigt immer mehr, dass die Zeiten der grundsätzliche Auseinandersetzung über den manipulativen Eingriff vorbei sind. Die rote Gentechnik in der Humanmedizin ist weitestgehend unumstritten, die weiße Biotechnologie im Bereich der Mikroorganismen ist weit verbreitet und wenn es um nachwachsende Rohstoffe geht, dann trifft auch die grüne Gentechnik auf weniger Widerstand.
Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW) ist in ihrem Ergänzungsband zum Gentechnologiebericht, den sie am Montag vorstellte, überzeugt, dass „Landwirte von der ersten Generation der grünen Gentechnik trotz höherer Saatgutkosten profitieren können“. So der Sprecher der BBAW, Ferdinand Hucho. Allerdings sind in Europa mit Kennzeichnungspflicht und Koexistenzregeln die Rahmenbedingungen anders, als in Ländern mit steigendem Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen. Der Ergänzungsband stellt in seinem zweiten Abschnitt ökonomische Potenziale der grünen Gentechnik vor, deren Nichtnutzung ein Nachteil sein könnte.
Zudem unterliegt auch die grüne Gentechnik einem Wandel und beginnt sich von ihrer klassischen Form her abzuwandeln. Bislang werden synthetische Gene mit der Hoffnung in die Zelle geschossen, dass sie sich an die richtige Stelle einlagern. Aus den vielen Pflanzen muss dann immer noch die „richtige“ herausgefunden werden, die als GVO auf das Feld kommt.
„Smart Breeding“ hingegen beschreibt die „Marker gestützte Selektion“. Hier suchen DNS-Schnipsel entlang des Erbguts nach Informationen, die für die Nachkommen der Pflanze vorhanden sein sollten. So können gewünschte Merkmale schneller aufgespürt werden, als bei der klassischen Züchtung, deren Aufwuchs wieder erst genau untersucht werden muss. Allerdings gibt es über der Perspektive des „Smart Breeding“ unterschiedliche Ansichten. Die einen sehen in dieser Technik bereits die Ablösung der Genmanipulation, die BBAW hingegen meint, dass diese nicht durch die smarte Lösung ersetzt werden kann.
Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe des BBAW schreibt bis 2010 den ersten Gentechnologiebericht in Deutschland. Informationen darüber gibt es unter www.gentechnologiebericht.de
Die Göttinger Studie soll bald unter www.agrarmarketing.uni-goettingen.de abgerufen werden können.
roRo