Gentechnik-Mais außer Kontrolle

Landwirtschaft

Was tun, wenn es passiert ist?

> Der Bund der Ökologischen Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) kritisierte diese Woche ?die Verantwortungslosigkeit der Gentechnik-Industrie?. Der Skandal um den Bt10-Mais führe ?die Zulassungsverfahren für GVO-Pflanzen ad absurdum und macht deutlich, wie wichtig strenge Regeln für die Gentechnik und deren verlässliche Kontrolle für die Koexistenz sind.?

Irrtümlich angebaut
Das Schweizer Biotechnologieunternehmen Syngenta hatte in den USA zwischen 2001 und 2004 auf einer Fläche von rund 15.000 ha Bt10-Mais ausgesät. Das ist ein genetisch veränderter Mais, der ein Eiweiß produziert, welches eine Resistenz gegen das Antibiotikum Ampicillin hervorruft. Ampicillin ist ein Breitbandpenicillin, dass in der Humanmedizin gegen Infektionen des Magen-Darmtrakts, der Gallenwege oder der ableitenden Harnwege eingesetzt werden kann. Da es jedoch eine schlechtere Verträglichkeit aufweist als vergleichbare Medizin wird es nicht so häufig eingesetzt. Bt10-Mais ist nicht zugelassen.
Erlaubt hingegen ist der Anbau von Bt11-Mais, der das gleiche Protein beinhaltet, jedoch an anderer Stelle und damit insektenresistent ist. Bt11 ist in den USA, Kanada, Argentinien, Japan, Südafrika und Uruguay zur Verwendung in Nahrungs- und Futtermitteln zugelassen. Eine Importgenehmigung besteht in diesem Zusammenhang auch für die EU. Der fälschlich angebaute Bt10-Mais gelangte mit den globalen Warenströmen auch in die EU. Von rund 1.000 Tonnen ist die Rede.
Die US Umweltbehörde Environmental Protection Agency (EPA) hat zusammen mit dem amerikanischen Landwirtschaftsministerium ?kein Problem für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt? festgestellt. Syngenta ist allerdings mit einem Vergleich wegen des unerlaubten Anbaus zufrieden: 375.000 Dollar Strafe und die Finanzierung einer Konferenz über die Kontrolle bei gentechnisch verändertem Saatgut sind fällig.
Das Unternehmen und die US-Behörden haben fast drei Monate gebraucht, um den langjährigen Vorgang an die Öffentlichkeit zu bringen.

BÖLW fordert klare Schranken
?Es ist ein Skandal, dass mindestens 1.000 Tonnen des nicht zugelassenen Bt10-Maises unbemerkt nach Europa gelangten, dass der Gentechnikkonzern Syngenta dies über Jahre nicht bemerkte und schließlich gemeinsam mit der US-Regierung vier Monate den Fall verschwieg. Das macht deutlich: Der Agro-Gentechnik müssen klare Schranken gesetzt werden! Dabei ist die Haftungsfrage von besonderer Bedeutung?. Dieses Resüm?e zog der Vorsitzende des BÖLW, Dr. Felix Prinz zu Löwenstein anlässlich der Sondersitzung des Bundestagsausschusses für Verbraucherschutz und Landwirtschaft an diesem Montag. Die Bündnisgrünen hatten am Montag klargestellt, dass ?der Vorfall kein Betriebsunfall, sondern ein ernsthaftes Problem? sei. Die Opposition warnte, aus dem unakzeptablen Vorfall ein Krisenszenarium zu konstruieren.

Koexistenz nur über Kontrollen?
Syngenta wird sicherlich hinter den Kulissen einen hochroten Kopf bekommen haben ? sicherlich jedoch nicht von der grünen Gentechnik lassen.
Ungemach kommt auch beispielsweise von brasilianischen Bauern, die vor rund acht Jahren, als die grüne Gentechnik in Brasilien noch verboten war, Saatgut von Gensoja aus Argentinien über die Grenze schmuggelten. Für Antonio Sartoni, Präsident des Saatgutunternehmen Brasoja ist Gensoja die einzige Möglichkeit dem Preisdruck auf dem Weltmarkt standzuhalten, wie er in der Welt am Sonntag sagte. Vor allem der asiatische Markt müsse noch erobert werden. Setzt Brasiliens Landwirtschaftsminister Luiz Inácio Lula da Silva seine Unterschrift unter das Märzgesetz über die Biosicherheit, dann ist Gensojaanbau in dem lateinamerikanischen Land erlaubt. Und Brasilien ist gewillt, noch riesige Landreserven zu erschließen, um Agrarprodukte zu exportieren.
Das Geschäft mit der Gentechnik läuft bereits weltweit. Da erscheint die Bastion Europa noch eher wie ein gallisches Dorf, dass den Eroberern trotzt. Aber die gentechnikfreien Zonen haben letzte Woche einen Nasenstüber bekommen. Die Kommissarin für Landwirtschaft der EU, Mariann Fischer-Boel teilte vergangenen Donnerstag Vertretern von 30 europäischen Zonen mit, dass sie ihre Gebiete nicht nach EU-Recht offiziell als gentechnikfrei bezeichnen dürfen. Es bleiben nur freiwillige Zusammenschlüsse von Bauern erlaubt, wie es sie auch in Deutschland gibt (Herd-und-Hof.de vom 20.01.2005). Die Bauern befürchten, dass ?ohne breite Trennkorridore? eine Koexistenz nicht möglich ist, wie Hartmut Euler aus dem Umweltministerium Schleswig-Holstein sagte. Das nördlichste Land wollte sich als Ganzes der Bewegung anschließen. Die Regionen seien für eine einheitliche EU-Gesetzgebung allerdings zu unterschiedlich, offizielle Zonen verstoßen gegen das Wettbewerbsrecht und letztlich müsse der Verbraucher entscheiden, welche Produkte er kaufe, so Fischer-Boel.

Was also bleibt angesichts von Unternehmen, die ihr eigenes Saatgut nicht auseinanderhalten können und Bauern, die weltweit immer mehr grüne Gentechnik verwenden?
Prinz zu Löwenstein in der Erklärung des BÖLW: ?Wer die Wahlfreiheit der Verbraucher garantieren und die gentechnikfreie Lebensmittelerzeugung nachhaltig sichern will, kann sich nicht auf die Eigenverantwortung der Gentechnik-Industrie verlassen. Vielmehr muss der Gesetzgeber dafür sorgen, dass weiterhin gentechnikfreie Lebensmittel erzeugt werden können. Die Lebensmittelüberwachung muss im Bereich der Gentechnik ausgebaut werden. Die Länder könnten dafür sorgen, dass die dabei entstehenden Kosten auf die Verursacher umgelegt werden.? Eine weltweite Lösung für eine globale Ordnung ist das allerdings auch nicht.

Welche Gefahr geht von Bt10 aus?
Wohin der Mais aus den USA überall gegangen ist, bleibt unklar. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sprach gestern Abend von Exporten zu Versuchszwecken nach Frankreich und Spanien. Auf der einen Seite ist die EFSA eindeutig: Pflanzen, die für Nahrungs- und Futterzwecke auf den Markt kommen sollen keine Gene besitzen, die Resistenzen gegen Antibiotika in der Human- und Tiermedizin hervorrufen können. Das Ampicillin Resistenzgen soll auch zukünftig nicht in Pflanzen erlaubt sein, die auf dem Markt sind. Auf Versuchsfeldern kann es zugelassen werden. Auf der anderen Seite kam die EFSA auch überein, dass die Anwesenheit des Ampicillingens in Pflanzen nur unwahrscheinlich die Zusammensetzung des Bakterienpool verändern wird, der auf das Antibiotika nicht reagiert: Also nicht noch mehr Bakterien bilden lässt, die resistent werden.
Der Behauptung Syngentas, dass Bt10 und Bt11 sich nur in dem Resistenzgen unterscheiden, traut die EFSA nicht. Zusammen mit der EU fordert sie vollen Zugriff auf die Sicherheitsanalysen des Konzerns über Bt10 und Bt11.

VLE

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