Gentechnik zwischen Amflora und Mais 1507

Landwirtschaft

Zulassungsverfahren zur Gentechnik kaum noch nachvollziehbar

Grüne Gentechnik: Ja oder Nein? Um diese Grundsatzfrage dreht es sich schon lange nicht mehr. Umweltorganisationen warnen vor der möglichen Zulassung des Mais 1507 und sind gleichzeitig erfreut, weil der Europäische Gerichtshof am vergangenen Freitag die Zulassung der Amflora-Kartoffel zurückgenommen hat.
Ein Sprecher des Bundeslandwirtschaftsministeriums am Freitag bekannte ebenfalls, dass es nicht mehr um die Grundsatzfrage geht. Es gehe um die Risikoabwägung – „und das ist das entscheidende Kriterium“ – die über Zulassung und Anbaugenehmigung entscheidet. Es sei immer eine Einzelfallprüfung und dabei noch um die Anmerkung, ob sie entsprechende Pflanze in Deutschland angebaut wird oder nicht: „Es gibt die Industriekartoffel Amflora, die in Deutschland nicht angebaut wird. Es gibt den Monsanto-Mais 810, zu dem die Bundesregierung in der vergangenen Legislaturperiode entschieden hat, dass, obwohl eine Zulassung besteht, kein Anbau dieser Genmaissorte in Deutschland erfolgt.“

Und es geht um Verfahrensfehler

Die BASF hat die Amflora-Kartoffel in einem Antrag als Industriekartoffel und in einem zweiten Antrag als Futtermittel zulassen wollen. Weil bei der EFSA Diskrepanzen im ersten Zulassungsverfahren auftraten, hat die EU-Kommission diese in einer konsultierten Stellungnahme für beide noch einmal prüfen lassen. Ohne die Sorte zuzulassen. Nach dem zweiten Verfahren wurden aber die EU-Ausschüsse nicht mehr befragt. Das hat Ungarn zu einer Nichtigkeitsanklage veranlasst, die von Frankreich, Luxemburg, Österreich und Polen unterstützt wurde und jetzt zum Urteil führte: Weil die Kommission vom Zulassungsverfahren abgewichen ist, mögliche Ablehnungen in den Ausschüssen damit umgangen ist, sind die Beschlüsse für die Zulassung nicht mehr gültig.

Mais 1507

Auch im Zulassungsverfahren für den „Supermais“ hat die EU-Kommission zunächst gegen ihre Zulassungsregeln verstoßen. Im November wurde mit einer verbesserten Vorlage für den EU-Rat nachgelegt. Der Resistenzmonitoringplan wurde verstärkt. Der Mais darf nicht als „glufosinattolerant“ bezeichnet werden. Das Verfahren ist mittlerweile 13 Jahre alt und wird noch nach den „alten Regeln“ umgesetzt. Das heißt: Wenn im Rat keine qualifizierte Mehrheit für oder gegen die Zulassung vorhanden ist, muss die Kommission die Zulassung erteilen.

Was noch in der Pipeline ist

Das Beispiel Amflora zeige nach Harald Ebner, Sprecher für Agrogentechnik bei Bündnis 90/Die Grünen, „massive Defizite in den EU-Zulassungsverfahren“ auf. Der Umweltrat hat am 13. Dezember nicht über den Mais 1507 entschieden. Erst dann ist die Sorte für Spanien erlaubt und damit das Saatgut innerhalb der EU verkehrsfähig. Wegen der späten Zulassung wird der Mais aber für das Anbaujahr 2014 kaum noch zur Verfügung stehen, schätzt die Bundesregierung auf Anfrage der Bundesgrünen.

Offen ist noch immer die „Opt-out-Option“, bei der die Mitgliedsstaaten individuell entscheiden können, generell nationale Anbauverbote auszusprechen. Nicht nur bei „begründeter Gefahr“. Seit März 2012 gibt es aber keinen neuen EU-Kompromissvorschlag für diese Zulassungsvariante.

Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) fordert angesichts der Fehlerquote im Zulassungsverfahren ein Zulassungs-Moratorium und verweist auf die seit nunmehr zwei Jahren dem Bundestag vorliegende Online-Petition, die noch immer nicht abschließend behandelt worden ist.

Ein Dauerthema ist die Frage nach der Unabhängigkeit der Experten. Erst im Oktober hat der Lobbywächter „Corporate Europe Observatory“ der EFSA in dem Bericht „Unhappy Meal“ mehr als der Hälfte der EFSA-Mitarbeiter Nähe zur Agrar- und Ernährungsindustrie unterstellt.

Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung gerät immer wieder unter Verdacht. So wird dem Institut vom BUND beim Thema Glyphosat vorgeworfen, nur Studien der Hersteller zu berücksichtigen. Das BfR teilte Herd-und-Hof.de jedoch mit, dass bei der ersten Studie bereits mehr als 2.500 wissenschaftliche Belege herangezogen wurden. Auch die 900 neuen Studien sind in wissenschaftlichen Zeitungen nach Peer-Review-Kriterien veröffentlicht worden. Dem gegenüber ist eine von den Umweltorganisationen „gefeierte“ Studie erst kürzlich vom Verlag wieder zurückgezogen worden.

Lesestoff:

Amflora zugelassen

und schon gleich vermischt

Warnung vor dem Supermais

www.corporateeurope.org

www.bfr.bund.de

www.efsa.europa.eu

Elsevier zieht Séralini-Studie zurück

Roland Krieg

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