Gentechnikdebatte im Bundestag

Landwirtschaft

Gentechnikdebatte wird zur Koalitionskritik

Die Diskussion um die grüne Gentechnik in den letzten Wochen war ausschließlich von der Politik geprägt und kein Diskurs darüber, ob diese Technologie wissenschaftlich ausgereift oder unsicher ist. Die aktuelle Stunde zum Thema am Donnerstag im Bundestag wurde dann auch zu einer Koalitionskritik, weil sich die Bundesregierung bei der Zulassungsfrage über den Mais 1507 in Brüssel enthalten hat [1].

Kritikermehrheit

Harald Ebner (Bündnis 90/Die Grünen) stellte der Regierungskoalition ein schlechtes Zeugnis aus. Nach 59 Tagen sei der erste Minister weg und in Brüssel habe die Regierung eine Chance „verpasst, versemmelt“. Während die Interessen der Autolobby Entscheidungen, wie bei den Emissionen, beeinflussen könne, gehe die Mehrheit der Verbraucher, die gegen die grüne Gentechnik ist, leer aus. Für Dr. Kirsten Tackmann (Die Linke) wurden Wahlversprechen und der Koalitionsvertrag gebrochen, weil, so assistierte Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen), sich „viereinhalb Parteien“ gegen die grüne Gentechnik ausgesprochen haben. Wenn am Ende die Kanzlerin entscheide, sei das keine Koalition, sondern eine Kapitulation.
Die Opposition sieht in der Enthaltung ein Einfallstor für weitere Zulassungen und einen Kotau vor den Amerikanern im Rahmen des Investitionsabkommens TTIP. Den Inhalten der Reden nach, standen, inklusive SPD, in der aktuellen Stunde überwiegend die Gentechnikkritiker am Rednerpult.

Geschäftsordnung

René Röspel von der SPD fragte die Opposition nach dem Sinn einer Geschäftsordnung in einer Koalition. Mit den sozialdemokratisch geführten Wirtschafts-, Umwelt und Justizministerium sowie dem Agrarministerium sei keine Mehrheit für ein „Nein“ zustande gekommen. Alle CDU-Ministerien und das Kanzleramt plädierten für die Zulassung. Nach Geschäftsordnung komme am Ende eine Enthaltung heraus, so Rösler. Da hätten auch die Grünen und Linken als kleinerer Regierungspartner kapitulieren müssen. Rösler, der sich gegen die Gentechnik aussprach, hatte sich eine Richtlinienkompetenz der Kanzlerin gewünscht.
Dann klingt es auch nach einem „Jein“, wenn sowohl Dr. Maria Flachsbarth als Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium (CDU) und Eva Drobinski-Weiß (SPD) die Sorgen der Verbraucher ernst nehmen und auf eine bessere Kennzeichnung verweisen, die künftig auch erfolgen solle, wenn Tiere gentechnisch verändertes Futter vorgelegt bekommen.

Einseitige Betrachtung

Ausdrücklich für die grüne Gentechnik äußerte sich Rita Stockhofe (CDU/CSU). Die Gentechnik habe es schwer, wenn Pflanzen, die für die Welternährung stehen sollen, mit Katastrophen und der Atomenergie in Verbindung gebracht werden. Sie verwies auf Studien, die aufzeigen, dass die Gentechnik keine Gefahr sei, aber zu wenig Aufmerksam finden [2]. Seit Jahren essen die Deutschen Lebensmittel mit Bestandteilen aus der grünen Gentechnik. Es ist etwas schief gelaufen in der Debatte. Selbst Hermann Färber (CDU/CSU) kann verstehen, dass Konzerne wie Monsanto bei Menschen Unbehagen auslösen. Die grüne Gentechnik sei aber mehr als der amerikanische Konzern.

Neue Grundlagendebatte?

SPD-Politiker Matthias Miersch fühlt angesichts des offenen Dissenses in der Koalition und dem Wissen, dass die Verbraucher mehrheitlich die Gentechnik ablehnen, ein Unbehagen: „Die Enthaltung ist keine Haltung“. Miersch gibt sich äußerst gesprächsbereit und denkt laut über die Möglichkeit einer Konsultation des gesamten Parlaments nach, wenn in der Regierungskoalition keine Einigung zu finden ist. Er lud den grünen Fraktionsvorsitzenden Toni Hofreiter und den Sprecher für Agrogentechnik Harald Ebner zu einer breiten Ethikdebatte ein, um in den nächsten Wochen bis zur nächsten europäischen Zulassungsfrage einen Konsens zu finden. Die Debatte soll zu einer einheitlichen Politik in Deutschland und gegenüber Europa führen.

Harald Ebner allerdings ist skeptisch, wie er nach der Debatte Herd-und-Hof.de mitteilte: „Selbstverständlich sind wir zu einer breiteren Debatte u.a. über die ethischen Aspekte und sozioökonomischen Folgen der Agrogentechnik bereit. Es hilft aber nichts mit Scheindebatten die Menschen davon abzulenken, dass diese Bundesregierung, diese Koalition und vor allem Kanzlerin Merkel permanent Fakten schaffen und Entscheidungen pro Gentechnik fällen. Die nächste Bewährungsprobe wird die Entscheidung zur Kennzeichnungspflicht von Honig mit Bestandteilen gentechnisch veränderte Pflanzen sein. Wenn die Koalition hier schon wieder kneift, sind schöne Sonntagsreden ad absurdum geführt.“

Lesestoff:

[1] Ausschuss statt Abstimmung // Friedrichs Ja und Nein auf der Grünen Woche // Entscheidung in Brüssel

[2] TU München verfüttert Mon 810 ohne Genfragmente in den Kühen zu finden // Forplanta: Sicherheitsforschung und Forschungsallianz

Roland Krieg

Zurück