Gentechnikkritiker bleiben unversöhnlich

Landwirtschaft

Europäische Pflanzenzüchtung im Dilemma

Die Anhörung im Ernährungsausschuss des Bundestages am Montag zeigte beim Thema neuer Züchtungsmethoden die unveränderten Positionen in Deutschland. Grund für die Debatte ist der Antrag von CDU/CSU mit Genom Editing die Pflanzenzüchtung „zukunftsfähig zu gestalten“. Mittlerweile hat sich auch die Gentechnik weiterentwickelt und arbeitet an präziseren Methoden für die Anpassung neuer Sorten an Umwelt und Klima, die das gleiche Risiko versprechen wie eine natürliche Mutation.

Größer denken

Die bewährten Gentechnikkritiker wie Heike Moldenhauer, Generalsekretärin der European Non-GMO Industry Association) ENGA hält die Techniken für unwissenschaftlich und unverantwortlich und die mit ihr versprochenen Auswirkungen für „vage“. Das Lösungspotenzial bleibe unbewiesen. Handfest ist die Kritik, dass sechs von weltweit 16 marktreifen Pflanzensorten herbizidresistent sind und mit der verbundenen Nutzung von Pflanzenschutzmittel die Ziele des Green Deals unterlaufen.

Für Maria Renate Finckh, Professorin für Ökologischen Pflanzenschutz an der Universität Kassel kann eine Lösung für die Herausforderungen nur in einem ganzen System beantwortet werden. So mache es keinen Sinn, trockenresistente Pflanzen zu züchten, „da nicht sicher, dass es trocken bleibe und vor allem nie sicher vorhergesagt werden könne, was das zukünftige Jahr bringe.“ Für Finckh steht eine neue Raumplanung im Fokus, die den Druck auf die landwirtschaftliche Fläche verringert.

Eva Gelinsky. Leiterin Koordinierung der Interessengemeinschaft für gentechnikfreie Saatgutarbeit (IG Saatgut) in Göttingen, zielt auch auf das System ab: „Eine Anpassung der ackerbaulichen Praxis kann zum Beispiel über den Anbau von Sortenmischungen, heterogenes Material oder die breite Nutzung von Agroforstsystemen erfolgen.“ Auch die konventionelle Züchtung werde mit genetischen Markern für die Selektion oder mit genomweiten Assoziationsstudien weiterentwickelt und verfolge andere Züchtungsziele wie die Gentechnik. In simulierten Gewächshausumgebungen können Nutzpflanzen gezielt für neue Umweltherausforderungen angepasst werden.

Biologin Ricarda Steinbrecher von der Universität Oxford will mit intra- und interdisziplinären Ansätzen zunächst einmal bewerten, was überhaupt pragmatische Lösungen sind. So können ertrag und Biodiversität in Einklang gebracht werden.

Als Baustein nutzen

Die Biologin Svenja Augustin vom Exellenzcluster für Pflanzenwissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität Göttingen setzt sich für die neue Gentechnik als Baustein für den Erhalt der Ernährungssicherheit ein. Auch die ökologische Landwirtschaft ist nicht so arteneich wie ein natürliches Habitat, sagte sie. Es gelte, den Menschen die Angst vor Mutationen zu nehmen. Die Genomeditierung (GE) könne den Flächenanspruch und Emissionen reduzieren helfen.

Hans-Georg Dederer vom Lehrstuhl Staats- und Verwaltungsrecht, Völkerrecht, Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht an der Universität Passau, blickte auf die aktuell neu erreichte Zahl von acht Milliarden Menschen auf der Erde. Eine Produktivitätssteigerung der Landwirtschaft ist unerlässlich und kann mit GE erreicht werden. Dederer kritisiert die Nichtregierungsorganisationen, die notwendige Lösung zu verhindern. Die EU brauche dafür aber einen neuen regelungsrahmen.

Nicolaus von Wirén vom Leibnitz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK in Gatersleben) ist pragmatisch und sieht mehr Chancen als Risiken. Aus naturwissenschaftlicher Sichtweise gebe es keinen Grund, GE-Pflanzen anders als Pflanzen nach spontaner und ungerichteter Mutation zu bewerten. Im Gegenteil werde das Ergebnis nicht dem Zufall überlassen.

Der internationale Blick

In der Anhörung fehlte Matin Qaim vom Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF an der Universität Bonn. Er ist erst heute im Ausschuss des Entwicklungsministeriums dran. Da wird er über die Sicherung der Welternährung durch Genom Editing sprechen. Genomische und digitaleTechnologien sind für eine klimaangepasste Landwirtschaft, ertragsreicher und umweltfreundlicher ist, notwendig. Er wird vor allem auf Afrika und Asien verweisen, wo die Landwirtschaft „einen erheblichen Boost“ in Infrastruktur, Technologie, Beratung und lokale Institutionen brauche.

Nigeria ist so ein Land, das in der Biotechnologie eine zunehmende Rolle in der afrikanischen Landwirtschaft einnimmt. Im September 2022 lud das Land Regulatoren aus Äthiopien und Mosambik zu einem Workshop ein. Nach einem Bericht des US-Landwirtschaftsministeriums hat die nigerianische Regierung das Potenzial der neuen Gentechnik als vitale Stütze für die Landwirtschaft ausgemacht. Die Bevölkerung hat mittlerweile die Marke von 210 Millionen Menschen geknackt und wächst aktuell mit einer Rate von 2,6 Prozent im Jahr. Auch wenn der Landwirtschaftssektor 23 Prozent des Bruttosozialproduktes erwirtschaftet und 35 Prozent der Beschäftigten stellt, ist er nicht sehr modern ausgerichtet. Hinzu kommt der Klimawandel, der mit ausgeprägten Dürren und Überschwemmungen den Ackerbau herausfordert. Schon 2020 hat die Regierung als erstes afrikanisches Land Leitlinien für Genom Editing erlassen.

In den nächsten fünf Jahren steht die Marktreife für herbizidresistente Sojabohnen, aber auch für mit Zink angereichertes Sorghum, gegen Kraut- und Knollenfäule resistente Kartoffeln und multiple Saatgutvermehrung für Yams in Hydroponischen Systemen an. 2019 wurde eine Bt-Kuhbohne zugelassen, die bei Landwirten die Zahl der Pflanzenschutzanwendungen von sieben auf zwei reduziert hat und für Ertragsstabilität gesorgt hat. Seit 2021 wird die neue Sorte landesweit verkauft und angebaut.

Exporte von GE-Pflanzen sind nicht zulässig. Bei Importen beschränkt sich die Erlaubnis auf Geflügelfutter und Forschungssaatgut.

Roland Krieg

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