Gentechnikkritische Studie aus Caen

Landwirtschaft

Französische Studie zur Gentechnik

„Long Term toxicity of a Roundup herbicide and a Roundup-tolerant genetically modified maize”. So heißt der Titel einer Studie des Franzosen Gilles-Eric Seralini in der Zeitschrift „Food and Chemical Toxicology“ [1]. Die am Mittwoch online erschienene Studie schlägt Wellen bis nach Deutschland.

Was steht drin?

Zwei Jahre lang bekamen Rattengruppen verschiedene Nahrung mit einem elfprozentigen Maisanteil angeboten. Der Mais in der ersten Fütterungsgruppe war der GVO-Mais ohne Pflanzenschutzbehandlung, die zweite Gruppe bekam den Mais, der während der Vegetation mit Roundup behandelt wurde, und die dritte Gruppe bekam herkömmlichen Mais, der mit einer Lösung des Pflanzenschutzmittels behandelt wurde (0,1 ppb – part per billion).
Alle weiblichen Tiere starben zwei bis drei Monate früher und schneller im Vergleich zu einer normalen Kontrollgruppe. Bei den männlichen Tieren war dieser Effekt dreimal größer. Die weiblichen Tiere entwickelten alle deutlich mehr Tumore als die Kontrollgruppe. Die Hypophyse war das am häufigsten betroffene Organ. Die Balance der Sexualhormone war bei den Tieren am meisten gestört, die den GVO-Mais und die Rundup-Lösung erhielten. Die Leber in männlichen Tieren war zwischen 2,5 und 5,5 Mal größer als bei den normalen Ratten. Die Veränderungen wurden mit optischen und elektronischen Mikroskopen festgestellt. Diese krankhaften Veränderungen erklären die Wissenschaftler um Gilles-Eric Seralini durch eine Unterbrechung des Hormonstoffwechsels durch Roundup und Überexpression in der Transgenen Pflanze und deren metabolitischen Effekten.

Der Mais

Die Versuche wurden mit dem Mais NK603 durchgeführt. Dieser wurde von Monsanto gegen den Wirkstoff Glyphosat tolerant gemacht, der als Breitbandherbizid im Mittel Roundup eingesetzt wird. Mais wächst zunächst recht kümmerlich heran und muss sich gegen Unkräuter durchsetzen, um genug Wasser und Licht für sein Wachstum zu erhalten. Die einfachste Methode ist das Spritzen von Glyphosat, das alles was grün ist abtötet. Es unterdrückt das Protein 5-enolpyruvyl-shikimate-3-phosphat synthase (EPSPS). Dieses Protein kommt in allen Pflanzen, Pilzen und Bakterien vor und ist für die Produktion essentieller Aminosäuren verantwortlich. Unterdrückt Glyphosat dieses Protein führt die Unterbrechung der Synthese zum Pflanzentod. Der gentechnisch veränderte Mais produziert ein gegen Glyphosat resistentes EPSPS-Protein, dass die Bildung der wichtigen Aminosäuren auch bei Behandlung mit dem Herbizid sicher stellt. Damit hat der Mais keine weitere Wachstumskonkurrenz mehr.

Die Bekanntmachung

Gilles-Eric Seralini forscht nicht nur an der Universität Caen. Er arbeitet auch für CRIIGEN, dem Committee for Research & Independent Information on Genetic Engineering. Nach CRIIGEN ist die Studie der erste Beleg für negative Gesundheitseffekte nach einer zweijährigen Fütterungsstudie mit gentechnisch veränderten Pflanzen [2]. Die verabreichten Dosen entsprächen typischer Umweltexposition und die Auswirkungen wurden auf mehr als 100 Parameter bestimmt. Die Studie habe sowohl die Giftigkeit der gentechnischen Veränderung als auch die des Wirkstoffs Glyphosat unterstrichen. Seralini leitet daraus mehrere Forderungen ab. Sowohl der Zulassungsprozess für Pflanzenschutzmittel als auch die Zulassung der Maissorte müsste erneut überprüft werden. Die Zulassung müsse transparenter unter Beteiligung unabhängiger Institute durchgeführt werden. In der Zwischenzeit müssen alle Produkte mit Bestandteilen gentechnische veränderter Pflanzen verpflichtend deklariert und alle Bestandteile von Pflanzenschutzmitteln offen gelegt werden.

Die medialen Beiprodukte

Die Studie alleine reicht den Wissenschaftlern nicht. Am 26. September erläutert Gilles-Eric Seralini die Ergebnisse und die Geschichte des Tests in einem neuen Buch. Aus diesem Buch hat Autor Jean-Paul Jaud einen Film mit dem Titel „Sind wir alle Meerschweinchen?“ gemacht, der am gleichen Tag veröffentlicht wird. Ebenfalls in der nächsten Woche erscheint eine TV-Dokumentation von Francoise Le Bayon mit dem titel „GMO, a World Alert?“. Die Europaparlamentariern Corinne Lepage hat einen Aufsatz „La vérité sur les OGM cést notre affaire“ verfasst, der auf die rechtlichen und sozialen Auswirkungen der grünen Gentechnik eingeht.

Die Reaktionen

Harald Ebner, Sprecher für Agro-Gentechnik bei Bündnis 90/Die Grünen, hält die Studie für „einen Paukenschlag“. Die Ergebnisse müssten „endlich auch die bisher unkritischen Befürworter von Gen-Mais wachrütteln.“ Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner fordert Ebner auf, sich in Brüssel für einen Importstopp für NK603 stark zu machen.
Ebner fordert mit Blick auf eine Vorgängerstudie aus dem Jahr 2009, dass die verantwortlichen Behörden auch kritische Studien ernst nehmen.
Prinz Felix von Löwenstein, Vorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), kritisiert ebenfalls die Zulassungspraxis. Der Verband hatte vor einem Jahr eine Petition zu diesem Thema eingereicht, die bislang unbearbeitet blieb [3].

Studie aus dem Jahr 2009

Gilles-Eric Seralini war 2009 Mitautor einer Studie über NK603 [4]. Da ging es auch um die beiden Maissorten Mon810 und Mon863, die Toxine gegen Insekten bilden. Die Autoren fanden Hinweise auf Veränderungen von Niere und Leber. Während diese Studie nur 90 Tage währte hat Seralini die neue auf zwei Jahre ausgedehnt.

Weitere Reaktionen

Auf dem Wissenschaftsportal transgen.de haben sich Wissenschaftler schon kritisch gegenüber der neuen Studie geäußert. So seien Ratten besonders anfällig gegenüber Brustkrebs und da die Untersuchungsergebnisse auf amerikanische Verzehrmengen ausgerichtet seien, müssten dort vergleichbare Ergebnisse bereits vorliegen. Die Ergebnisse heben sich drastisch von vergleichbaren Studien ab.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat derweil angekündigt, ihre Zulassung von NK603 aufgrund der neuen Erkenntnisse zu überprüfen: „In diesem Kontext wird die EFSA die Relevanz des Artikels unter Berücksichtigung der vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse prüfen, einschließlich jüngster Studien, die die potenzielle Toxizität von aus GV-Pflanzen gewonnenen Lebensmitteln über einen längeren Zeitraum bewerten.“

Lesestoff:

[1] Seralini G et al.: Long Term toxicity of a Roundup herbicide and a Roundup-tolerant genetically modified maize, Food and Chemical Toxicology, in Press, Online 19. September 2012 http://dx.doi.org/10.1016/j.fct.2012.08.005

www.criigen.org

www.transgen.de

[2] Ratten sind keine Kühe. Zweijährige Fütterungsstudie der TU München mit MON810 bei Milchkühen. Mon 810 ist Bt-Mais, nicht tolerant gegen Glyphosat

[3] Risiko mit amtlichen Siegel

[4] de Vendomois JS et al: A Comparison of the effects of Three GM Corn Varieties on Mammalian Health, International Journal of Biological Sciences 2009; 5(7): 706-726. doi:10.7150/ijbs.5.706

Roland Krieg

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