Gesetz zur Gentechnik
Landwirtschaft
Meilenstein oder Resignation?
> Kaum etwas polarisierte und emotionalisierte die Widerstreiter in der Vergangenheit mehr als das Gentechnikgesetz. Letzten Dienstag hatten SPD und Bündnis 90/Die Grünen beschlossen, den bislang zustimmungspflichtigen Entwurf für ein neues Gentechnikgesetz in ein zustimmungsfreies Gesetz zu verändern. Am Freitag wurde es dann in 2. und 3. Lesung im Bundestag beraten. Jetzt gilt´s und Verbraucherministerin Renate Künast ist zufrieden: ?Das Gesetz ist ein Erfolg für den Verbraucherschutz und für die Landwirte, die weiterhin GVO-frei anbauen wollen. Damit ist Deutschland eines der ersten EU-Länder, das einen gesetzlichen Rahmen für den Schutz des gentechnikfreien Anbaus schafft.? Die wesentlichsten Elemente:
- Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft: das gilt für den ökologischen und konventionellen Landbau
- Haftungsregelung: Landwirte, die GVO (gentechnisch veränderte Organismen) anbauen haften für GVO-Verunreinigungen in freien Betrieben. Das gilt auch verschuldungsunabhängig
- Standortregister: öffentlich zugängliches Bundesregister mit grundstücksgenauen Angaben für den GVO-Anbau
- Benehmensregelung: Das Bundesamt für Naturschutz, Robert-Koch-Institut und das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sind bei Inverkehrbringen und Freisetzungen von GVO beteiligt. Bei einem Dissens kann das BMVEL durch Anweisung Klarheit schaffen
- Neben der ?guten fachlichen Praxis? bei der Anforderungen über Mindestabstandsflächen oder Aufzeichnungspflichten gilt auch eine entsprechende Produktinformationspflicht der GVO-Inverkehrbringer
Haftung ist das wichtigste
Nachdem die EU in der jüngsten Vergangenheit das Moratorium für das Inverkehrbringen von GVO aufgehoben hatte, machte das BMVEL jetzt kurzerhand Nägel mit Köpfen. Denn durch den Anstieg des weltweiten Anbaus gentechnisch veränderten Soja lässt sich gerade im Bereich des internationalen Futtermittelhandels, nicht völlig ausschließen, dass GV-Soja bereits in Spuren auch in deutschen Trögen landet. Verhindern lässt sich die Gentechnik auch nicht mehr, denn mit dem Bereich der so genannten roten Gentechnik, hält sie auch hilfreiches in der Humanmedizin bereit. Also ging es sowieso nur noch um den Schutz des ökologischen Landbaus, der ?gentechnikfrei? auch als Wettbewerbsbegriff einsetzt. Und da hapert es gewaltig, wie das Beispiel Kanada zeigt (s. Herd-und-Hof vom 16.08.2002). Dort lief die Koexistenz zwischen GVO- und GVO-freiem Anbau schief. Gen-Raps fand sich durch Wind- und Pollenübertragung auch in Öko-Rapsfeldern wieder. Debbie Miller vom Saskatchewan Organic Directorate (SOD), dem kanadischen Dachverband der Biobauern, gegenüber Herd-und-Hof.de: ?Wir sagen nicht, dass der gesamte Bioraps kontaminiert ist, aber wir sagen, dass die meisten Bauern mit dem Rapsanbau aufgehört haben, weil wir nicht länger sicher sind, dass der frei von Kontamination ist.? Ländern, die aus Kanada Saatgut für Ökoraps kaufen wollen, müssen die Biobauern absagen. Damit brechen ganze Märkte weg.
Daher spielt die Haftungsregelung bei Kontamination die große Rolle und der Freitag wird als ?guter Tag für die deutsche Landwirtschaft und Lebensmittelwirtschaft ? für die ökologische ebenso wie die konventionelle? gefeiert, so Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, BÖLW. Das Gesetz bedeutet Rechtssicherheit für die Bauern und sichert Entschädigung im Falle einer Verunreinigung zu, so Löwenstein weiter. Bioland teilt sogar noch mit, dass das Gesetz auch die Landwirte schützt, die GVO anbauen, denn die Produktinformationspflicht der Saatguthersteller gibt Anbauregeln vor, bei denen eine Auskreuzung ausgeschlossen ist. Damit läge die Haftung beim Hersteller und nicht mehr beim Anbauer.
Was im kommenden ersten Falle des Falles tatsächlich passiert, wird ein spannender Gutachterprozess werden. Der Deutsche Bauernverband (DBV) ?muss deshalb jeden Landwirt von einem Anbau mit gentechnisch veränderten Pflanzen abraten.? Auf Grund der verschuldungsunabhängigen Haftung ?entsteht für die Bauernfamilien ein so hohes wirtschaftliches Risiko, dass selbst Versicherungen dies zum gegenwärtigen Stand wegen Unkalkulierbarkeit nicht versichern.? Ferner kritisiert der DBV, dass ein Thema mit so hoher gesellschaftlicher Kontroverse, in einem Gentechnikgesetz geregelt wird, dass durch den Bundesrat nicht zustimmungspflichtig ist. Da wäre es gescheitert.
Wer entscheidet wirklich?
Wie immer entscheidet zuletzt nicht der Anbieter oder der Gesetzgeber, was passiert. Der Verbraucher entscheidet an der Ladenkasse. Und da ist die Stimmungslage eindeutig: Der Verbraucher will keine Nahrungsmittel, die GVO enthalten. Nestle hatte einen Schokoriegel wegen Erfolglosigkeit wieder vom Markt nehmen müssen. Ob allerdings dem Verbraucher das Thema immer sachlich dargelegt wird, darf bezweifelt werden. Ist der Wissenschaft vorzuhalten, dass mit dem Bild von der ?eierlegenden Wollmilchsau? zu Beginn der Gentechnik, die Machbarkeitsprojektion in das Frankenstein Milieu abrutschte, so muss sich zur Zeit Greenpeace vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V. (BLL) vorwerfen lassen, mit dem Begriff ?Gen-Milch? unnötige Ängste bei Verbrauchern zu schüren. Milch von Kühen, die mit gentechnisch veränderten Futtermitteln gefüttert wurden, ist nach geltendem Recht kein Lebensmittel, dass entsprechend kennzeichnungspflichtig ist. Ob das Gentechnikgesetz also ein Meilenstein ist, wird die Praxis einer notwendigen Umsetzung ergeben, und inwieweit es im globalen Handel wenigstens einen Nischenmarkt noch tatsächlich schützt, muss es noch belegen.
VLE