Global denken und global handeln - Teil II

Landwirtschaft

Baringdorf fordert eine weltweite 2. Säule der Agrarpolitik

>Heino von Meyer, Leiter des deutschen OECD-Büros, sollte den Brückenschlag zwischen der sambischen Milchproduktion und der in Schleswig-Holstein herstellen. Anhand zweier Fallstudien diskutierten Agrarexperten auf Einladung von AbL und Germanwatch die Chancen der ländlichen Entwicklung in Industrie- und Entwicklungsländern.

Global denken und global handeln
Wenn die chinesische Mittelschicht beginnt, Joghurt zu kaufen, dann hat das nach Aussagen von Heino von Meyer Auswirkungen auf den Milchpreis. Nach Jahren der Abwesenheit ist das Thema Landwirtschaft über die Lebensmittelpreise wieder zurück auf der politischen Agenda. Die Beispiele in Afrika und Deutschland, so von Meyer, folgen dem gängigen Slogan „Global denken, lokal handeln“. Jetzt gibt es eine gute Gelegenheit, die Zusammenhänge zwischen Klima und Landwirtschaft, zwischen Ölpreis und Nahrungsmittel in die Öffentlichkeit zu bringen.
Die Lösungen für die nachhaltige Problematik sei der globale Handlungsansatz.
Seit Anfang der 1960er Jahre ist die Nahrungsmittelproduktion auf der Welt um 150 Prozent angestiegen, die Preise sind jedoch um die Hälfte gefallen. Der Nachfrage fehle es an Kaufkraft, bewertet von Meyer. Deshalb verfehle die Weltengemeinschaft wohl das Millenniumsziel, die Zahl der Hungernden um die Hälfte zu verringern.
Vernachlässigt wurde der ländliche Raum und die Entwicklungsziele gingen an den Bedürftigen vorbei. Die Armutsreduktion in den Städten der Dritten Welt hat bislang nicht funktioniert. Hingegen seien Programme für den ländlichen Raum zu 80 Prozent erfolgreich. Die lokale Politik sorgt jedoch eher für „billiges Brot in den Städten“.

Entwicklung zum konsumstarken Mittelstand
Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Bundesvorsitzender der AbL, überspannt die gesellschaftliche Entwicklung in Sambia und Deutschland mit dem gleichen Bogen des sozialmetabolischen Überganges. Im Grunde wollte man in den Entwicklungsländern den Kleinbauern zum konsumkräftigen Mittelstand fördern, wie es Europa vorgemacht hat. Dabei habe man in Kauf genommen, dass rund ein Drittel der Menschen auf dem Land in Armut verbleiben. In Europa habe der Zeitraffer die negativen Auswirkungen abgemildert. Zwar seien die kleinbäuerlichen Strukturen zerstört worden, die Industrialisierung hat zwei Drittel der bäuerlichen Strukturen vernichtet, aber durch Einkommensalternativen in der Industrie wurden die Menschen in den Städten wirtschaftlich aufgefangen. Wenige landwirtschaftliche Betriebe sind gewachsen.

Teller oder Tank, Exportsubventionen: Das sind die Schlagzeilen, die nur ein unvollkommenes Bild der Situation aufzeigen. Auf der Frühjahrstagung von Weltbank und IWF haben afrikanische Minister aufgezeigt, dass viele Länder ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. Ob der sozialmetabolische Übergang gesteuert wurde („man“) oder eine gesellschaftliche Eigendynamik aufweist, weil auch der Subsistenzbauer nicht nur Subsistenzbauer bleiben möchte – kann auch in einer Wechselwirkung ablaufen.
Die Entwicklungsländer könnten die aktuelle Preissituation bei Lebensmitteln zum Anlass nehmen, die eigene Agrarpolitik zu überdenken. Die Entwicklung über den Aufbau einer Leichtindustrie, ist fehlgeschlagen, sagte Heino von Meyer zu Herd-und-Hof.de. Der Weg der Selbstdisziplinierung, den NEAPD geht, sei begrüßenswert. Er hält das europäische Engagement in Afrika für das bessere, denn der Fokus der Chinesen auf die Sicherung der Rohstofflieferung, könnte den afrikanischen Ländern auf die Füße fallen: „Ein Bokassa ist genug.“

Genau das habe in den Entwicklungsländern jedoch nicht funktioniert. Die Armen leben in der Stadt und können kaum ihren Lebensunterhalt bestreiten, die Armen auf dem Land wirtschaften in funktionsuntüchtigen Agrarwirtschaften. Jetzt merke man, dass die Strategie „gegen die Wand“ gefahren ist, so Baringdorf. Es sind nicht die Hungernden auf dem Land, die in den Ländern demonstrieren. Es sind die Städter, denen die Preise der vormals verbilligten Nahrungsmittel davonlaufen.
Die Entwicklungsgelder flossen demnach nicht in die Landwirtschaft, sondern in die Strategie der Entwicklung zum Mittelstand. Daher haben die Kooperative in Sambia und die Käsestraße in Norddeutschland mehr gemeinsam, als vordergründig sichtbar. Für Baringdorf finden in beiden Fällen die Bauern ihr Heil in der eigenen Mehrwertschöpfung. Dieser Ansatz ist global „zum Mainstream“ geworden. In Afrika und Schleswig-Holstein. Die bäuerliche Landwirtschaft ist der eigentliche „Nettoerzeuger“ im Agrarsektor, was die Nichtregierungsorganisationen schon immer gesagt haben, fügte der Europapolitiker mehrfach hinzu. Die hohen Energiepreise würden diese Entwicklung weltweit forcieren.

Die Suche nach der Rezeptur
Für Carolin Callenius von „Brot für die Welt“ ist das Beispiel Sambia ein weiteres Puzzleteil im derzeitigen Entwicklungsbild. Subventionierter Export von Agrarüberschüssen nimmt in der Ursachenforschung nicht den einzigen Part ein. Die Entwicklung muss auf den Raum gerichtet sein. Dort brauchen die marginalisierten Menschen brauchen eine Entwicklungsperspektive, die sich an ihrem Wissen und Können orientiert. Die Marktintegration hat in den letzten 20 Jahren zu keinen Erfolgen geführt. Direktinvestitionen im ländlichen Raum, Impfvorsorge im Veterinärbereich, Ausbau der Infrastruktur oder Preisgarantien für Hauptnahrungsmittel wurden sträflich vernachlässigt.
Einzelbetriebliche Förderungen führten nach Aussage von Marc Albrecht-Seidel, Geschäftsführer des Verbandes für handwerkliche Milchverarbeitung im ländlichen Raum, der falsche Weg. Förderungen zum Erreichen der Preisführerschaft, vor allem auf fremden Märkten, seien falsch. Der Begriff „arbeitsintensiv“ gebe demnach eine falsche Vorstellung ab, wie die Käsestraße aufzeige. Die Leistung dieser Betriebe bestehe gerade darin, mehr Menschen eine Arbeit zu geben.
Der anstehe Health Check der Europäischen Union biete sich an, die gesellschaftlichen Aufgaben in den Vordergrund zu stellen. So gewinnt die zweite Säule der Agrarförderung bei der bäuerlichen Landwirtschaft an Bedeutung. Nach Albrecht-Seidel kann nur sie mit ihrer Förderung die nicht über den Preis entlohnten gesellschaftlichen Aufgaben wie Umweltschutz und soziale Kriterien entlohnen. Baringdorf forderte einen globalen Fonds, der für vergleichbare Aufgaben weltweit eingesetzt werden kann.
Neben dem Health Check bestehe auch die Möglichkeit in die gegenseitigen Wirtschaftsabkommen Entwicklungsziele festzuschreiben, die bislang noch fehlen. Ähnlich wie bei Zucker, könnte den Entwicklungsländern eine Quote zu gleichen Preisen wie in Europa festgeschrieben werden. Aber die von Christoph Eichen aus dem Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit geforderte „grundsätzliche Diskussion“ über den Health Check hinaus, hat global gerade erst Schwung gewonnen.

Lesestoff:
Die beiden Fallstudien können unter www.germanwatch.org eingesehen werden. Die AbL ist unter www.abl-ev.de zu erreichen.
Die OECD hat eine Broschüre zum Paradigmenwechsel des ländlichen Raums herausgebracht. www.oecd.org
Einen Bericht der jüngsten NEPAD-Konferenz finden Sie hier.

Roland Krieg

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