Global Fertilizer Challenge

Landwirtschaft

Eine Frage der Düngung

Die Europäische Union ist Nettoimporteuer für Mineraldünger. Mit dem Anstieg der Gaspreise haben europäische Hersteller von Stickstoffdünger diesen Sommer rund 70 Prozent der Produktion stillgelegt, was neben einer Verknappung auch zu einem zusätzlichen Preiseffekt geführt hat. Die EU-Agrarkommission hat am Mittwoch ihr angekündigtes Düngerpaket zur Sicherstellung von Produktion und Verfügbarkeit vorgestellt. Mangels Mineraldünger gilt die Ernährungsversorgung wegen sinkender Erträge in der EU als gefährdet. Auf die Dauer hat vor allem der schwache Euro die Ausdehnung der Importe um 19 Prozent dauerhaft nicht bezahlen können. Agrar-Kommissar Janusz Wojciechowski hatte zudem analysieren lassen, wer von den EU-Hilfsgeldern zur Bewältigung der Krise profitiert. Die Düngemittelindustrie gehörte nicht dazu.

Maßnahmen in der EU

Die EU-Kommission hat vergangene Woche in einem umfangreichen Papier den Mitgliedsländern vorgeschlagen, die Gaserzeugung für die Hersteller von Stickstoffdünger sicher zu stellen.  Mit dem zweiten Hilfspaket vom 28. Oktober sollen die Länder die Gelder flexibler und für die Düngerhersteller nutzen können. Zusammen mit den Mitgliedsländern will die Agrarkommission die Öffnung der Krisenreserve von 450 Millionen Euro für die marktstabilisierende Intervention prüfen. In den nationalen Strategieplänen für die Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sollen Maßnahmen für die Düngerhersteller eingearbeitet werden. Generell sollen organische Düngeralternativen überdacht und grüner Wasserstoff für die Herstellung von Stickstoffdünger geprüft werden. Als Dach für die Summer der Maßnahmen wird 2023 ein neuer Europäischer Innovationsrat eingerichtet.

Global Fertilizer Challenge

Die Düngerknappheit durch die hohen Preise gefährdet noch mehr den globalen Süden. Die internationalen Maßnahmen umfassen eine Diversifizierung der Ammoniakimporte, wie auch der globalen Versorgung aller Länder mit ausreichend Düngemittel. Dazu sollen Abkommen auf bilateraler und multilateraler Seite abgeschlossen werden. Notwendig sei der Abbau von Handelshemmnissen über die Welthandelsorganisation WTO.

US-Präsident Joe Biden hat diesen Sommer die Global Fertilizer Challenge ins Leben gerufen, der Deutschland auf der Weltklimakonferenz am Wochenende beigetreten ist. Teure Düngemittel, die mangels Finanzen nicht gekauft werden, gefährden „besonders die ärmsten Länder im Kampf um die Lebensmittelsicherheit“, teilt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit. Staatssekretär Jochen Flasbarth: „Man muss Klimaschutz und Ernährungssicherheit zusammendenken, um erfolgreich zu sein. Düngemittel sind in der jetzigen Situation gerade in Entwicklungsländern unverzichtbar für Ernährungssicherheit. Zugleich ist ihr effizienter Einsatz mitentscheidend für die Klimabilanz der Landwirtschaft. Wir brauchen eine Transformation der Landwirtschaft und des Ernährungssystem hin zu ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit. Kleinbauern und Kleinbäuerinnen in einkommensschwachen Ländern haben eine wichtige Rolle bei der Sicherstellung der Ernährung. In Zeiten, in denen Düngemittel aufgrund des russischen Angriffskriegs so teuer wie nie zuvor sind, sind sie ganz besonders auf Unterstützung angewiesen. Wenn sie geringere Ernten einfahren, treibt das Millionen Menschen in den Hunger. Dem muss die Weltgemeinschaft konkrete Initiativen wie diese entgegen setzen. Wer Düngemittel effizient und sparsam einsetzt, sichert Ernten und schützt zugleich das Klima.“

Nach Einschätzung des International Fertilizer Development Center (IFDC) werden wegen des Düngermangels in Afrika südlich der Sahara 2022 rund 30 Millionen Tonnen weniger Lebensmittel erzeugt. Schon vor der Weltklimakonferenz hat die IDFC auf dem jährlichen Afrika-Investitionsforum der Afrikanischen Entwicklungsbank auf den monetären Wertverlust hingewiesen. Projekt-Direktor Patrice Annequin sagte, Düngemittel erlauben die Erzeugung von Lebens- und Futtermitteln, Fasern und Biokraftstoff im Wert von fünf bis 10 Billionen US-Dollar pro Jahr. Immerhin hat Afrika in den vergangenen Jahren eine eigene Düngemittelherstellung aufgebaut. Nigeria erzeugt jährlich rund 6,5 Millionen Tonnen Harnstoff und 14 Millionen Tonnen Phosphordünger, die in ganz Afrika eingesetzt werden.

Die Hersteller verdienen sehr gutes Geld. Der größte Phosphordüngemittelhersteller, OCP in Marokko, meldete im ersten Halbjahr 2022 einen Umsatz von 5,29 Milliarden US-Dollar, ein Anstieg um 72 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode. Im Juli hatte OCP das größte Düngermittelprogramm seiner Geschichte angekündigt und will 500.000 Tonnen mit Hilfe von Spenden und Subventionen vergünstigte Phosphatdünger afrikanischen Landwirten anbieten.

In der Praxis

In der Praxis sollen europäische Landwirte nach Willen der EU verstärkt auf den Humusaufbau achten, mehr Leguminosen anbauen und bei Mineraldünger mit Präzisionstechnik die Ausbringmenge reduzieren. Die politischen Rahmenbedingungen sollen die betrieblichen Entscheidungen befördern.

Das gilt auch für die Global Fertilizer Challenge. Das bisherige Prinzip „Viel hilft viel“ muss korrigiert werden, unterstreicht Flasbarth: „Stattdessen soll ein Win-Win-Szenario umgesetzt werden: Weniger Dünger – mehr Ertrag. Dieser doppelte Fortschritt soll durch ein breites Spektrum von Maßnahmen wie verbesserte Bedarfsanalysen, mehr Planung, Schulungsangebote oder durch die Förderung alternativer Anbaumethoden, die Steigerung der Düngereffizienz und die Förderung von Alternativen zu Mineraldüngern ermöglicht werden.“

Ziel ist nicht nur das Abfedern des Preises, sondern der Richtungswechsel hin zu einer nachhaltigen und klimaangepassten Landwirtschaft.

Roland Krieg

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