Glyphosat: Alles halb so wild
Landwirtschaft
EU-Parlament findet Kompromiss zum Thema Glyphosat
Nachdem der EU-Umweltausschuss Glyphosat im März abgelehnt hat, aber die eine starke Minderheit vorzuweisen hatte, fand das EU-Parlament am Mittwoch einen Kompromiss im Streit um den Wirkstoff Glyphosat. In einer nichtbindenden Resolution sollte der Wirkstoff, der weiterhin unter Verdacht steht, Krebs zu erzeugen und als endokriner Disruptor zu agieren, nicht für 15, sondern für sieben Jahre weiter zugelassen werden. Die Europaparlamentarier forderten eine unabhängige Untersuchung, bei der alle Dokumente der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA zur Verfügung gestellt werden. Eine klare Mehrheit gab es auch hier nicht. 374 Abgeordnete stimmten dafür, 225 dagegen und 102 enthielten sich der Stimme.
Zudem soll Glyphosat nur noch an gewerbliche Kunden verkauft werden dürfen. Auch für die Sikkation dürfe Glyphosat nicht mehr angewandt werden. Die Kommission, die den Wirkstoff für weitere 15 Jahre zulassen würde, sollte die in den nächsten zwei Monaten erscheinende Einschätzung der Europäischen Chemikalienagentur ECHA in eine Neubewertung einbeziehen. Die Wirkung auf Hormone sollte zudem ebenfalls umfassend ermittelt werden.
Vor der Abstimmung hat sich Österreichs Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter zu Glyphosat positioniert. Nicht zur Sikkation und keine Abgabe an den Hausgebrauch hat die Österreichische Gesundheitsagentur AGES in einem Treffen mit Politikern und Wissenschaftlern schon vorformuliert. Rupprechter wäre auch eine Zulassung für 15 Jahre zu lang und hat damit den Kompromiss des EU-Parlamentes exakt vorweggenommen. Rupprechter sieht Deutschland und die Christdemokratische Europafraktion auf gleicher Wellenlänge; strikt dagegen sind die Niederlande, Frankreich und Italien. Rupprechter hat aber auch eindeutig seine Rats-Stellung bezogen: „Österreichs Landwirtschaft braucht kein Glyphosat.“
Offiziell ist Deutschland zurückhaltender. Voraussetzung für eine Zustimmung wäre die Forderung der Mitgliedsländer, die biologische Vielfalt besonders zu berücksichtigen, teilte das Bundeslandwirtschaftsministerium in einer Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen mit. Auch das Ergebnis der ECHA könnte für eine Ratsmehrheit sorgen. Soweit allerdings vertraut die Regierung den Ergebnissen und Einschätzungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) und würde auch entsprechend abstimmen.
Die deutschen Augen schauen also jetzt auf die ECHA, die einen Umschwung einleiten könnte. Ein gegenteiliges Ergebnis zu BfR und EFSA müsste die EU nach Artikel 21 der Verordnung EG 1107/2009 eine neue Überprüfung einleiten. National müsste das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) ein neues Zulassungsverfahren einleiten.
Glyphosat ist der Wirkstoff, der in Pflanzenschutzmitteln eingesetzt wird. Das Ministerium sieht derzeit keinen Anlass, ein ganzes glyphosat-haltiges Pflanzenschutzmittel zu überprüfen. Die POE-Tallowamine, die als Netzmittel das Durchdringen der Lipidschichten begünstigen, sind in Deutschland derzeit nicht vorhanden.
Kompromiss ohne halbe Wahrheit
Das Ergebnis ist zwar ein typischer EU-Kompromiss, aber wenn Glyphosat so gefährlich wäre, wie befürchtet, ist es deshalb nicht halb so gefährlich, nur weil es für die halbe Zeit zugelassen wird. Am der Gefahr und beim Risiko ändert die Zulassungsverkürzung von 15 auf 7 Jahre nichts. Dennoch freuen sich auch die Glyphosat-Gegner.
Maria Heubuch, Bäuerin und Mitglied im EU-Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung: „Die Entschließung zeigt wichtige wunde Punkte beim Glyphosat-Einsatz auf. Leider konnte sich eine Mehrheit nicht dazu durchringen, das Pestizid vollständig vom Markt zu nehmen, sondern forderte nur eine Zulassung für 7 anstatt für 15 Jahre.“ Der agrarpolitische Sprecher der Europagrünen Martin Häusling ist auch nicht unzufrieden, weil „eine Blanko-Verlängerung der Zulassung“ unterbunden wurde. Harald Ebner, Sprecher für Gentechnik und Bioökonomie bei den Bundesgrünen sieht in der Abstimmung „ein starkes Signal gegen Glyphosat. Die Bundesregierung und die EU-Kommission dürfen dieses Signal gegen die bisherigen Neuzulassungs-Pläne des Allround-Pflanzenvernichters nicht ignorieren.“ Ebner setzt auf die „abschließende Prüfung“ der ECHA.
„Solange der von der internationalen Krebsagentur der Weltgesundheitsorganisation geäußerte Verdacht, dass Glyphosat möglicherweise krebserregend ist, nicht vollständig ausgeräumt ist, halte ich eine Verlängerung der Zulassung für unverantwortlich“, sagte Umweltminister Stefan Wenzel in Hannover. „Die Studien des Herstellers müssen vollständig offen gelegt und einer wissenschaftlichen Überprüfung zugänglich gemacht werden.“
Die Grünen wollen sich jedoch weiterhin für ein vollständiges Verbot einsetzen.
Auch dem BUND reicht die Entschließung nicht aus. Pestizidexpertin Heike Moldenhauer: „Das EU-Parlament hat leider einen zu schwachen Beschluss gefasst.“ Der Umweltausschuss war weiter gegangen. Im Mai sind die Agrarminister dran und Moldenhauer erwartet in Deutschland die Umsetzung der Studie des Julius Kühn-Instituts, dass Alternativen vorhanden sind.
Manfred Nüssel, Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes, sieht in den Korrekturen für die Wiederzulassung einen „sinnvollen Kompromiss“. Nüssel kritisiert aber die Einmischung des Parlamentes, was nicht zum Regelfall werden dürfe: „Das würde die Zulassungsverfahren nach wissenschaftlichen Kriterien in Frage stellen“, erklärte Nüssel am Mittwoch. „Die Zulassung von Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffen ist Sache von kompetenten Fachleuten in unabhängigen und anerkannten Behörden.“
Die Arbeitsgemeinschaft Glyphosat der Agrochemiefirmen sieht in dem Votum eine „Verlängerung der Glyphosat-Zulassung. Aufgrund der positiven Sicherheitsbewertungen der zuständigen Behörden sollte jedoch einer Verlängerung um weitere 15 Jahre fachlich nichts im Wege stehen“, wünscht sich Sprecherin Ursula Luettmer-Ouazane. In der zunehmend politisch motivierten Auseinandersetzung um die Erneuerung der Wirkstoffzulassung von Glyphosat gerät vollkommen in den Hintergrund, warum Landwirte diesen Wirkstoff überhaupt nutzen. Unkräuter gefährden die landwirtschaftliche Produktivität im gleichen Maße wie Schadinsekten oder Pilzkrankheiten. Landwirte brauchen daher effektive Methoden zu deren Bekämpfung. Der Wirkstoff Glyphosat ist dabei von zentraler Bedeutung. „Durch die zunehmend politisch angeheizte Debatte geraten wesentliche Sachargumente völlig in den Hintergrund“, so Richard Garnett, Vorsitzender der europäischen Glyphosate Task Force GTF.
Lesestoff:
[1] EU-Umweltausschuss will kein Glyphosat mehr
Roland Krieg