Glyphosat ohne Ende

Landwirtschaft

Woher kommt das Glyphosat im Bier?

Das Reinheitsgebot für Bier feiert in diesem Jahr seinen 500. Geburtstag. Da ist die Meldung des Umweltinstituts München von Donnerstag ein herber Rückschlag, den mittlerweile allseits bekannten Wirkstoff Glyphosat im beliebtesten Getränk der Deutschen entdeckt zu haben. Der Blick zurück zeigt, wie das Reinheitsgebot seinerseits Konsumenten vor unliebsamen Braubestandteilen wie Fröschen schützte, die dem Gebräu regional zur Geschmacksverbesserung zugesetzt wurden. Dinkelbier mit Kröten und Fröschen war bei den Thrakern ein Liebestrank zum Frühjahrsfest. Die Bayern jedenfalls haben dem Gerstensaft nur noch Wasser, Hopen und Getreidemalz zugestanden [1].

Der Wirkstoff Glyphosat beherrscht Nichtregierungsorganisationen und Politik, weil ein Verbot dieses Wirkstoffes, einen Dominoeffekt nach sich ziehen würde. Da hilft es wenig, wenn die Wissenschaft sich nicht einig ist und nur wenige Rattenversuche genügen, einen Wirkstoff von „wahrscheinlich krebserregend“ zu „nicht „krebserregend“ zu befördern [2]. Glyphosat steht in gut einer Woche vor einer Zulassungsverlängerung durch die EU. Positiv- oder Negativmeldungen können den Ausschlag geben.

Die Studie

Das Umweltinstitut hat 14 absatzstärkste Produkte der beliebtesten Biermarken in Deutschland des Jahres 2015 getestet. Die meiste Glyphosatmenge wurde mit knapp 30 Mikrogramm je Liter Bier nachgewiesen, absteigend bis auf 0,46 Mikrogramm. Das Institut sagt selbst, dass die Ergebnisse lediglich die untersuchten Chargen charakterisieren und keine generelle Aussage über die Belastung des Bieres einer bestimmten Marke erlaubt.

Woher stammt das Glyphosat?

Nach Reinheitsgebot kommen nur wenige Quellen in Frage. Trinkwasser: Das schließen die Tester aus, da Brauwasser egelmäßig und streng geprüft wird und ein sehr strenger Grenzwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter besteht. Im Hopfenanbau werde zwar Glyphosat eingesetzt, aber nicht für die Pflanzen selbst. Da könnte der Wirkstoff über Abdrift auf den Hopfen gelangen. Den größten Verdacht hegt das Umweltinstitut gegenüber Getreide, wo Glyphosat vor allem im pfluglosen Anbau eingesetzt wird.

Mengenproblem

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat sich gegenüber der Studie kritisch geäußert. Da Glyphosat ein zugelassener Wirkstoff ist, sei der Fund generell nicht überraschend. Die Rückstände in Bier dürften daher lediglich in maximal zulässiger Höhe für Getreide unter Berücksichtigung eines Verarbeitungsfaktors vorkommen. Selbst die gefundene Höchstmenge von 30 Mikrogramm pro Liter Bier werde die lebenslänglich duldbare Menge oder die einmalig duldbare Aufnahme um das 1.000fache unterschreiten. Für eine gesundheitlich bedenkliche Menge müsste ein Verbraucher 1.000 Liter Bier am Tag trinken. Die 30 Mikrogramm stellten „nach dem derzeitigen Stand des Wissens kein gesundheitliches Risiko“ dar.

Behandlungsproblem

Der Deutsche Bauernverband (DBV) stellt zu der Studie fest, dass Glyphosat für die Anwendung in Braugerste gar nicht zugelassen ist. Allerdings geht der Braugerstenanbau in Deutschland seit Jahrzehnten zurück, so dass die Brauereien zur Hälfte auf importierte Braugerste angewiesen sind.

Darstellungsproblem

Das Umweltinstitut stellt in seiner Veröffentlichung die Funde mit Bildern von Bierflaschen dar. Jeweils darüber ist die Zeile abgebildet: Trinkwassergrenzwert in Deutschland: 0,1 Mikrogramm/Liter. Das ist deshalb fatal, weil der Rückstandsgehalt von Bier immer über dem des Trinkwasserwertes liegt. Denn: Es gibt keinen speziellen Glyphosat-Grenzwert für Trinkwasser. Der Wert von 0,1 Mikrogramm je Liter gilt für jedes Pflanzenschutzmittel, weil die Politik für Trinkwasser die strengsten Kriterien anlegt, sagte eine Sprecherin des BfR im Telefonat mit Herd-und-Hof.de. Umgekehrt, wäre der BfR-Grenzwert für Glyphosat auf das Trinkwasser anzuwenden, sollte die tatsächliche Giftigkeit bewertet werden. Der Trinkwassergrenzwert sei für jedes wasserhaltige Getränk zu niedrig, wie beispielsweise die Apfelschorle. Wären dort Rückstände zu finden, lägen auch sie über dem Trinkwasserwert.

Gegenstudie

Konsumenten sind verunsichert, was weder im Sinne der Wissenschaft, noch im Sinne der Politik sein kann. Die Wissenschaft ist zwischen Internationaler Krebsagentur (IARC) und BfR in Bezug auf die Toxizität uneinheitlich. Mecklenburg-Vorpommern hat im letzten Jahr eine freiwillige Untersuchung zu Glyphosat durchgeführt. Nach Analyse des Landesamtes für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei (LALLF) wurde in 135 Proben kein einziger Glyphosatrückstand gefunden. Zu den beprobten Rohstoffen gehörten auch Dinkel, Roggen und Weizen.

Minister Dr. Till Backhaus wirbt für Sachlichkeit. „Wenn wir Pflanzenschutzmittel von vornherein als Teufelszeug verunglimpfen, stellen wir pauschal einen ganzen Wirtschaftszweig in Verruf“. Hilfreich wäre es für die Verbraucher, wenn der Bund eine groß angelegte unabhängige Studie in Auftrag geben würde.

Gegenreden

Die Arbeitsgemeinschaft Glyphosat verweist auf eine deutlich frühere gesundheitlich negative Wirkung des Biergenusses in übermäßigen Dosen hin. Trinkalkohol, also Ethanol, ist übrigens von der IARC in der gleichen Risikoklasse wie Glyphosat eingestellt.

Am Abend hat Agrarreferent Karl Bär aus dem Umweltinstitut angesichts der zahlreichen Kritik noch einmal nachgelegt: Die Behauptung des BfR, man müsse schon 1.000 Liter Bier trinken, um eine gefährliche Menge Glyphosat aufzunehmen, ist geschickte Öffentlichkeitsarbeit im Sinne der chemischen Industrie.“ Einzelne Brauereien hätten sich schon gemeldet und wollen beim Kauf der Braugerste künftig genauer auf Rückstandswerte achten.

Fazit

In der Kakophonie der Gutachten und Gegengutachten gibt es keine Lösungen mehr. Die „Grenzwerterei“ bietet immer Spielraum, das bessere vom Besten zu unterscheiden. Die Politik macht sich mit der Niedrigstsetzung von Trinkwassergrenzwerten fahrlässig schuldig, nicht einzuhaltende Erwartungen zu wecken – die konventionelle Landwirtschaft diskutiert Alternativen zu Glyphosat durch Ausweitung von Fruchtfolgen, Zwischenfruchtanbau und Einsatz des Pfluges nur in der eigenen Fachpresse. Solange Kontroversen wie am gestrigen „Glyphosat-Tag“ ausgetragen werden, gibt es genau zwei Verlierer: Die Bauern und die Verbraucher.

Lesestoff:

[1] Mavero T.: Wie Sie Bier selbst brauen, ebook ISBN 9783737555241

[2] EFSA macht bei Glyphosat nicht schlauer

Roland Krieg

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