„Green in“ statt „Black out“

Landwirtschaft

Die Plattform zur Energiewende

Wind, Wasser, Sonne, Erdwärme und Biomasse sind die Energieträger der Zukunft. Die Energiewende will fossile Energieträger mit zweifelhaftem Ausstoß an Treibhausgasen und das Atom mit seinen unkalkulierbaren Risiken durch das ersetzen, was nahezu unendlich zur Verfügung steht oder auf dem Acker jederzeit wieder nachwachsen kann. Aber damit fangen auch die Probleme an: Industrie und Wohlstand haben sich rund 100 Jahre lang auf fossile Energieträger ausgerichtet, die Technik hat sich auf Erdölderivate spezialisiert, der Wind weht nicht immer dort, wo seine Kraft gebraucht wird und wenn die Landwirte Strom und Wärme auf dem Feld produzieren, fehlt es an dezentraler Infrastruktur.


Der aktuelle Zwischenstand im Jahr 2011 des Bundesumweltministeriums weist den erneuerbaren Energien einen Anteil am Strom in Höhe von 20 Prozent, bei der Wärmebereitstellung von zehn Prozent und von fünf Prozent am Kraftstoffmarkt zu. Die „Erneuerbaren“ erreichen 12 Prozent am Endenergieverbrauch und 10 Prozent am Primärenergieverbrauch. Das ist nur ein Zwischenschritt. Die nächste markante Etappe muss im Jahr 2022 erreicht werden, wenn das letzte Atomkraftwerk abgeschaltet wird. Dann müssen die erneuerbaren Energien 24 Prozent Grundlastenergie in Deutschland stemmen. „Ballungsraumnah“, ergänzt Prof. Klaus Töpfer, Exekutivdirektor des „Institute for Advanced Sustainability Studies“ (IASS) am Mittwoch in Berlin.
Die „Energiewende“ ist nicht neu, so Töpfer, denn an den Ausstieg aus der Atomenergie dachte man bereits 1986 nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl und erneut bei der ersten AKW-Abschaltung im Jahr 2001. Dennoch zwingt die Kürze der Zeit zu einem ehrgeizigen Handeln.

„Gemeinschaftswerk zerfasert“

Im Jahr 2011 hat die Ethikkommission „Sichere Energieversorgung“ den Weg für die Wende in Deutschland aufgeschrieben. Es geht, so Töpfer, um eine sichere Energiewende, um „einen Ausstieg ohne die Gefahr des Black outs!“. Tenor des Berichts ist die Erkenntnis, dass die Wende ein Gemeinschaftwerk ist, auf das die Welt blickt, um das Ergebnis auch zu übernehmen. Doch neun Monate nach erscheinen des Berichts „stottert der Motor der Umsetzung“, so Töpfer.
Die Bundesregierung folge nicht dem Bericht, erläuterte Dr. Günther Bachmann, Generalsekretär des Rates für Nachhaltige Entwicklung. Der Bericht sieht beim Umstieg aus der Atomenergie ein schrittweises Substituieren mit einem Atomkraftwerk pro Jahr vor. Die Bundesregierung jedoch hat daraus einen „Wasserfall“ gemacht. Über einen langen Zeitraum hinweg werden nur drei, dann kurz vor Ende der Laufzeit gleich sechs Akw abgeschaltet. Das sei „kein guter, eher ein verquerer Weg“, so Bachmann. Er forderte dazu auf, aus dem ehemaligen Kampfthema ein Gemeinschaftswerk zu machen, sieht aber angesichts der aktuellen Diskussionen um die Solarförderung einen Rückfall in „alte Verhaltensmuster“. Die einen kürzen, die anderen beschweren sich.
Was fehle sind Visionen. Wie vertrage sich beispielsweise der Aufbau von Stromübertragungsnetzen mit dem kommunalen Weg der Energieautarkie?

Ein koordinierendes Energieministerium

Hans-Joachim Reck, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), sagte sogar, dass neun Monate nach dem Kommissions-Bericht „nichts Hand und Fuß hat.“ Der Bericht sei vor allem für die Kommunen ein Schlüsseldokument. Die Vielfalt der kommunalen Energiewege finde sich dort niedergeschrieben. Politische Rahmenbedingungen müssten so gestaltet sein, dass die Kommunen individuell ihre Energieziele verfolgen könnten. Doch das Gegenteil sei der Fall. Die Kommunen stellen der Bevölkerung rund 50 Prozent Strom und Gas bereit, erzeugen jedoch selber nur zehn Prozent der Gesamtenergie. Reck kritisierte, dass die Bundesregierung beim Appell an die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Energiemarkt die Kommunen vergessen habe. Der VKU will in den nächsten zehn Jahren seinen Anteil an der Stromproduktion auf 20 Prozent verdoppeln und brauche daher Rahmenbedingungen, die den Kommunen helfen. So wie ein Energieministerium, sagte er zu Herd-und-Hof.de.

Das Gesamtbild

Olaf Tschimpke, Präsident des Naturschutzbundes, unterstützt die These vom Gemeinschaftswerk. Die Windräder in Niedersachsen seinen nach Bergrecht ohne Bürgerbeteiligung „wie im Mittelalter“ gebaut worden. Dezentralität bedeute jedoch auch Bürgerbeteiligung. Dann finde sich auch ein Kompromiss zwischen Überlandleitung und Feldhamster.
Die Bürger wollen heute wissen, woher ihr Strom kommt, sagte Alois Glück aus dem Zentralrat der deutschen Katholiken. Die Beteiligung der Bürger setze Datenoffenheit voraus. Und: für die Energiewende reicht es nicht aus, gegen Atomkraft zu sein. Das sei langfristig nicht tragfähig. Was das Gemeinschaftwerk brauche sei ein positives Leitbild, um die Menschen bei der Wende mitzunehmen.

Finanzierung

Die Finanzierung der Energiewende soll aus dem Energie- und Klimafonds kommen, dem nachgesagt wird, dass er zur Hälfte unterfinanziert sei. Eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums verwies am Mittwoch auf einen Bericht, der derzeit im Haushaltsausschuss liegt. Der Stand sei, „dass die Fördermaßnahmen, die da vorgesehen sind, auch durchfinanziert sind und dass genügend Mittel zu Verfügung stehen.“ Allerdings geht das Ministerium derzeit von einem Preis in Höhe von 7,50 Euro je CO2-Zertifikat aus. Geplant hatte die Bundesregierung mit einem Preis von 17 Euro.

Plattform Energiewende

Um die ausfasernden Enden wieder zu einem Gemeinschaftswerk zu knüpfen wurde gestern im Rahmen des IASS die Forschungsinitiative „Plattform Energiewende“ gegründet. Als „Transdisciplinary Panel on Energy Change“ (TPEC) wollen die Akteure die Energiewende begleiten, erläuterte Projektleiterin Dr. Kathrin Goldammer. Man wolle den „gesellschaftlichen Moment“ aufgreifen, die zentralen Akteure einbinden und Positionen zusammenführen. Über Indikatoren wie Versorgungssicherheit, Klima- und Umweltschutz oder Wirtschaftlichkeit soll TPEC die „Energiewende sichtbar machen“ und ihr Fortschreiten dokumentieren. Als erstes eigenes Thema geht es um die Preisbildung am Strommarkt und um Vorschläge, welche Marktsysteme in Deutschland zukunftsfähig sind.

Kommunale Wertschöpfung

Mitte Februar hat die Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) einen Wertschöpfungsrechner für Kommunen vorgestellt. Geschäftsführer Philipp Vohrer. „Wenn beispielsweise Landwirte mit der örtlichen Volksbank in eine Biogasanlage investieren, die ein Ingenieurbüro aus der Gemeinde entwickelt hat, so bleibt die Wertschöpfung vor Ort in der Kommune.“ Der Anteil der Biomasse zeigt, dass die Bauern einen wesentlichen Anteil im Gemeinschaftswerk einnehmen.


Gemeinschaftlich? Nur Bauern und Kommunen

Die „Plattform Energiewende“ kann gleich „in medias res“ gehen. Die deutsche Wirtschaft hat diese Woche im Wirtschaftsausschuss gezeigt, was sie unter gemeinschaftlicher Energiewende versteht. Zum einen hat der Bundesverband der Deutschen Industrie „absolute Energiesparziele“ abgelehnt, „da diese nicht mit dem zyklischen Konjunkturverlauf zu vereinbaren sind“. Solche Ziele gingen zu Lasten der Wirtschaftskraft europäischer Unternehmen.
Zum anderen hat die Bundesregierung im gleichen Ausschuss die Übernahme von Exportkrediten für den Bau des dritten Blocks des brasilianischen Kernkraftwerks Angra 3 mit den Worten verteidigt: „Die von der Bundesregierung beschlossene Energiewende betrifft die Stromerzeugung im Inland.“ Andere Länder könnten einen anderen Energiemix wählen.
Lediglich die Bauern arbeiten kräftig an der Energiewende mit. Neben Maschinen gehören immer noch Investitionen in erneuerbare Energien zu den Wirtschaftsplänen 2012 der Landwirte, wie der Deutsche Bauernverband diese Woche auf der Finanztagung verlauten ließ.

Lesestoff:

www.iass-potsdam.de

Den Bericht der Ethikkommission finden Sie unter www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2011/05/2011-05-30-bericht-ethikkommission.html

Den Wertschöpfungsrechner finden Sie unter www.kommunal-erneuerbar.de/de/kommunale-wertschoepfung/rechner.html

Teil II: Was überwiegt: Die energetishe oder stoffliche Nutzung der Biomasse?

Roland Krieg; Fotos: roRo; Grafiken: BMU und AEE

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