Greenpeace-Abfrage zu Billigfleisch

Landwirtschaft

Was die Greenpeace-Abfrage zeigt und was nicht

Der Samstag ist günstig. Noch immer kaufen Verbraucher am Samstag ihre Lebensmittel am liebsten ein. Da sind sie am besten zu erreichen. So hat Greenpeace seinen Bericht über Billigfleisch zeitgenau platziert und in 55 Städten mit einem bundesweiten Aktionstag zur öffentlichen Sortimentsrecherche auch die meisten Kunden erreicht.

Der Samstag ist auch günstig, um die Medien zu überraschen. Meist sind die Redaktionen nur mit einem Wochenenddienst besetzt und die Einordnung fällt schwerer als sonst.

Die Sortimentsanalyse

Die Hamburger Verbraucher- und Umweltorganisation hat den konventionellen Lebensmittelhandel (LEH) im Oktober 2019 schriftlich über die Herkunft und über Zukunftspläne seines Frischfleisches bei Eigenmarken befragt. Aus den Angaben hat Greenpeace einen Index berechnet, der die Summe aus Tier- und Umweltschutz widergibt. Grundlage ist die im letzten Jahr vom LEH eingeführte freiwillige Kennzeichnung der Haltungsform mit den Stufen 1 bis 4. Die Stufe „1“ entspricht dem gesetzlichen Standard im Stall, die „Stufe „4“ einem mit Ökostandards vergleichbaren Premiumwert.

Stufe „4“ wurde als Referenzwert gesetzt und hätte bei hundertprozentiger Einhaltung bei Schweine-, Rind- und Geflügelfleisch 1.000 Punkte bekommen. Diesen Höchstwert hätte beispielsweise Rindfleisch aus ökologisch ganzjährig angebundener Milchviehhaltung nicht erhalten. Gelbgrün wird die Bewertungsabfrage immerhin schon bei 201 Punkten. Da kommt Kaufland mit 179,2 Punkten zwar nahe ran, ist aber weit vom Maximum entfernt.

„Billigfleisch statt Tierschutz“ lautet die Aktion, die nicht wirklich überrascht. Pute und Hähnchen steigen im LEH schon mit Stufe zwei ein. Rind und Schwein sind überwiegend in der ersten Stufe sortiert. Ausgerechnet die Lebensmittel-Liebhaber zu keiner Antwort bereit gewesen. Das Real nicht geantwortet hat, liegt an seiner fragilen Existenz. Die Metro will den Vollsortimenter los werden. Rewe und Edeka hatten sich schon die Standorte aufgeteilt, bis die Metro doch noch einen anderen Investor aus dem Hut zauberte. Real wartet nur noch auf den Schlussgong.

Forderungen ohne Konzept

Bei der Billigschiene haben sich Verarbeiter und Händler in eine gegenseitige Abhängigkeit gedrängelt [1]. Nur die industrielle Verarbeitung mit niedrigen Stückkosten verschafft dem Handel seine Angebotsware. Ohne die Billigware werden die Schlachter ihre Produktionsmengen nicht mehr los. Wie ist dieser Mengenfluss bei gleich hoher Nachfrage umzulenken?

Greenpeace fordert die Einstellung von Werbung für Billigfleisch. Der Handel müsse langfristige Verträge mit bäuerlichen Betrieben eingehen und die Aufstockung der Haltung auf die Stufen drei und vier forcieren. Zur Internationalen Grünen Woche machte der Begriff Dumpingpreis die Runde, ohne dass dieser genau definiert ist. das Bundeskartellamt geht von einem Einstandspreis als Listenpreis ohne Mehrwertsteuer aus. Dieser Preis kann je nach Organisationsform unterschiedlich sein. Immerhin dürfen Lebensmittel nur in zwei begrenzten Fällen unterhalb des Einstandspreises verkauft werden: Wenn ein Verderb wegen droht oder Produkte an gemeinnützige Einrichtungen abgegeben werden.

Die von Greenpeace gewünschte direkte Verbindung zwischen Handel und Bauern ist mit dem Wachstum des Ökolandbaus allerdings auch im Ökobereich nicht schwindelfrei [2]. Die Gretchenfrage löst auch Greenpeace nicht: Wer finanziert das Tierwohl? [3] Es gibt im konventionellen Markt lediglich ein Konzept, dass Erzeuger bis zum Handel preislich einbindet: Die Brancheninitiative Tierwohl (ITW), die sich im Markt zurechtgeruckelt hat und ab 2021 die dritte Förderperiode startet. Dabei hat sich die ITW von der Umlagefinanzierung verabschiedet und stellte auf der Internationalen Grünen Woche das neue Konzept vor. Ab 2021 zahlen Schlachtunternehmer zusätzlich zum Marktpreis den teilnehmenden Landwirten 5,28 Euro pro Mastschwein. Als Lieferant für den Handel einigen sie sich dann mit dem LEH auf bilaterale Aufschläge. Der von den Schlachtern bezahlte „Tierwohlaufpreis“ orientiert sich an den durchschnittlichen Kosten und wird bei Bedarf angepasst.

Dem Vernehmen nach sind Mäster für diesen Aufschlag bereit bei der ITW zu bleiben oder neu mitzumachen. Im Vorfeld der Grünen Woche wurde in den sozialen Netzwerken ein Mindestpreis von 5,20 pro Schwein genannt.

Von dieser Lösung sind aktuelle konventionelle und geplante Programme weit entfernt. Bei Greenpeace kann das ITW-Fleisch dennoch nicht punkten, weil die ersten beiden Haltungsstufen von Greenpeace überhaupt nicht akzeptiert werden.

Wer investiert noch in Schweine?

Die Schweinehaltung ist arbeitsteilig hoch professionalisiert auf einen steten Mengenfluss organisiert. Bei den geringen Margen sind hohe Investitionen in artgerechte Ställe schon generell fragwürdig. Und was passiert, wo die Afrikanische Schweinepest (ASP) an der Oder, kurz vor Berlin angekommen ist? Die Börse signalisiert am besten, wie es dem Markt geht. Während die Getreidepreise durch den früh einsetzenden Export einen Frühling erleben, passiert auf dem Futtergetreidemarkt kaum etwas. Warum sollen sich Mischfutterhersteller mit Futtergetreide eindecken, wenn sie die Ware bei einem ASP-Ausbruch in Deutschland nicht mehr loswerden? Seit Dezember sind die Anzeichen zu beobachten.

Was ist verfassungswidrig?

Zumeist schlängelt Greenpeace sich mit dem Begriff „schlechte Haltung“ in die subjektive Bewertung der Haltungsformen hinein. Verletzte und tote Tiere im Stall, Ferkel, die mit einem Schlag auf den Betonboden getötet werden, die Liste an Verfehlungen ist lang. Veterinäre sind überfordert, finden in den Amtsstuben oftmals keinen Ansprechpartner für weitere Sanktionen. Die Branchenausrede, es seien nur Einzelbeispiele wirkt in der Aneinanderreihung von Einzelbeispielen müde und einfallslos. Tierrechtler machen zwischen konventionell und ökologisch längst  keinen Unterschied mehr und decken Verfehlungen auf allen Kanälen auf. Ein Berufsverbot wird nur selten ausgesprochen.  

Vor diesem Hintergrund ist es leicht, an einem Punkt des Greenpeace-Berichtes in der Schweinehaltung einen „Verstoß gegen das Tierschutzrecht und damit gegen die Verfassung“ zu sehen. Greenpeace verweist auf ein Rechtsgutachten, das bei Mastschweinen Verstöße gegen § 2 Nr. 1 und 2 des Tierschutzgesetzes darlegt.

Auf Nachfrage von Herd-und-Hof.de, welche Haltung, auch in Teilen, bei welchen Nutztieren aktuell rechtswidrig ist, bleibt Autorin Stephanie Töwe im Konjunktiv: „Bei Schweinen klärt unser Rechtsgutachten ganz gut darüber auf, warum die aktuelle Nutzierhaltungsverordnung das Tierschutzgesetz und damit den in der Verfassung verankerten Grundsatz Tierschutz nicht umsetzt. Dort wird auch ein Kapital der Haltungsform 2 bzw. der Initiative Tierwohl gewidmet und erläutert, warum auch diese Haltungsform weiterhin tierschutzwidrig wäre. Diese Gutachten sowie ein weiteres von Vier Pfoten zur Sauenhaltung haben dazu geführt, dass das Land Berlin im Januar 2019 Normenkontrollklage vorm Bundesverfassungsgericht eingereicht hat.“

Mangelhafte Haltung verursacht negative Auswirkungen auf verschiedene Nutztiere. Töwe verweist auf die Datenlage des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL). Doch leider muss genau differenziert werden.

Ein Rechtsgutachten ist kein Urteil, die Normenkontrollklage noch nicht entschieden. Es gelten die vorliegenden Gesetze. Das bestätigt eine Sprecherin des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft gegenüber Herd-und-Hof.de: „Nutztiere müssen in Deutschland gemäß der geltenden rechtlichen Regelungen gehalten werden. Verstößt ein Tierhalter im Einzelfall gegen die rechtlichen Regelungen, sind die für die Umsetzung des geltenden Tierschutzrechts zuständigen Behörden mit Sanktionsmöglichkeiten ausgestattet, um diese Verstöße gegen Tierschutzvorschriften zu ahnden. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ist nicht der Auffassung, dass Tierhaltungen, die sich an das geltende Recht halten, tierschutzwidrig sind. Insofern wird die Meinung der von Greenpeace zitierten Gutachter nicht geteilt.“

Der feine Unterschied

Die Feinheiten sind für den richtigen Lösungsansatz entscheidend. Es gibt so viele verschiedene Label in Deutschland, dass Verbraucher sich kaum noch zurechtfinden. Einen zusätzlichen Platz von beispielsweise 0,5 Quadratmeter pro Schwein können die wenigsten ohne Metermaß in der Luft beschreiben. Ein Parameter wie m2/100 kg Lebendgewicht ist zu bürokratisch, als das er verstanden wird. Im Konsumentenalltag entscheidet Stroh darüber, ob es einem Schwein gut oder schlecht geht. Das Schweine nicht schwitzen und im Sommer am liebsten auf kühlem Beton liegen ist für die Konsumentenwelt schon zu tiefgründig?

Daher macht es keinen Sinn, neue Tierwohlkennzeichen in das Mosaik einzufügen und damit die Gesetzesgrundlage zu entwerten. Landwirte, die sich streng an die vorliegenden Gesetze halten, sind die Dummen und erzeugen Milch und Fleisch ohne Wert? In der nach oben offenen Skala der artgerechten Tierhaltung zerbröselt der Konsens des Gesetzrahmens und setzt Nutztierhalter unterhalb des Ideals immer wieder Kritiken aus. Das widerspricht sowohl dem inländischem als auch dem EU-Binnenmarkt und macht vergleichbare globale Standards unmöglich.

Wenn Gesetze als nicht mehr ausreichend angesehen werden, müssen sie geändert werden. Sie verbessern sich nicht durch eine Vielzahl freiwilliger Lösungen. Insofern hat Greenpeace mit dem Bericht den Finger in eine tiefe Wunde eines Zielkonfliktes gelegt.

Lesestoff:

Den Bericht finden Sie unter www.greenpeace.de/abfrage-billigfleisch

[1] Wie billig ist Fleisch in Deutschland? https://herd-und-hof.de/ernaehrung-/wie-billig-ist-fleisch-wirklich.html

[2] Vermarkter haben Marktangst bei Umstellern: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/sorgen-um-den-markt-fuer-bio-schweine.html

[3] MwSt., Sondersteuer oder Umlage?: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/wer-finanziert-die-tierhaltung.html

Roland Krieg

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