„Grete“ sorgt für schlechte Laune

Landwirtschaft

Verzögerter Erntebeginn

> Wie zuletzt der Gewittersturm "Grete" hat das Wetter der letzten Wochen nicht nur die Laune der Sonnenbadenden verdorben, sondern auch für einen verzögerten Erntebeginn gesorgt, wie der Deutsche Bauernverband (DBV) in seinem ersten Erntebericht darlegt.

Den Anfang macht die Wintergerste
Der bisher kühle und feuchte Juli hat den Beginn der Getreideernte in Deutschland um bis zu zwei Wochen verzögert. Nur in einigen traditionellen Frühdruschregionen Süddeutschlands sowie Brandenburgs wurden größere Mengen Wintergerste und Sommergerste geerntet. In den meisten Regionen Deutschlands sind weniger als 25 Prozent der Gerstenfläche abgeerntet worden. Die bisherigen Ernteerwartungen, die von einer neuen Rekordernte ausgegangen waren, dürften sich aufgrund der Niederschläge im Juli nicht bestätigen. Zurzeit ist die Ernte wegen der Niederschlagsfronten fast überall ins Stocken geraten.

Erste Bilanz
Auf den wenigen vollständig abgeernteten Gerstenfeldern sind in der Tendenz immerhin durchschnittliche Erntemengen herangewachsen. Aus allen Regionen wurden gegenüber der dürrebedingten katastrophalen Vorjahresernte deutlich bessere Ergebnisse gemeldet. Besonders die Wintergerste auf leichten Standorten hat von den vergleichsweise höheren Juni-Niederschlägen profitiert; dort wurden 10 bis 50 Prozent höhere Erträge als im Dürrejahr 2003 geerntet. Waren Ende Juni die Niederschläge auf Grund des erheblichen Wasserdefizits im Boden unbedingt erwünscht, behindern zur Zeit die zu geringen Sonnenscheinstunden die Kornausbildung in abreifenden Getreidebeständen. Der Weizen, der mit ca. 3,1 Millionen Hektar ca. 56 Prozent den größten Anteil des Getreidebaus in Deutschland ausmacht, reift bei dem aktuellen Juliwetter nicht unter optimalen Bedingungen ab. Er benötigt zur optimalen Kornfüllung eine lange Sonnenscheindauer.

Große Hagelschäden in Süddeutschland
Die Gewitter mit Hagel der vergangenen Woche haben in einigen Regionen zu Hagelschäden geführt. Verheerende Unwetter werden aus Baden-Württemberg, vor allem Südbaden, berichtet, wo auf über 25.000 Hektar Gemüse-, Tabak-, Mais-, Zuckerrüben-, Obst- und Weinkulturen teilweise völlig zerstört wurden. Mit jedem Gewitter steigt in der jetzigen Vegetationsphase generell das Ertragsrisiko. Beim druschreifen Raps wird beispielsweise in Nordrhein-Westfalen von aufplatzenden Schoten berichtet, was zu höheren Ernteverlusten führt.

Schlechtes Wetter, steigende Preise?
Die Verzögerung der Ernte kann zu ansteigenden Preisen führen, da die Lagerbestände der Verarbeiter gering sind, so der DBV. So wird bei Roggen zur Versorgung der Mühlen erwogen, 2.000 Tonnen aus den Interventionsbeständen freizugeben, da die derzeit verfügbaren geringen Erntemengen den Bedarf nicht decken. Es zeigt sich, welche Folgen das Dürrejahr 2003 hinterlassen hat und wie notwendig ein deutlich höheres Ernteergebnis in diesem Jahr wäre, damit die Versorgung von Mühlen und Mischfutterwerken gesichert werden kann. Die niedersächsischen Mischfutterhersteller bieten zurzeit für Wintergerste bis zu 105 Euro pro Tonne. Normalerweise liegt der Preis bei 80 bis 95 Euro je Tonne. Das dadurch der Preis für Brötchen steigt, ist auf gar keinen Fall gesagt: Der Wertanteil des standardmäßig verarbeiteten Weizenmehls (Typ 550) an einem Weizenbrötchen liegt bei 0,8 Cent, so die Landwirtschaftskammer Rheinland. Erst eine Verdoppelung des Mehlpreises hätte eine Preissteigerung von 1 Cent zur Folge. Wenn es stimmen würde, so die Kammer weiter, dass der Brötchenpreis direkt vom Weizenpreis abhängig sei, müssten die Brötchen in den vergangenen Jahren ständig billiger geworden sein. Bekamen die Landwirte noch 1982 24 Euro für 100 kg Weizen, so fiel der Preis heute kontinuierlich auf 10 Euro. Dass die Brötchenpreise in dem gleichen Zeitraum dennoch gestiegen seien, könne, mutmaßen die Experten, nur an anderen Faktoren liegen: z. B. an gestiegenen Lohn- und Energiekosten.

Länderüberblick
In den traditionellen Frühdruschregionen von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg wurden bisher 50 Prozent der Wintergerstenfläche abgeerntet. Gegenüber dem Vorjahr liegen die Erträge im Durchschnitt 25 Prozent höher und bewegen bei guter Qualität sich auf einem Niveau von 60 bis 75 Dezitonnen/Hektar. Vereinzelt wurde in diesen Regionen Sommergerste geerntet, bei der sich bisher ein durchschnittliches Ernteergebnis eingestellt hat.
In Bayern wurden bisher 20 bis 30 Prozent der Wintergerstenflächen abgeerntet. Bei den derzeit zu niedrigen Marktpreisen sind die Getreidebauern zurückhaltend mit Verkäufen an den Handel. Das Ernteergebnis bewegt sich auf gutem Durchschnittsniveau mit einem Gewicht von 65 Kilogramm je Hektoliter.
In Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein ist die Ernte noch nicht in Gang gekommen. Bis auf einige Probedruschergebnisse liegen keine repräsentativen Werte vor.
In den neuen Bundesländern ist die Getreideernte in Brandenburg bereits auf 65 Prozent der Flächen abgeschlossen. Auch hier bewegt sich die Gerste auf einem über dem Durchschnitt liegenden Niveau. Die Hektarerträge werden in einer Spanne von 40 bis 60 Dezitonnen/Hektar angegeben. Vereinzelt wurde Winterraps gedroschen, dessen Ertragsniveau bei 30 dt/ha lag.
Auch in Mecklenburg ist die Gerstenernte zögerlich vorangeschritten. Wie in Sachsen-Anhalt werden bereits 25 Prozent der Flächen geerntet. Die Preise bewegen sich auf einem Niveau von 100 Euro/Tonne für interventionsfähige Gerste. In Thüringen und Sachsen hat die Ernte erst begonnen. Die Erträge bewegen sich auf dem Niveau des vergangenen Jahres.

Bauernwünsche
Die Bauern in Nordrhein-Westfalen brauchen jetzt dringend anhaltend warmes und trockenes Wetter. Die Aussichten für die Getreideernte sind zwar nach wie vor nicht schlecht, die Chancen, den Erntesegen trocken unter Dach und Fach zu bringen, werden aber mit jedem Regentag schlechter. Regen, vor allem in Verbindung mit Sturm, lässt die reifen Getreidepflanzen vielerorts umknicken, was nicht nur die Ernte erschwert, sondern auch zu Qualitätsverlusten führt. Hohe Trocknungskosten bei der Ernte unter feuchten Bedingungen können den Landwirten schnell einen Strich durch die Rechnung machen. Mit jedem weiteren Regentag werden deshalb die Gesichter der Bauern länger und die Aussichten auf eine auch wirtschaftlich zufrieden stellende Getreideernte schlechter.

VLE

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