Großflächiger Landerwerb
Landwirtschaft
GIGA-Studie zum Land Grabbing
Am Donnerstagabend hat das German Institute of Global and Area Studies (GIGA) in Berlin die Ergebnisse aus einer Forschungsarbeit zur großflächigen Landnahme in Afrika südlich der Sahara vorgestellt. Hinter dem Begriff steckt das medial griffigere Wort Land Grabbing, das die Wissenschaftler durchaus zu vermeiden wussten. Das Thema, das auch in Afrika bei den Kleinbauern für Unmut sorgt, hat an Differenzierung gewonnen.
Land Rush
Nach Junior-Professor Dr. Jann Lay vom GIGA-Institut für
Lateinamerika-Studien an der Universität Göttingen ist der Land Rush real und
konzentriert sich auf das Afrika südlich der Sahara. Er tritt dort auf, wo
schwache Bodenverwaltungssysteme vorhanden sind. Die Landnahme konkurriert mit
den Kleinbauern und kann negative Auswirkungen haben.
In Sambia ist die Verpachtung von Land klar rechtlich
geregelt. Der Investor muss mit dem Chief verhandeln, Der führt Konsultationen
mit den Kleinbauern durch und gibt eine Empfehlung weiter, die insgesamt drei
Stufen bis zum Gebietsverwalter bestätigt werden muss. Darin eingeschlossen ist
die Prüfung auf Nutzungskonkurrenzen zu den lokalen Bauern. Als Staatsland wird
es dann an den Investor verpachtet. Nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung
und einem Monitoringplan.
Aber, so Dr. Lay, in der Realität fehlen die
Konsultation mit den Kleinbauern, die Umweltverträglichkeitsprüfung und das
Monitoring. Da liege das Versagen klar bei den lokalen Behörden.
Nur wenig Landdeals sind in Produktion
Die Internetseite Land Matrix führt eine Datenbank über
großflächige Landnahmen [1]. Die Seite wird am kommenden Montag neu aufgestellt
und die Datenbank auch um gescheiterte Verhandlungen erweitert. Die neuesten
Zahlen weisen rund 32 Millionen Hektar Land weltweit als an Großinvestoren
verpachtet aus. Doch nur 1,7 Millionen Hektar befinden sich auch tatsächlich in
der Produktion. 50 Verhandlungen gelten derzeit als gescheitert. Bei 38 werden
die Verhandlungen abgebrochen und in 12 Fällen wurden die Verträge wieder
gekündigt.
Eine abschließende Bewertung der vorliegenden Fälle
steht noch aus, weil die produktiven Verträge nur wenige Jahre alt sind. Als
Primäreffekt der Verhandlungen treten fehlende Partizipation und Kompensation
der Kleinbauern auf. Als Sekundäreffekt könnten Infrastruktur und sinkende
Bodenfruchtbarkeit auftreten.
Sambia
Vor Ort hat Kerstin Nolte mit Interviews die Studie durchgeführt. Sambia hat mit seiner Bodenreform im Jahr 1995 erst die Möglichkeit für ausländische Investoren geschaffen, Land zu pachten. Die Regelegungen sind jedoch rechtlich schwach ausgelegt und lassen Lücken für Ermessungsspielräume. Den Investoren und Behörden stehen die Kleinbauern in einem asymmetrischen Verhältnis gegenüber. Doch wo Investoren sich an Umwelt- und soziale Arbeitsverhältnisse halten, treten auch positive Entwicklungseffekte auf. Selbst ein Investment kann sowohl positive als auch negative Effekte hervorrufen, so ein Fazit der Studie. Um die Situation zu verbessern schlägt Nolte ein Landkataster und Einhaltung der Rechte vor.
Geteilte Verantwortlichkeiten
Für Umweltethiker Dr. Konrad Ott von der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ist die moralische und ethische Bewertung
nicht einfach. Die Vereinbarungen sind oftmals kulturübergeifend und vermischen
arabische, afrikanische und westliche Wertvorstellungen. Es sei zu einfach,
dass „westliche Weiße“ bei diesen Deals über „westliche Weiße“ werten. Eine abschließende
Bewertung müsse sich vom Europazentrismus lösen.
Neben Nachhaltigkeit und Menschenrechte gibt es noch
ein Drittes Bewertungsfeld für Dr. Ott: Die Hintergrundgerechtigkeit. Teilhabe
an dem Prozess, Stärkung der Verhandlungsmacht der Kleinbauern oder die
Umsetzung freiwilliger Leitlinien in Rechte stehe eindeutig in der Verantwortlichkeit
der lokalen Regierungen. Die Länder sind als souveräne Staaten selbst für das
Wohl ihrer Bevölkerung zuständig.
Daher verbiete sich ein einfaches moralisches Urteil.
Unter bestimmten Bedingungen kann so ein Vertrag positive Entwicklungseffekte
aufweisen. Vertragslandwirtschaft kann nach Dr. Ott die lokalen Bauern gut einbinden.
Vor einem Jahr hat die FAO freiwillige Leitlinien für
eine gerechte Landverteilung verabschieden können. Wichtiger sei eine
Transformation in nationales Recht, aber sie sind für Dr. Ott ein erster
wichtiger Schritt. Dr. Lay ist skeptisch. Gerade weil sie freiwillig sind,
werden sie nur von den Ländern unterzeichnet, die sie auch einhalten.
Lesestoff:
Kerstin Nolte: Large-Scale Agricultural Investments under Poor Land Governance Systems: Actors and Institutions in the Case of Zambia, April 2013, Giga Working Papers No 221; www.giga-hamburg.de -> workingpapers
Roland Krieg