Grüne Agrarpolitik nur für den Westen?
Landwirtschaft
Grüne Agrarminister legen Aktionsplan vor
Nach zähen Verhandlungen in Brüssel hat die EU einen Vorschlag zur Gemeinsamen Agrarpolitik gemacht, der in Gänze national umgesetzt und in Teilen, wie Kappung und Degression, noch festgelegt werden muss. Das ist der Hauptpunkt der Agrarministerkonferenz (AMK) in der nächsten Woche, die in Würzburg stattfinden wird. Die Ost-Agrarminister haben sich vor zwei Wochen bereits abgestimmt [1] und sind mit dem Aigner-Vorschlag zufrieden, der zu Beginn der Sommerpause vorgelegt wurde [2]. Am Donnerstag haben die fünf grünen Agrarressorts aus Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Schleswig-Holstein ihr Zehn-Punkte-Konzept für den nationalen Ausgestaltungsrahmen vorgestellt.
SPD-Landwirtschaft Ost und West die Zünglein an der Waage?
Zum einen bekannte Ulrike Höfken (Rheinland-Pfalz), dass die Punkte nicht neu sind. Sie entsprechen den grünen Forderungen während der Entscheidungsphase in Brüssel und den bisherigen Anträgen und Protokollerklärungen der letzten Agrarministerkonferenzen. Zum anderen aber hat sich diese Koalition mitten in das Scheinwerferlicht gerückt.
Natürlich haben die Minister eine Stimme auf der AMK. Auf der abschließenden Pressekonferenz sind sie aber nicht vertreten. Dort sitzen neben dem einladenden Minister des jeweiligen Bundeslandes – in diesem Jahr Bayern - und der Ressortchefin auf Bundesebene nur noch die Vertreter der A- und B-Länder. Die A-Länder sind die mit SPD-Ministerpräsidenten und die B-Länder mit einem von der CDU/CSU.
Bis auf Baden-Württemberg sind alle grünen Ministerien an roten Ministerpräsidenten angeschlossen. Halten sie keine eigenständigen Veranstaltungen ab, tritt die grüne Agrarpolitik nur innerhalb der rot-grünen Landeskoalitionen auf. Was eigentlich kein Problem ist. Denn, so erklärte Cristian Meyer (Niedersachsen), die Politiken und damit die aktuellen Forderungen sind mit dem Koalitionspartner abgestimmt und immer wieder Thema in den Landtagen.
Aber: Es gibt zwei SPD-geführte Agrarministerien in Ländern, bei denen die Grünen nur in der Opposition sitzen: Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Ausgerechnet zwei Länder, die mit der großflächigen Agrarstruktur eine andere Landwirtschaftsform vertreten und die sich auf der Ost-AMK zusammen, mit vor allem Sachsen-Anhalt, eine eigenständige Sichtweise auf ihre Agrarstruktur leisten. Meyer verweist zwar auf das SPD-Agrarprogramm, dass dem der Grünen ähnlich ist, doch auf Länderebene werden Dr. Till Backhaus (Mecklenburg-Vorpommern) und Jörg Vogelsänger (Brandenburg) keine Strukturreform einleiten und kleinbäuerliche Familienbetriebe einrichten [3].
Mit den Großstrukturen freunden sich die Grünen nicht an [4]. Das Aktionsprogramm stammt aus Bundesländern, die überwiegend noch von familiengeprägter Landwirtschaft geprägt sind. Auch in Niedersachsen. So trifft der Rückhalt für das grüne Aktionsprogramm zwar auf die westlichen Bundesländer zu. Die A-Phalanx gilt aber nicht mehr vorbehaltlos im Osten. Auch wenn Ulrike Höfken betonte, alle SPD-Länder hätten das gleiche Interesse.
Das Explosive an der Situation ist weniger, dass es parteipolitische Fronten im Bundestagswahlkampf sind, sondern grundlegende Haltungen, die sich parteiübergreifend in einer Ost- und Westlandwirtschaft positionieren.
Das kam am Donnerstag auch durch: Peter Knitsch, Staatssekretär im Agrarministerium Düsseldorf in Vertretung für Johannes Remmel, verwies auf die AMK in Würzburg: Da werde sich zeigen, wer was will. 13 Stimmen sind für einen Beschluss notwendig und die Grünen haben bereits fünf, so Knitsch. Dass der Konflikt nicht nur Wahlkampfgetöse ist, unterstrich Alexander Bonde (Baden-Württemberg). Die AMK orientiere sich nicht an einer Bundestagswahl, sondern entlang der Fachministerien.
Ob ein Beschluss in Würzburg zustande kommt, bleibt offen.
„Entsolidarisierung“
Als Reaktion auf das grüne Aktionsprogramm hat sich Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus auch bereits gemeldet: „Die Politik der Grünen Agrarminister birgt die Gefahr einer Entsolidarisierung mit den ostdeutschen Bundesländern.“ Die Umverteilungspläne und Kappungen bei den Großbetrieben sind aus Sicht des SPD-Politikers und Sprecher der A-Länder bei der AMK nicht hinzunehmen. Rund 200 Millionen Euro würden aus dem Bundesland in den Westen transferiert, rechnet er vor. Für das Geld könnten in dem unter demografischen Schwund leidenden Flächenland 400 Kindergärten und Schulen saniert werden.
Sehr strittig ist die Forderung nach Umschichtung der Mittel aus der ersten in die zweiten Säule, nachdem die Agrargelder insgesamt schon gekürzt wurden: „Erst nimmt man das Geld den Landwirten weg und im nächsten Schritt den ostdeutschen Ländern“, schimpft Backhaus. So könnten gleichwertige Lebensverhältnis in Deutschland nicht erreicht werden und die Schere zwischen Ost und West öffne sich weiter. Es müsse ein „gemeinsames Ziel“ sein, öffentliche Gelder für öffentliche Leistungen auszugeben“. Dazu gehören auch die großen Betriebe. Backhauswirft den Grünen vor: „Auf Kosten der Steuerzahler wollen sie Strukturen in der Landwirtschaft konservieren, die auf Dauer im europäischen und internationalen Maßstab nicht zukunftsfähig sind.“
„Weltfremd und demotivierend“
Dr. Helmut Born, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV), wertet das Aktionsprogramm als „weltfremd und demotivierend“. Die grünen Minister hätten sich von der nationalen Kompromisslinie zur GAP verabschiedet. „In der Konsequenz werden bewusst Keile zwischen Ackerbauern und Milchviehhalter, große und kleine Betriebe, ökologisch und konventionell wirtschaftende Betriebe, Landwirte in Ost- und Westdeutschland sowie Bauernfamilien in Berg- und Niederungsgebieten getrieben“, so Dr. Born weiter.
Das Zehn-Punkte-Programm
Für Peter Knitsch ist das „Greening“
das Herzstück der GAP. Es ist der Dreh- und Angelpunkt für mehr Umwelt-, Tier-
und Verbraucherschutz und der Hinführung zu einer Renaissance bäuerlichen
Landwirtschaft. Die letzten Jahre haben im Gegenteil zu immer größeren
Betrieben mit immer mehr Tieren und Sozialdumping in der Fleischwirtschaft
geführt. Die ökologische Vorrangfläche solle doch noch zu einem Anteil von
sieben Prozent geführt werden, ohne dass Dünger und Pflanzenschutzmittel
angewandt werden dürfen. Bei den ELER-Mittel solle eine schnellere Angleichung
zwischen den Bundesländern durchgeführt werden. Derzeit liegt die Spanne noch
zwischen 36 Euro je Hektar in NRW und 155
Euro in Sachsen.
Das Aigner-Papier hält
Christian Meyer für unzureichend und will die grünen Forderungen Punkt für
Punkt über die AMK in die Bundespolitik einbringen. Unter den Kürzungen leide
vor allem der ländliche Raum, der für Agrarumweltmaßnahmen und bei ökologisch
benachteiligten Gebieten besser ausgestattet werden muss. Die Mittel der
Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutz“
(GAK) soll um mindestens die gekürzte Summe von 100 Millionen Euro wieder
aufgestockt werden. Damit sollen Rückgänge der EU-Zahlungen aufgefangen werden.
Das Junglandwirteprogramm soll bis zur maximalen förderfähigen Fläche von 90
Hektar mit 50 Euro je Hektar voll ausgeschöpft werden. Das soll das Problem der
fehlenden Hofnachfolger mindern.
Alexander Bonde begründet die
spezielle Förderung der kleinen und mittleren Betriebe mit den besonderen
gesellschaftliche Leistungen und das sie nicht von den Kostendegressionen
großer Betriebe profitieren können. Das liege im besonderen gesellschaftlichen
Interesse. Rund 55.000 Betriebe in Deutschland kämen in den Genuss einer
vereinfachten Betriebsprämie von 1.250 Euro je Betrieb, ohne dass sie Cross
Compliance-Regeln dokumentieren müssen. Das reduziert den Bürokratieaufwand,
wobei Bonde betont, dass die fachlichen Kontrollen davon nicht ausgenommen sind.
Das gilt für alle Betriebe bis 46 Hektar, dem aktuellen Größendurchschnitt in
Deutschland.
Bei manchen Produkten plädiert
Ulrike Höfken für eine Rückkehr zur gekoppelten Zahlung. Die Entkopplung habe
sich grundsätzlich bewährt; aber bei Eiweißpflanzen sei sie sinnvoll, weil
Leguminosen in den letzten Jahren vernachlässigt wurden und sie Sojaimporte als
Futterpflanze ersetzen können. Auch die Schafhaltung sollte wieder gekoppelte Zahlungen
erhalten. Der Rückgang der Herden um 50 Prozent in den letzten 15 Jahren sei
hauptsächlich auf die Einführung der Entkoppelung zurückzuführen. Ebenso sollte
zum Erhalt der Landschaft und des ökologischen Nutzens die Alpwirtschaft in die
Koppelungen einbezogen werden.
Der Aktionsplan spiegelt die
Bemühungen des Europäischen Parlamentes wieder, ab der nächsten Woche die noch
offenen Fragen zu klären. Deshalb setzen sich die grünen Agrarressorts in
Deutschland nach wie vor für eine ökologische Vorrangfläche von sieben Prozent
je Betrieb ein, sagte Agrarstaatssekretär Dr. Ulf Kämpfer, der Robert Habeck aus
Schleswig-Holstein vertrat. Wichtig sei die angekündigte Halbzeitbewertung der
Reform, um zu überprüfen, ob bei der zweiten Säule des ländlichen Raums oder
der Aufgabe der Milchquote nicht doch noch gegengesteuert werden müsse.
Viele Gewinner und Verlierer
Nach Ulrike Höfken haben die ersten Berechnungen für die Umsetzung der GAP gezeigt, dass Gewinner und Verlierer der neuen GAP nicht einfach auszumachen sind. Das gehe durch alle Regionen und über alle Betriebsformen. So gelte Niedersachsen zwar als ein Verlierer durch die Entkoppelungen, aber nach Meyer auch wieder zu den Gewinnern, weil 86 Prozent der Betriebe in den Genuss der Sonderzahlungen für die ersten Hektare kämen.
Lesestoff:
[1] Ost-AMK
[2] Aigner-Konzept nach Brüssel-Entscheidung
[3] Auf dem Landesbauerntag in Mecklenburg-Vorpommern hat Dr. Backhaus einen Weg zu kleinen Landwirtschaftsstrukturen wie in Süddeutschland abgelehnt
[4] Keine Lust auf Großbetriebe. Die Grünen auf Werbetourin Brandenburg
Landtagswahl in Hessen: Derzeit gibt es in den Umfragewerten keine Mehrheit für rot-grün in Berlin. Selbst eine große Koalition scheint nicht mehr ausgeschlossen. Demnach ist eine grüne Regierungsbeteiligung mit Übernahme des Landwirtschaftsministeriums derzeit nur die dritte Möglichkeit. Anders sieht es in Wiesbaden aus. In Hessen wird ebenfalls am 22. September gewählt. Da steht die Mehrheit in der aktuellen Sonntagsfrage klar auf rot-grün. Und das Stimmenverhältnis in der AMK kippt weiter.
Das 10-Punkte-Papier ist bei den Länderministerien hinterlegt. Z. B. http://mulewf.rlp.de
Roland Krieg; Fotos: roRo