Grüne Wälle gegen Wüsten
Landwirtschaft
Bremen hilft China gegen Desertifikation
Oft heißt es im Wettbewerb zwischen Nahrungs- und Energiepflanzen, es gebe eine Flächenkonkurrenz. Die genauere Betrachtung zeigt jedoch, dass es sich eher um eine Nutzungskonkurrenz handelt. Landwirtschaftlich nutzbare Flächen gibt es genug.
Noch. Doch Bodenwissenschaftler warnen, dass wir es uns nicht auf Dauer leisten können, durch Versalzung, Desertifikation oder Bodenverdichtung jährlich etwa 20 Millionen Hektar Fläche zu verlieren.
Desertifikation ist weltweit bedeutend
Von der Definition her bedeutet „desertum facere“ (wüst machen): "Landverödung in ariden, semiariden und trockenen sub-humiden Gebieten infolge verschiedener Faktoren, einschließlich Klimaschwankungen und menschlicher Tätigkeiten." Die Definition im Übereinkommen zur Bekämpfung der Wüstenbildung stammt aus dem Jahr 1996 und beinhaltet nicht nur die Ausbreitung bestehender Wüsten, sondern auch die Bildung neuer Wüsten und Steppenlandschaften. Die UN-Umweltbehörde schätzt die jährlichen Einkommensverluste durch Desertifikation auf rund 42 Milliarden US-Dollar. Der Prozess ist nicht nur auf die Entwicklungsländer beschränkt: Italien, Spanien und Griechenland leiden genauso unter dem "Sahelsyndrom".
Kubuqi bedroht Peking
Im Norden Chinas gibt es eine 4.500 km lange und 600 km breite Zone, die langsam versandet und fruchtbares Ackerland zerstört. Die Kubuqi, die siebtgrößte Wüste der Welt, liegt Peking am nächsten und bedroht durch den Abtrag des Nährbodens die Lebensgrundlage von rund 170 Millionen Menschen. Die Übernutzung von Boden- und Wasserressourcen sowie die Zerstörung der natürlichen Vegetation beschleunigen diese Entwicklung. Deshalb arbeitet das Bremer Unternehmen Waterman mit dem Forschungsdienstleister ttz Bremerhaven und dem Zentrum für Umweltforschung und nachhaltige Technologien (UTF) der Universität Bremen zusammen und entwickelt auf Testflächen des Chinesischen Forstwissenschaftlichen Instituts in der inneren Mongolei grüne Vegetationszonen, die Ackerland schützen.
"Grüne Wälle" sollen die Windgeschwindigkeiten verringern, die Abtragung fruchtbarer Erde minimieren und die Verdunstung reduzieren, so dass auf den angrenzenden Ackerflächen weniger Bewässerung notwendig wird. China wird in einem staatlichen Programm bis 2010 insgesamt 40 Millionen Hektar Grüngürtel anlegen.
Vegetationsmanagement
Die drei Akteure aus Bremen teilen sich den Forschungsaufwand. Das ttz Bremerhaven ist für die Auswahl, Kombination und Anordnung regionaler Pflanzen zuständig. „Für einen langfristigen Erfolg dieser Pflanzengemeinschaften müssen neben den wissenschaftlichen Kriterien wie Erosionsschutzleistung und eingesetzte Wasser- und Nährstoffmenge auch Nutzungs- und damit Einkommensmöglichkeiten wie beispielsweise über Verkäufe von Holz und Früchten, für die lokale Bevölkerung berücksichtigt werden“, sagt Mirko Hänel, kaufmännischer Leiter des Landschaftsmanagement am ttz.
Trocken- und salztolerante Pflanzen sind als Windbarriere nicht optimal, weil sie zu langsam wachsen. Pappeln und Weiden sind als schnellwachsende Monokulturen zu anfällig, so dass eine Mischung mit heimischen Baum- und Pflanzenarten dem Grüngürteln Stabilität verleihen soll.
Waterman übernimmt die Bewässerungstechnik und führt das kostbare Nass im Boden direkt den Pflanzenwurzeln zu. Das mindert Verdunstung und Bodenversalzung und es können gezielt Nährstoffe bereit gestellt werden.
Die Universität Bremen erhöht den Erosionsschutz, indem eine „belebte Erde“ geschaffen wird. Die besteht zum einen aus einem Substrat, dass für das Pflanzenwachstum nicht geeignet ist und mit Kompost und Wasserabsorbern für eine verbesserte Wasserführung vermischt wird. Hinzu kommt eine Bodenaktivierung durch Beimengung standortspezifischer Pflanzensamen und Bodenorganismen.
Wird der Desertifikation Einhalt geboten, dann gibt es zahlreiche Zusatzeffekte: Die Ernährungssicherheit der Landbevölkerung verbessert sich und kann zur Reduktion der Landflucht beitragen. Jede erhaltene Siedlung stellt zusätzlich eine Windbarriere gegen die Ausbreitung der Wüste dar.
Afrikas „Grüne Mauer“
Die Idee, mit einer „Grünen Wand“ auch in Afrika die Ausbreitung der Sahara zu stoppen, gibt es seit 2005. Im Sommer diesen Jahres hat nun eine Gemeinschaft der Sahel-Sahara-Staaten (Cen-Sad) in Benin beschlossen, das Projekt endlich anzugehen. Die „große grüne Mauer“ soll sich zwischen Mauretanien im Westen und Djibouti im Osten über eine Länge von 7.000 km hinziehen. Der grüne Staubfänger soll 15 Kilometer breit werden.
Allerdings wird es kein panafrikanisches Projekt sein, sondern auf nationalen und bereits existierenden Aufforstungsprojekten aufsetzen. So arbeitet das zwischenstaatliche Komitee für Trockenheitskontrolle im Sahel (CILSS) in Burkina Faso, Mali, Mauretanien, Niger, Nigeria und dem Senegal und will im September mit den ersten Pflanzungen beginnen. Zeitgleich startet die Intergovernmental Authority on Development (IGAD) in Tschad, Djibouti, Eritrea, Äthiopien und dem Sudan.
Drei Millionen Dollar stehen für das Projekt zur Verfügung und die Gelder sollen erst nach zwei Jahren ausbezahlt werden, wenn die Bäume noch stehen.
Einen Zusatznutzen erhoffen sich die Länder durch die Entwicklung der natürlichen Ressourcen für Fischerei und Tierhaltung. Joséa Dossou Bodjrénou, Leiter des Tropenzentrums am Naturwissenschaftlichen Museum in Benin, weist auf die Beteiligung der lokalen Bevölkerung hin. Sie müsse für das Thema sensibilisiert werden, um die Bedeutung der Anpflanzungen zu verstehen. Andererseits würden sie diese wieder zerstören. Deshalb soll sie an der arbeitsintensiven Bepflanzung beteiligt werden und ihre Erfahrungen einbringen, welche Pflanzen und Bäume auf ihren Böden am besten wachsen. Bodjrénou will auf importierte Bäume verzichten.
VLE; Foto: ttz Bremerhaven