Grüne wollen das Tierschutzstrafrecht verschärfen

Landwirtschaft

Viele Gründe für eine Verschärfung des Tierschutzstrafrechts

In einem Gesetzantrag wollen Bündnis 90/Die Grünen das Tierschutzstrafrecht verschärfen. Das Tierschutzgesetz und sein Vollzug würden dem Staatsziel Tierschutz im Grundgesetz nicht gerecht. Zentral sei ein „erhebliches Kontrolldefizit“, das Verstöße gar nicht erst aufdeckt und kaum verfolge. Zudem seien die Strafen alles andere als abschreckend. Strafbare Handlungen sollen in das Kernstrafrecht überführt werden. Die Partei zitiert in ihrem Gesetzentwurf den Staatsrechtslehrer Prof. Dr. Steffen Augsberg, der auch Sprecher der Arbeitsgruppe Tierwohl im Deutschen Ethikrat ist: „Ich jedenfalls kenne kein Rechtsgebiet, in dem so heuchlerisch vorgegangen wird, wie im Tierschutzrecht.“ Schöne Formulierungen versprächen Respekt gegenüber dem Mitgeschöpf Tier, die Wirklichkeit aber sähe anders aus. Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft des Bundestages hat am Montag in einer öffentlichen Anhörung das Thema ausgelotet.

Persönliche Erfahrungen

Dr. Kai Braunmiller ist Leitender Veterinärdirektor und Facharzt für Tierschutz und Öffentliches Veterinärwesen in Bayreuth und kann das Urteil des Ethikrates nur bestätigen. Aus seiner Praxis heraus bestehen die Defizite besonders in der gewerblichen Nutztierhaltung, der Schlachtung und den Tiertransporten. Der Hauptgrund sei das „Billigsystem für Fleisch und Milch“. Die Staatsanwälte sehen in den Verstößen oftmals nur eine Bagatelle, die bei Heimtieren wegen der persönlichen Nähe strenger geahndet würden. Den Gerichten aber fehlten die Fachkenntnisse für eine gute Bewertung und müssten auf Gutachter zurückgreifen. Seit 1972 habe es lediglich drei Urteile mit einer Freiheitsstrafe im Tierschutzstrafrecht gegeben. Als Lösung schlägt Braunmiller eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft vor sowie eine verbesserte Kommunikation zwischen Behörden und der Justiz.

Die Umsetzung ist aber alles andere als einfach, wie Oberstaatsanwalt in Oldenburg, Dirk Bredemeier, ausführt. Die Überführung des Tierschutzgesetzes in das Strafgesetzbuch (StGB) könne durchaus einen Vorteil haben, weil damit Kommentierungen und die einschlägige Rechtsprechung sichtbarer werden. Für den Richter hingegen mache das für ein Urteil keinen Unterschied. Ablehnend steht Bredemeier der Differenzierung zwischen privaten und gewerblichen Tierhalter gegenüber. Es mache zwar einen Unterschied, ob ein Privatmann einen Strafverstoß begeht oder eine Person, die sich bewusst für die Sorge und Haltung von Tieren entschieden hat. Im Gesetzentwurf aber werde die Unterscheidung nicht klar definiert. Auch der Begriff „Bande“ für die entlang der Wertschöpfungskette beteiligten Akteure ist dem Oberstaatsanwalt fremd. In dieser Form der arbeitsteiligen Vorgehensweise existiert die „Bande“ nicht in der bisherigen Rechtsprechung. Veterinäre befänden sich in der „Zwickmühle“, dass sie bei förmlichen Anordnungen an Landwirte zu streng vorgehen und von den Verwaltungsgerichten „zurückgepfiffen“ würden, oder bei zu weniger strenger Vorgehensweise, ein pflichtwidriges Verhalten begehen. Deshalb würden viele Amtsträger in ihren Anforderungen für Verbesserungen unklar bleiben.

Die Analyse

Prof. Dr. Elisa Marie Hoven, Strafrechtlerin an der Universität Leipzig, hat für ein Forschungsprojekt 150 Tierschutzstrafverfahren ausgewertet und mit 14 Experten Interviews geführt. Bei einem Großteil der Fälle wird das Verfahren, selbst bei schweren Verstößen, eingestellt. Das liege einerseits an der normativen Ausgestaltung des Tierschutzgesetzes, als auch an der tatsächlichen Norm in der staatsanwaltschaftlichen Praxis. Demnach sei die Verortung des Tierschutzgesetzes in das Strafgesetzbuch ein „klares Signal an Öffentlichkeit und Justiz“. Hoven hat auch klare Vorstellungen, wie die Abkehr von der „anthropozentrischen Sichtweise“ umgesetzt werden kann: Der Gesetzentwurf plant einen neuen § 141 in den siebten Abschnitt des StGB als „Straftat gegen die öffentliche Ordnung“. Besser allerdings sei eine Ergänzung im 29. Abschnitt (Straftaten gegen die Umwelt“, dem der Zusatz „… und die Tiere“ eingefügt wird. Hoven begrüßt zudem die Anhebung des Strafmaßes auch für die Amtspersonen, die wie die Halter für die Tiere verantwortlich sind.

Das Tier bleibt Objekt

Strafrechtsprofessor. Dr. Michael Kubiciel von der Universität Augsburg hält dagegen, dass in Bayern die „Aburteilungsquote“ bei Tierschutzverstößen höher als bei Körperverletzungen sei. Regionale Vollzugsdefizite seien strukturell und institutionell bedingt. Für eine Verschiebung des Tierschutzgesetzes in das Kernstrafrecht „besteht auch kein Anlass.“ Im Gegenteil seien Strafbarkeit und Strafwürdigkeit der so genannten Tierquälerei „seit jeher umstritten“. Der Schutz des Tieres „lässt sich nach ganz herrschender Meinung nicht mit eigenen subjektiven (moralischen) Rechten begründen, sondern damit, dass der Mensch bestimmte Eigenheiten der Tiere anerkennt, aus diesen einen Eigenwert ableitet und ihnen den Status eines moralischen Objekts zuspricht.“ Das Tier bleibe weitgehend Objekt und das Tierschutzgesetz „schützt sittlich-moralische Mindeststandards, auf deren Einhaltung sich die Rechtsgemeinschaft“ verpflichtet fühlt. Aus diesem Grunde wurde das Tierschutzgesetz in das Grundgesetz aufgenommen. Das Tierschutzgesetz sollte in seiner Strafbarkeit nicht aus seinem Kontext heraus in das StGB überführt werden. Zum Deutschen Ethikrat ergänzt Kubiciel, dass auch der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik und Ernährung zwar auch von Vollzugsdefiziten im Tierschutzrecht spricht, aber die Verlagerung in das StGB „jedoch nicht einmal“ angesprochen habe. Der Strafrechtexperte hat auch die Zahlen aus dem Freistaat zur Hand: Zwischen 2016 und 2018 hat es 2.849 Ermittlungsverfahren gegeben. Von den in den Jahren 2016 und 2017 geführten 1.766 Verfahren habe es 439 Aburteilungen und 376 Verurteilungen gegeben. Das entspricht einer Quote von 25 Prozent und weise das Tierschutzgesetz als „scharfes Schwert“ aus.

Jäger und Fischer

Prof. Dr. Sven Herzog lehnt Wildökologie an der Technischen Universität Dresden und hat sich den Tierschutzdefiziten beim Umgang mit Wildtieren gewidmet. Dabei geht es vor allem um Fischen und Jagd. Die Jagd werde zunehmend durch ökonomische Partikularinteressen instrumentalisiert. Dabei hat er die Vermeidung von Wildschäden im Forst im Blick. Klassische Elemente des waidgerechten Jagens würden zunehmend aufgegeben. Als Beispiele nennt er Nachtsichtgeräte, Schwarzwildfänge oder Bewegungsjagden. Die grüne Gesetzesvorlage beschäftigt sich allerdings nicht mit diesem dringlichen Problem. Herzog verweist auf die Problematik der Diskussion um die Novelle des Jagdgesetzes, bei dem verschiedene Interessengruppen das Gesetz für sich vereinnahmen wollten. Jäger und Fischer könnten genauso wie im Naturschutz tätige Personen mit Garantiepflichten in die Verschärfung des Gesetzes aufgenommen werden – wobei Herzog befürchtet, dass ihnen dann „ein gesellschaftliches Grundmisstrauen“ entgegengebracht werde.

Unzutreffende Annahmen

Rechtsanwalt Dr. Walter Scheuerl holte zum Gegenschlag gegen den Gesetzentwurf aus und führte unzutreffende Annahmen der Grünen für ihren Gesetzentwurf auf. Der Gesetzentwurf basiere ausschließlich auf Medienberichte investigativer Journalisten und Magazine, die Videomaterial von „Tierschutzorganisationen“ in skandalisierter Form vermarkten. Die Zusammenarbeit zwischen den Tierschützern und Magazinen sei als „loyal bekannt, so dass hier von einer Vermarktungsschiene gesprochen werden kann“. Demgegenüber werden Tiere in den landwirtschaftlichen Betrieben „ganz überwiegend … einwandfrei und tiergerecht“ gehalten. Das Zusammenschneiden von Filmmaterial bezeichnet Scheuerl als manipulativ und wirft den Redakteuren mangelnde Gegenrecherchen vor. Auch die Thünen-Analyse aus dem Jahr 2015 über Defizite im Vollzug „stützt sich erkennbar nicht auf eine repräsentative Datenlage“. Wenn es Vollzugsdefizite gebe, sollte die Zahl der Amtstierärzte erhöht werden.

Tierärztekammer drängt auf Verschärfung

Die Bundestierärztekammer (BTK) hingegen begrüßt den Gesetzentwurf und führt an, dass die Vor- und Nachteile für eine Reform des Tierschutzkriminalstrafrechts „ausführlich begründet und nachvollziehbar abgewogen“ wurden. Damit meint die das Gutachten von Prof. Jens Bülte, dem der Gesetzentwurf folgte, Rechtsanwalt Scheuerl nicht. Eine Schwächung des Tierstrafrechts werde durch den Umzug in das StGB entstehen, wie das Umweltrecht gezeigt habe. Der Geschäftsgrundlage in Unternehmen, tierschutzwidrige Sachverhalte aus Kostengründen zu tolerieren, könne die Erweiterung des Strafrechts den Boden entziehen. Die Kammer hält auch die Einbeziehung der „Amtsträger“ sei richtig – sofern ihnen die notwendige Häufigkeit und Sorgfalt der Prüfung zugestanden werde. Die Veterinäre wünschen sich ein häufiger verhängtes Tierhaltungsverbot, das im Entwurf lediglich formal vorhanden sei. Die „kann“- müsse in eine „muss“-Bestimmung überführt werden.

Roland Krieg

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