Grünes Licht für Stoppelweizen

Landwirtschaft

Kompromissvorschlag bei GLÖZ 7 und 8

Die Bundesregierung hat in Absprache mit den Bundesländern grünes Licht für ein befristetes Aufweichen der Fruchtfolgeregelungen gegeben, die mit der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik 2023, in seinen Auswirkungen aber schon mit der neuen Aussaat im Herbst 2022, gilt.

Kompromissvorschlag bei GLÖZ-Ausnahmen

Damit folgt Deutschland zum Teil dem Kommissionsvorschlag, beim „guten ökologischen und landwirtschaftlichen Zustand“ (GLÖZ 7) den Fruchtwechsel weiter zu fassen Weizen nach Weizen anbauen zu dürfen [1]. GLÖZ 7 gilt für 35 Prozent der Ackerfläche.  GLÖZ 8 betrifft die Flächenstilllegung, die ab 2023 auf vier Prozent der Fläche verpflichtend eingeführt wird. Da dürfen die EU-Länder auch befristet für ein Jahr Nahrungspflanzen für den Teller anbauen. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat am Wochenende seinen Kompromissvorschlag für die beiden Standards beschieden.

„Was ich vorlege, ist ein Kompromiss, der an der einen oder anderen Stelle auch wehtut, denn er sieht vor, die eigentlich geplanten zusätzlichen Artenschutzflächen erst 2024 einzuführen. In 2023 können die Bauern dann auf diesen Flächen weiter Nahrungsmittel anbauen. Artenvielfaltsflächen und Landschaftselemente, die schon etabliert sind und längst dem Artenschutz dienen, bleiben unangetastet und dürfen nicht umgebrochen werden. Schließlich leisten sie schon einen wertvollen Beitrag für den Arten- und Klimaschutz und für eine nachhaltige Landwirtschaft.“

Der Vorschlag im Detail

Die Regelung zum Fruchtwechsel soll einmalig im Jahr 2023 ausgesetzt werden. Damit können Landwirtinnen und Landwirte in Deutschland auch im Jahr 2023 Weizen nach Weizen anbauen. In den Vorjahren war dies auf etwa 380.000 Hektar der Fall. Nach wissenschaftlichen Berechnungen könnten damit bis zu 3,4 Millionen Tonnen mehr Weizen erzeugt werden.

Die erstmalige verpflichtende Flächenstilllegung soll im kommenden Jahr ausgesetzt werden. Stattdessen soll weiterhin ein landwirtschaftlicher Anbau möglich sein, allerdings nur von Getreide (ohne Mais), Sonnenblumen und Hülsenfrüchte (ohne Soja). Das gilt nur für die Flächen, die nicht bereits 2021 und 2022 als brachliegendes Ackerland ausgewiesen waren. Die bestehenden Artenvielfaltsflächen werden dadurch weiterhin geschützt und können ihre Leistung für Natur- und Artenschutz sowie eine nachhaltige Landwirtschaft erbringen. Wissenschaftliche Berechnungen gehen davon aus, dass damit etwa 100.000 bis 180.000 Hektar Acker weiterhin für die Getreideproduktion zur Verfügung stehen. Damit können etwa 600.000 bis eine Million Tonnen Getreide zusätzlich produziert werden.  GLÖZ 8 besteht noch aus weiteren Teilen, einer Verpflichtung zum Erhalt von Landschaftselementen, wie Hecken, Sträucher und Feldgehölze, sowie einem Schnittverbot von zum Beispiel Hecken und Bäumen in bestimmten Zeiten. Diese beiden Aspekte sind von der Ausnahmeregelung der EU-Kommission ausdrücklich nicht erfasst.

„Gerade rechtzeitig“

Der Vorschlag kommt gerade rechtzeitig für die Aussaat des neuen Winterweizens, die ansteht, erklärte Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) – „es war aber auch schon 5 vor 12!“.

Lob gibt es auch von der Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen aus Nordrhein-Westfalen (CDU): „Ich bin erleichtert, dass Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir nun doch noch kurz vor der Aussaat die richtigen Weichen für die zwingend notwendige Nahrungsmittelproduktion gestellt hat. Das sorgt bei unseren 33.000 Landwirtinnen und Landwirten in Nordrhein-Westfalen für mehr Planungssicherheit.“

Dabei geht es längst nicht nur um den Schwarzmeerweizen. Der Sommer 2022 könnte ein Beispielsommer für die Zukunft sein [2]. Kaniber nimmt in ihrem Statement darauf Stellung: „Denn es ist nicht nur der furchtbare Krieg in der Ukraine, sondern auch die Trockenheit in vielen Teilen Europas, die zu geringeren Ernten führt und den Druck auf die Getreidemärkte zusätzlich erhöht.“

Es müsse mehr sein

Der Deutsche Bauernverband (DBV) begrüßt den Kompromiss, sagt aber: „Eine Aussetzung für ein Jahr ist sicherlich nicht ausreichend. Um weiterhin eine sichere Lebensmittelversorgung gewährleisten und in Krisenzeiten reagieren zu können, müssen wir alle Flächen nutzen können, auf denen es landwirtschaftlich sinnvoll ist. Die Bundesländer müssen dies jetzt zügig bestätigen.“

Scharfe Kritik vom DUH

Die Deutsche Umwelthilfe hingegen kritisiert die Entscheidung „scharf“ und wirft der Bundesregierung vor „gegen den Geist ihres eigenen Koalitionsvertrags zu verstoßen. In diesem verspricht die Ampelkoalition eine ökologischere Agrarpolitik. Jetzt setzt sie aber das Gegenteil in die Realität um: die Torpedierung des Artenschutzes, obwohl es für die Ernährungssicherung und auch klimapolitisch weit bessere Alternativen gibt.“ So soll die Flächennutzung für Biokraftstoff und Futtermittel reduziert werden.

Keine andere Wahl

Der Europaabgeordnete Martin Häusling (Die Grünen/EFA) entschuldigt Özdemirs Entscheidung, weil er keine andere Wahl hatte. Sowohl die meisten EU-Mitgliedsländer als auch die meisten Bundesländer in Deutschland haben ich für eine Aussetzung der Standards ausgesprochen. Es brauchte keinen Druck von Bauernverband und Agrarindustrie, sagte Häusling. Die EU-Kommission habe Ende Juli den Rahmen für die Aussetzung in einem delegierten Rechtsakt abgesteckt. So blieb „Cem Özdemir eigentlich keine andere Wahl. Klar bleibt nach den Ankündigungen Özdemirs, dass der Verzicht auf die ökologisch wichtigen Instrumente auf ein Jahr begrenzt bleibt und bisherige ökologische Vorrangflächen davon unberührt sind. Das reduziert die Aussetzung der Stilllegung auf zwei Prozent der Ackerflächen.“ Die Entscheidung werde jedoch die Wurzeln des Hungers, das Verteilungsproblem, nicht beseitigen.

Wie geht es weiter?

Die Bundesländer müssen dem Kompromiss jetzt noch zustimmen. Detailfragen, auf welche Öko-Regelungen die Landwirte verzichten müssen, wenn sie von den Ausnahmen Gebrauch machen, stehen noch aus. Cem Özdemir hatte in der Sonder-Agrarministerkonferenz vom „Kleingedruckten“ gesprochen, das hinter den GLÖZ-Standards steht.

Bis zum 28. August muss Berlin den mit den Ländern abgestimmten Vorschlag an Brüssel übermitteln. Mitgliedsländer, die bis dahin keinen Kompromiss gemeldet haben, sind verpflichtet, GLÖZ 7 und 8 in ihrer Ursprungsfassung anzuwenden.

Lesestoff:

[1] Ausführlich: AMK-Sonderkonferenz zum nationalen Strategieplan und Ausnahmen zu GLÖZ 7 und 8: Leseclub 30/2022 „Marktplatz“

[2] Hitze, Dürre und die Attributionsforschung: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/hitze-und-duerre-und-die-attributionsforschung.html

Roland Krieg

© Herd-und-Hof.de Nutzungswünsche: https://herd-und-hof.de/impressum.html

Zurück