Gutachterstreit um Opt-out

Landwirtschaft

Grüne Agrarminister treiben Keil in die Koalition

Es klang so einfach: Die EU-Mitgliedsländer erhalten die Möglichkeit dem Anbau und zuletzt auch das Inverkehrbringen von Produkten zu verbieten, sofern die grüne Gentechnik im Spiel ist. Verbraucher geben in Umfragen ihre Ablehnung der Biotechnologie bekannt und die EU hatte eine Formel für einen Ausweg aus einer Pattsituation gefunden. Sie hat aber ihre Rechnung ohne den deutschen Föderalismus gemacht. Entscheidet der Bund für alle 16 Bundesländer, oder sollen die Bundesländer selbst entscheiden, was dazu führen könnte, dass Nachbarn unterschiedliche Sorten anbauen? Die Forderung nach einer einheitlichen bundesweiten Lösung ist mittlerweile auch schon einige Wochen alt und hat am Wochenende einen neuen Höhepunkt erreicht.

Die sechs von grünen Agrarministern geleiteten Bundesländer Baden-Württemberg (mit Alexander Bonde), Hessen (Priska Hinz), Niedersachsen (Christian Meyer), Nordrhein-Westfalen (Johannes Remmel), Rheinland-Pfalz (Ulrike Höfken) und Schleswig-Holstein (Robert Habeck) haben nach Auswertung eines eigenen Gutachtens Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt zu einer Lösung auf Bundesebene aufgefordert.

Auch das ist nicht neu, weil es zwei Gutachten vom Bund für Naturschutz gibt, die für das Bundesumweltministerium diesen Weg bereits aufgezeigt haben [1]. Auch das Thünen Institut als Bundesbehörde sieht keine Probleme. „Das Rechtsgutachten der Agrarminister prüft vor allem landwirtschaftsbezogene Fragestellungen. So sehen die Gutachter eine Reihe von Gründen, die ein bundesweites Anbauverbot von Genpflanzen rechtssicher machen“, schreiben die Minister. Dazu gehöre der Schutz der konventionellen und ökologischen Landwirtschaft vor Verunreinigungen durch Genpflanzen. Beispiele sind der Schutz vor einem ungewollten GVO-Eintrag in Honig oder Saatgut. Eine Mitsprache der Länder hingegen könne zu einem Flickenteppich führen, der „erhebliche negative Folgen für den Anbau in der Landwirtschaft“ haben könnte.

Das Agrarministerium hatte kürzlich erst einen „Anbauausschuss“ ins Gespräch gebracht, der als Bund-Länder-Gruppe beide Ebenen zusammenführen könnte – aber die Bundesländer nicht aus der Beteiligungspflicht entlässt [2].

Das Bundeslandwirtschaftsministerium hält die Forderung der grünen Agrarminister für „irreführend“ und sie „verkennen die rechtlichen Rahmenbedingungen des Europäischen Rechts“, teilte ein Sprecher am Sonntag mit. Mit unterschiedlichen Zuständigkeiten ausgestattet, sollen Bund und Länder gemeinsam künftige Anbauverbote aussprechen. „Wenn dies rechtssicher zu begründen ist, sind also schon nach dem vorliegenden Gesetzentwurf von Bundesminister Schmidt bundesweite Anbauverbote möglich; allerdings ist die Zusammenarbeit und Expertise von Bund und Ländern nach seiner Ansicht eine unabdingbare Voraussetzung. Der Wahrnehmung, dass vorliegende Gutachten hier unterschiedliche Aussagen treffen, trägt der Gesetzentwurf von Bundesminister Schmidt bereits Rechnung“, sagte der Sprecher weiter. Was mit „markigen Sprüchen gefordert wird, ist das oberflächliche Gegenstück zum rechtlich wetterfesten Tragwerk des Gesetzentwurfes von Bundesminister Schmidt.“ Der Vorschlag der grünen Minister entzöge den Bundesländern ein Verbot und verringere die Rechtssicherheit, die zum Gegenteil führen könnte. Eine Blockade von Schmidts Vorschlag würde am Ende dazu führen, dass die Bundesländer komplett eigene Gesetze erlassen müssten.

Hier wird nicht nur ein Keil in die Regierungskoalition zwischen rotem Umwelt- und schwarzen Agrarministerium getrieben, der Konflikt um das „Opt-out – Modell“ folgt systemtreu der Trennlinie der bisherigen „Gentechnik-Debatte“: Auf der einen Seite steht die zweckrationale Wirtschaft, auf der anderen Seite die wertrationale Gesellschaft. Winter [1] führt diese Bipolarität weiter aus: Instrumentelle Systemwelt gegen kommunikativer Lebenswelt: „Mit der Subjektivierung der Unternehmersinteressen hat die Subjektivierung der gesellschaftlichen und ökologischen Interessen nicht Schritt gehalten.“ Der Verbraucher sei also auf die Hilfe es Staates angewiesen, weil er nicht im gleichen Sinne antworten kann. Gesundheits- und Umweltschutz sind anerkannte Interessen, die Nutzung natürlicher Ressourcen oder der Schutz der kulturellen Tradition steht erst am Anfang. Dem allerdings komme der EU-Vorschlag auch von internationaler Aufmerksam beobachtet entgegen.

Lesestoff:

[1] Winter, G. (2015): Nationale Anbaubeschränkungen und -verbote für gentechnisch veränderte Pflanzen und ihre Vereinbarkeit mit Verfassungs-, Unions- und Völkerrecht, online auf www.bfn.de/fileadmin/BfN/recht/Dokumente/Opt_Out_RGutachten_Winter.pdf Universität Bremen. Eine schnelle Matrix der Zulässigkeiten finden Sie auf S. 45

Willand, A. et al. (2015): Rechtsfragen einer nationalen Umsetzung der Opt-out-Änderungsrichtlinie, online auf www.bfn.de/fileadmin/BfN/recht/Dokumente/Opt_Out_RGutachten_Buchholz_Willand.pdf.

[2] Lösung für den Ausstieg aus GVO-Anbau gesucht

Roland Krieg

Zurück