GVO-Anbau regional möglich
Landwirtschaft
EU verlagert GVO-Thematik auf Regionen
Die einen freuen sich, die anderen sehen das Ende der gemeinsamen Agrarpolitik. Ist die EU gescheitert oder zeigt sie demokratisches Basisverständnis?
Am Donnerstag diskutierten Verbände und Politik in Berlin über den EU-Vorschlag, dass jedes Mitgliedsland selbst über die Zulassung des Anbaus von gentechnisch veränderten Pflanzen bestimmen kann.
Patt in der EU
Die Richtlinie über die Freisetzung genetisch veränderter Organismen (2001/18), die so genannte Freisetzungsrichtlinie, ist in der EU vollständig harmonisiert. Dennoch haben einzelne Länder immer wieder eine Begründung gefunden, den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen im Rahmen der Schutzklausel zu unterbinden. Das führt dazu, dass in einigen Ländern GVO-Pflanzen angebaut werden, in anderen nicht. Die Disharmonie zieht sich auch innerhalb einzelner Länder. So hat Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner dem Mais Mon810 die Zulassung entzogen, während die Amflora-Kartoffel angebaut werden durfte.
„Um aus dieser vertrackten Lage herauszukommen“, möchte die EU die Entscheidung übre die Zulassung den einzelnen Ländern überlassen, erklärte Dr. Nils Behrndt, Stellvertretender Chef im Kabinett des EU-Gesundheitskommissars John Dalli.
Im Detail möchte die EU den neuen Ansatz so verstanden wissen, dass die übergeordnete Zulassung in der EU weiterhin auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht, doch die Länder die nationale Zulassung individuell auch erfassen dürfen. Bislang musste bei einem Verbot eine neue wissenschaftliche Erkenntnis vorliegen, die das Risiko neu beschreibt. Künftig dürfen auch andere Gründe für ein Verbot angeführt werden. Nach Dr. Behrndt kann ein Land den Anbau verbieten, wenn die Koexistenz nicht eingehalten werden kann oder wenn die Biodiversität unter dem Anbau leiden würde. Das Verbot muss auch nicht für ein ganzes Land gelten, sondern kann bis auf die kommunale ebene heruntergebrochen werden. Dr. Behrndt sieht darin das Subsidiaritätsprinzip der EU voll erfüllt, Entscheidungen möglichst nah am Ort der Auswirkungen und Umsetzung fällen zu lassen. Regionale Sensibilitäten könnten so in lokale Entscheidungen eingebracht werden.
Verlagert, nicht gelöst
Die Sachlage wird noch komplizierter, weil der gemeinsame Binnenmarkt auf keinen Fall gefährdet werden darf. Nach Dr. Behrndt wird nur der territoriale Anbau lokal entschieden, was der Wahlfreiheit entsprechen soll, doch Samen und Produkte müssen frei in der EU gehandelt werden dürfen. Damit ist dann auch klar, dass die Bauern im Fokus der regionalen Entscheidung stehen werden – und nicht der vor- und nachgelagerte Handel. Nach Dr. Behrndt schließen sich regionale Verbote und globalisierter Handel nicht aus.
Nach Peter Bleser, agrarpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion zeige der Ansatz keine klare Linie. Mit Verweis auf interregionalen Handel, sei es kaum vermittelbar, dass der eine anbauen darf, sein Nachbar nicht.
Nicht vermittelbar
Zunächst einmal sollte die Prozesskennzeichnung eingeführt werden, die beschreibt, ob im Verarbeitungs- oder Herstellungsprozess schon Organismen eingesetzt wurden, die gentechnisch verändert wurden. Dann würde den Verbrauchern klarer, wie weit die grüne Gentechnik bereits vorgedrungen sei. Dann, so Bleser weiter, könnten die Verbraucher auch selbst entscheiden, welche Produkte sie kauften.
Stärkung der Regionen
Nach Dr. Christoph Then, Geschäftsführer von Testbiotech, würde die Entscheidung hingegen die einzelnen Regionen stärken. Allerdings fehlte noch die Rechtssicherheit, damit die Kommunen sich nicht unvermittelt in einer Auseinandersetzung mit der WTO wegen Wettbewerbsverzerrung wieder fänden. Thens Resümee: „Wir kommen so nicht aus dem Streit heraus!“
Neue Risikobewertung
Die neuen Gründe für ein Verbot sollten nach Ansicht von Dr. Steffi Ober, Referentin für Gentechnik beim Naturschutzbund Deutschland, generell in der Risikobewertung für die Zulassung berücksichtigt werden. Die Erweiterung der Zulassungsstelle um Nichtregierungsorganisationen begrüßte Dr. Behrndt und verwies auf eine vorgelagerte Stelle in London, bei der im Bereich der roten Gentechnik in der Arzneimittelzulassung auch Umwelt- und Verbraucherverbände teilnehmen.
Lesestoff:
Verbot von Mon 810
Abschluss der Biosafenet – Tagung in Berlin
Roland Krieg