GVO: „Reißfeste Textur statt Flickenteppich“

Landwirtschaft

Wer entscheidet über Opt-out?

Nach der Vorentscheidung über ein nationales Anbauverbot gentechnisch veränderter Pflanzen in Brüssel [1], das in der nächsten Woche endgültig vorliegen soll, beeilt sich die Bundesregierung mit der nationalen Umsetzung der Verordnung. Erst seit Freitag an die Ressorts versendet gibt es aber schon heftigen Streit, der dem Thema grüne Gentechnik inhärent zu sein scheint. Bündnis 90/Die Grünen hatten eine Aktuelle Stunde im Bundestag beantragt und Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt zeigte sich zwischendrin auch sichtlich genervt.

Wer entscheidet über das Anbauverbot?

Bislang sind nationale Anbauverbote nur unter eng definierten Bestimmungen zulässig und liefen immer Gefahr, als Störung für den Binnenmarkt angesehen und kassiert zu werden. Weil die EU sich mit 28 Mitgliedsländern bei diesem Thema zu keiner Einigung hat durchringen können, erscheint die nationale Opt-out-Lösung als guter Kompromiss, um das Thema endlich von der Tagungsordnung zu bekommen. Brüssel hat die Rechnung ohne den Föderalismus in Deutschland gemacht.

Die Ausgangssituation klingt einfach: Brüssel erlaubt einen Ausstieg. Der Bund als Vertreter Deutschlands in Europa zieht die entsprechende Option oder nicht. Vorsichtshalber hatten einige Bundesländer auf der Agrarministerkonferenz im Herbst 2014 auf den Zusatz bestanden, sich auch im Falle einer bundesweiten Weigerung, den Anbau auf Länderebene zu verbieten [2]. Konnte das nicht auch anders herum gehen?

Der Entwurf aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium sieht zwar eine flächendeckende Lösung vor, will aber den Bundesländern die Entscheidung überlassen. Nerven zeigte Schmidt, weil die Angriffe auf seinen Entwurf ihm unterstellten, er sei für die Gentechnik. „Ich bin gegen den GVO-Anbau“, musste Schmidt klarstellen und forderte die Opposition auf „vom Eifer zur Realität“ zurückzukommen.

Der Brüsseler Weg sei mit der Unterstützung Deutschlands zustande gekommen, betonte Schmidt. Entweder erlässt jetzt der Bund eine Entscheidung oder er stellt einen Rahmen zur Verfügung, in dem die Bundesländer Einzelentscheidungen treffen können. Ein Anbauverbot würde in Grundrechte eingreifen, auf die das Bundesverfassungsgericht ein Auge habe. Je detaillierter ein Anbauverbot regional begründet werden könnte, desto realistischer könne es sein. Außerdem hätten die Bundesländer eine Stadt- und Raumordnungskompetenz, in die der Bund nicht eingreifen dürfe. Der Gesetzentwurf stelle ein flächendeckendes Verbot nicht in Frage: „Wir wollen keinen Flickenteppich, sondern eine Textur, die reißfest ist.“

Im oder außerhalb des Scheinwerferlichtes?

Harald Ebner, Sprecher für Gentechnik und Bioökonomie von Bündnis 90/Die Grünen, bezweifelt aber genau das. Der Bund stehle sich aus der rechtlichen Verantwortung und schiebe diese kleinen Bundesländern zu, die sich mit den Rechtsanwälten der Saatgutkonzerne auseinander setzen müssten. Ebner appellierte an den roten Koalitionspartner, seine mehrheitliche Ablehnung der grünen Gentechnik, in die Koalition einzubringen und die Verbotsentscheidung beim Bund zu belassen.

Dass sich er Bund aus dem juristischen Scheinwerferlicht stehlen möchte glaubt auch Die Linke. Bei einem „Nein“ könnten die Konzerne alle 16 Landesrichter der Reihe nach vornehmen, fürchtet Eva Bulling-Schröter. „Irgendeiner wird schon umfallen!“. Dieser Einstellung des Bundes fehlte der Respekt vor den Bürgern, die mehrheitlich gegen die Gentechnik sind. Dabei gibt es im Bundestag eine „rot-rot-grüne-weiß-blaue“ Mehrheit, unterstreicht Dr. Kirsten Tackmann nicht zum ersten Mal. „Aber eine Minderheit bremst sie erpresserisch aus.“ Das eigentliche Problem habe auch Brüssel nicht aufgenommen. Mit einem ordentlichen Zulassungsverfahren wäre eine Entscheidung national oder EU-weit einfacher.

Rote Linien

Ute Vogt und Dr. Matthias Miersch machten sich für eine klare SPD-Linie stark. Die vorzeitige Vorlage beziehe nach Vogt das Parlament frühzeitig ein. Es können wichtige Punkte und juristische Einschätzungen gezogen werden, um eine rechtssichere Entscheidung des Bundes zu erhalten. Zwar könnten die Länder regionale Besonderheiten spezifischer beschreiben, aber sie sollten keine Einzelbewertungen abgeben dürfen. Nur, wenn der Bund nicht will, sollten die Länder auf das Veto bestehen.

Vor allem sei es juristisches Neuland, erklärte Miersch. Er orientiert sich an Umweltministerin Barbara Hendricks, die sich eindeutig für den „Bundesentscheid“ festgelegt hat. Auch das Bundesverfassungsgericht wolle eine Zersplitterung in dieser Frage vermeiden. Zudem seien die erlaubten sozio-ökonomischen Gründe oder umweltpolitischen Bedenken landesübergreifend alles andere als föderal zusammengesetzt. Im Bereich der Gentechnik gäbe es keine Länderkompetenz.

Verwunderungen

Verwundert zeigte sich Gitta Connemann (CDU). Dieselben Länder, die jetzt auf ein Länderrecht verzichten, fordern beispielsweise bei der Düngeverordnung und Kompensationsverordnung eine Länderöffnungsklausel. Die Länder bestehen auf einem Flickenteppich von 16 verschiedenen Schulgesetzen, wollen aber bei der grünen Gentechnik sich vom Bund führen lassen.

Verwundert zeigte sich auch Franz-Josef Holzenkamp, agrarpolitischer Sprecher der CDU. In den kleinräumigen Weststrukturen seien Rücksichten zu nehmen. Aber im Osten könnte innerhalb eines 1.000 Hektar-Schlages auch ein „kleines GVO-Feld“ ohne negative Auswirkungen ausgesät werden.

Die Angst vor der Klage

CSU-Politikerin Marlene Mortler ist gegen die grüne Gentechnik. Ein Anbau in Deutschland bringe keine relevanten Vorteile. Weil die Verbraucher die Technik ablehnen, müssen Landwirte und Konsumenten einander vertrauen können. Dennoch müsse ein opt-out rechtssicher sein. Ein nationales Anbauverbot wäre nur eine Scheinlösung, die bald einer ersten Klage zum Opfer fallen würde.

Fazit

Unabhängig von einer Bewertung der grünen Gentechnik: Wieso kuscht hier die gesetzgebende Gewalt vorauseilend vor der rechtsprechenden? Zumal doch alle Staatsgewalt nicht von den Gerichten ausgeht?

Lesestoff:

[1] Regierungen entscheiden über GVO-Anbau

[2] Herbst-AMK in Potsdam

Wissenschaft und Gesellschaft uneins über Gentechnik

Roland Krieg

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