H5N1 lässt Kurse steigen
Landwirtschaft
Vogelgrippe in der Türkei
Am Wochenende überschlugen sich die Meldungen: Nachdem Ende der Woche in der türkischen Ortschaft Dogubayazit nahe der iranischen Grenze drei Geschwister an der Vogelgrippe verstorben sind, meldeten gestern die Nachrichtenagenturen zwei weitere Erkrankungen. Das ZDF berichtete, dass in Istanbul 12 Personen unter Beobachtung gestellt wurden, nachdem sie Geflügel aus Anatolien gegessen haben. Bei sieben Personen im türkischen Nordosten erwies sich der Verdacht als unbegründet.
Angesichts der tragischen Todesfälle und der aufkeimenden Panik, bleibt es schwer, die Situation richtig einzuschätzen. Nach vorliegenden übereinstimmenden Angaben stammen die verstorbenen Kinder aus armen Verhältnissen. In der unterwickelten Gegend ist die Analphabetenrate hoch und Informationen für eine Aufklärung im sicheren Umgang mit Geflügel dringt nur unvollständig durch. Im Gegensatz zu europäischen Verhältnissen, halten viele Bauern Geflügel zum Eigenbedarf innerhalb des Hauses. Das entspricht eher den Hinterhofhaltungen, wie sie in Südostasien üblich sind und dem H5N1-Virus Vorschub leisten. Der türkische Landwirtschaftsminister Mehdi Eker sprach in diesem Zusammenhang von einem ernsten Problem für Anatolien.
Aktuelle Risikobewertung
Die verstorbenen Kinder haben sich beim Spielen mit Köpfen der geschlachteten Hühner angesteckt und nicht untereinander, so Reinhardt Kurth vom Robert-Koch-Institut (RKI) gestern im ZDF. Das RKI hatte zuletzt Ende Oktober im Rahmen der 100jährigen Nobelpreisverleihung an den Virologen international auch über die Vogelgrippe getagt.
In seiner aktuellen Risikobewertung steht beim Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) der illegale Import von Geflügel, Geflügelprodukten und Federn weiterhin an erster Stelle.
Auf Grund der bestehenden Einfuhrrestriktionen ist die Einschleppungsgefahr durch legalen Handel vernachlässigbar. Das der Virus über die Bekleidung, das Schuhwerk und Fahrzeuge eingeschleppt wird, ist vernachlässigbar bis gering. Das gleiche gilt für die Verbreitung über Zugvögel, da der Vogelzug abgeschlossen ist. So bleibt nur der Mensch, der mit illegalem Handel, das Virus einführen kann. Die Wahrscheinlichkeit ist wegen der unbekannten Einfuhrmenge nur schwer einzuschätzen. An den Flughäfen werden aber tonnenweise illegale Einfuhrgüter festgestellt. So fordert das FLI eine verstärkte Gepäckkontrolle bei Einreisenden aus der Türkei, Kroatien, Rumänien, der Ukraine und Russland. Das müsse mit einem verstärkten Informationsangebot an die Reisenden verbunden sein.
Vogelflugrouten
Der Rückflug der Vögel wird erst wieder ab Februar einsetzen und bis Mai dauern. Das wird allerdings, so Chefveterinär J. Zwiazek aus Polen in seiner Bewertung für das FLI, ohne größere Rastpausen vor sich gehen. Drei Viertel der Zugvögel fliegen über Westafrika und der Iberischen Halbinsel zu ihren Brutplätzen. Die Tiere auf der Süd-Ost Route über Kleinasien ziehen über die Krim nach Finnland. Die Zwischenetappe Donaudelta wird von den Tieren genommen, die den Sommer über in Polen bleiben. Ausnahme ist der Weißstorch, der auch in Deutschland brütet.
18 Prozent Kursgewinne
Während die Experten sich mit Fakten der Risikoabschätzung nähern, bereiten sich Pharmaunternehmen anders vor: Das britische Unternehmen GlaxoSmithKline hat am 06. Januar einen Antrag an die Europäische Arzneimittelbehörde gestellt, die Zulassung eines noch experimentellen Impfstoffes in Erwägung zu ziehen. Die US-Gesundheitsbehörde hat dem Unternehmen BioCryst Pharmaceutials die Genehmigung zur Durchführung erster Studien am Menschen bereits erteilt, teilte gestern ein Berater mit. Die an der Nasdaq gehandelte Aktie des Unternehmens kletterte ?um stolze 18 Prozent? wie es hieß. Nach seiner Einschätzung "ist BioCryst keine Eintagsfliege, denn das Unternehmen setzt nicht nur auf die Vogelgrippe-Panik, sondern hat auch andere Probleme im Visier".
Risikobewertungen
Aktuelle Einschätzungen in Deutschland und Antworten zu oft gestellten Fragen finden Sie bei den Instituten www.fli.bund.de und www.rki.de.
Der Berliner Tagesspiegel meldet in seiner heutigen Ausgabe, dass mit zwei Kindern und einem Erwachsenen aus der Kleinstadt Beypazari, westlich von Ankara, die Zahl der amtlich an Vogelgrippe erkrankten Menschen nun acht beträgt. Klaus Stöhr, Influenza-Experte von der WHO, sagte im NDR, dass es trotzdem noch keine neuen Hinweise für eine Übertragung von Mensch zu Mensch gibt. Die Entwicklung eines Impfstoffes solle aber beschleunigt werden, so die Nachrichtenagentur Reuters.
VLE