Haferanbau rückläufig
Landwirtschaft
Bauern wollen sichere Hafervermarktung
>Hätten die Steinzeitbauern den Hafer, der als Ungras im Weizenanbau auftrat, generell ausgerottet und nicht als eigene Getreideart domestiziert, müsste er heute erfunden werden. Im Bereich der Frühstückscerealien weisen Haferflocken noch Wachstumspotenzial auf. Der Hafer ist fettreich, besitzt wertvolles pflanzliches Fett, Vitamine und Mineralien. Haferflocken sind nicht nur in der Kinderernährung wichtig, sondern gehört auch zur gesunden Ernährung Erwachsener dazu. Der steigenden Nachfrage steht allerdings ein sinkendes Angebot gegenüber, wie das Haferforum der DLG-Feldtage auf dem Rittergut Bockerode bei Springe in Niedersachsen zeigte.Sorgenkind Hafer
Dr. Steffen Beuch von der Nordsaat Saatgut GmbH zeigt den Niedergang des Haferanbaus auf. Gab es 1995 noch 23 Züchter, die mit 38 Stämmen arbeiteten, waren es 2009 nur noch vier Züchter mit elf Stämmen und sind es in diesem Jahr sind es nur noch drei Züchter mit vier Stämmen. Woran liegt das? So genau weiß es niemand.
Mit 70 Dezitonnen Ertrag kann Hafer dem Königsgetreide Weizen das Wasser reichen. Mit 80 Kilogramm Stickstoff braucht der Hafer auch nur wenig Aufwand. Aber: Der Grund, warum er weniger angebaut wird, ergibt sich wohl aus dem Komplex Sortenwahl, Klimawandel, Stellung in der Fruchtfolge und Wissensverslust bei den Landwirten, fasst Dr. Beuch zusammen. Ein Praktiker aus dem Leinetal sagte, dass er seit drei Jahren Hafer anbaut und ihn im Wesentlichen über Pferde vermarktet. Hätte er einen sichereren Vermarktungsweg, würde er auch doppelt so viel Hafer anbauen. Ein Praktiker aus dem Rheinland sorgt sich um schwankende Erträge und schwankende Absatzpreise, was den Anbau ökonomisch unsicherer mache als der von Weizen.
Mühlen in der Pflicht
Die Mühlen sind also in der Pflicht, den Bauern eine Anbauzukunft für den Hafer zu geben. Zumal sie zwar rund 300.000 Tonnen Hafer aus Deutschland vermahlen, den Bedarf aber zusätzlich über Importe decken müssen. Öko-Hafer kommt jedoch fast ausschließlich aus Deutschland.
Ulrich Schumacher von den Fortin-Mühlenwerken führt die schlechten Preise im letzten Jahr auf ein saisonales Ereignis zurück. Eine „Riesenernte“ sorgte für einen hohen Vermarktungsdruck und zusätzlich wurden die Silos für Weizen frei gemacht, der besser lagerfähig ist. Heinz Künkele von der Ulmer Schapfenmühle hat seine Haferbauern unter Vertrag, muss sich aber preislich an den nordeuropäischen Hafersorten anpassen, die für die Mühlen auf Grund höheren Kornanteils besser zu verarbeiten seien.
Lagerempfindlichkeit
In der Tat ist Hafer wegen seines hohen Fettgehaltes lagerempfindlich und nimmt leicht Fremdaromen auf, so Dr. Klaus Münzing vom Max-Rubner-Institut. Auch wenn die Mühlen eine größere Toleranz dulden, sollte Hafer bei nur 13 Prozent Feuchtigkeit gelagert werden. Die Lipide im Korn sind für den Geschmack verantwortlich und Verbraucher schmecken Hafer als einziges Getreide auch aus Gebäck heraus. Hafer ist authentisch.
Die steigende Beliebtheit von Hafer macht Verbraucher aufmerksamer. Sie bekommen mit, wenn das Korn dunkle Spitzen aufweist – ein Zeichen, dass das Korn Regen abbekommen hat. Nach Dr. Schumacher ziehen Verbraucher das hellere Korn vor, obwohl es dazu keinen Grund gibt.
Kein Grund, Hafer aufzugeben
Mit Guter Fachlicher Praxis und guter Stellung in der Fruchtfolge, sind nach Dr. Münzing Schwermetalle im Korn und Mykotoxine aber kein Anbauthema. Nach Dr. Beuch weisen die neuen Sorten bessere Korngrößen, einen geringeren Spelzengehalt auf, sind früher reif und haben einen höheren Ertrag. In der Forschung zeigt sich ein Zuchtfortschritt von 0,9 Prozent im Jahr. In der Praxis komme aber nur ein Viertel davon an. Ein Grund könnte sein, dass die Bauern den Hafer von den guten auf die schlechteren Standorte verbannt haben, um mit Weizen sicheres Geld zu verdienen.
Außerdem sind die Sortenempfehlungen unklar. Nach Aufteilung der Haferanbaugebiete sind die Sortenuntersuchungen für die Praxis zu unspezifisch. So ist der ganze Nordosten Deutschlands zusammengefasst. Was für die norddeutsche Ostseeküste gelte, sei aber nicht auf die Brandenburger Trockenstandorte übertragbar. Hier gebe es offensichtlich Reformbedarf.
Winterhafer werde hin und wieder in der Praxis probiert, der gegenüber Sommerhafer als ertragssicher gilt. Aber nur, wenn er durch den Winter gekommen ist. Winterharte Sorten sind nach Dr. Beuch aber auch im Zuchtprogramm.
Das Fazit der Haferrunde zeigt, das die wertvolle Frucht, die durch ihren besonderen Ährenstand allein eine Abwechslung im Landschaftsbild ist, sondern eine Vermarktungschance hat – wenn sie nicht nur nebenbei angebaut wird. Die Hafermühlen können ihren Bauern mit einem Vertragsanbau Sicherheit schaffen, was aber regional begrenzt ist. Die Haferbauern der Schapfenmühle sind maximal 150 Kilometer von ihr entfernt. Darüber hinaus rechnet sich die Fracht nicht, so Heinz Künkele.
Roland Krieg; Fotos: roRo