Halbzeit beim Hirtenzug
Landwirtschaft
Schäfer gewinnen Sympathien
Nicht, das Schäfer unsympathisch sind. Im Gegenteil. Meist allerdings wird ihr Beruf und die Arbeit um ihr tägliches Brot doch eher romantisiert, als mit Wertschöpfung und gesellschaftlicher Aufgabe verbunden. Der in diesem Sommer in Berlin gestartete Hirtenzug allerdings beherrscht die Schlagzeilen. Mehr als 80 Zeitungsartikel, ohne lokale Doubletten, Radio- und TV-Beiträge hat Günther Czerkus, Sprecher der Berufsschäfer, bereits gesammelt – und der Hirtenzug hat gerade auf dem Weg von Dortmund nach Duisburg Halbzeit.
Am Mittwoch morgen kam allerdings die Hiobsbotschaft, dass aus dem geplanten Abstecher zur EU nach Brüssel nichts mehr wird, da Belgien das Treiben einer Schafherde durch den Wald verboten hat. Das Ziel Trier zum Deutschen Grünlandtag zu erreichen bleibt aber bestehen.
Schäfer auf der Roten Liste
Mitte des 19. Jahrhunderts gab es noch 28 Millionen Schafe in Deutschland. Heute sind es nur noch 2,8 Millionen und die rund 2.000 verbleibenden Schäfer haben es immer schwerer Weideflächen zu finden.
Für das Kilo Wolle bekommt der Schäfer 50 Cent. Vier Kilo trägt ein Schaf und die Schur kostet zwei Euro: Ein Nullsummenspiel, so Schäfermeister Klaus Seebürger in Berlin. Für ein Kilo Lammfleisch bekommt der Schäfer auch nur vier Euro, wobei dann noch die Kosten für die Schlachtung und Verarbeitung abgezogen werden müssen. Das ist nicht nur ein saisonales Geschäft, rund die Hälfte des Kilogramms, den ein Bundesbürger im Jahr verzehrt, kommt auch aus dem Ausland. Nicht von der Wanderschäferei, die Landschaften pflegt, sondern in Neuseeland von eingezäunten Herden bis zu 10.000 Schafe ohne Hirten.
In diesem Jahr sind nur noch 30 Auszubildende auf dem Weg zum Schäfermeister. Selbst wenn es bei einem Zusammenbruch der Schafpopulation durch ausländische Tiere wieder möglich wäre, eine Herde zusammenzustellen, wiegt das Fehlen des Knowhow schwerer, so Czerkus. Durch die drei letzten Sommer leicht verwöhnt, fehlt dem neuen Nachwuchs die Erfahrung eine Schafherde satt durch einen verregneten Sommer zu bringen. „Wir wollen keine Schaftechnokraten, die ihre Tiere wie Schweine im Stall halten“, so Czerkus. Die Schäferei ist ein lebenslanges Lernen.
Aus den Augen verloren
Bei Nutztieren fallen den meisten Menschen Rinder und Schweine ein, selbst die Biene hat über kontinuierliche Wissenschaftsarbeit ihre Schlagzeilen – das Schaf hingegen findet kaum statt. Carl Lauenstein, Vorsitzender der Vereinigung Deutscher Landesschafzuchtverbände (VDL), berichtet über den bisherigen Hirtenzug. Die Menschen finden die Schafe attraktiv und fragen bei den Schäfern gerne nach, um mehr über die Schäferei zu erfahren – doch gibt es eben auch manches Hupkonzert, wenn die Herde auf der Straße ist. Dabei, so Lauenstein, ist die Wanderschäferei genau die ursprüngliche Produktionsform, die sich viele gern zurück erträumen.
Und ohne Schafe fehlt etwas: Die Lüneburger Heider oder die Wacholderheiden des Altmühltals. Zwei Beispiele in Deutschland, in denen ohne Schafe in Bälde Wald wüchse. Doch zuletzt klagten die baden-württembergischen Schäfer, dass selbst die Gemeinden, die von diesen Regionen profitieren, die Landschaftspflegegelder nicht oder verspätet ausbezahlten.
Mit dem Hirtenzug haben die Schäfer erstmals gemeinsam auf sich aufmerksam gemacht.
Schafe vernetzen Lebensräume
Die Biologin Leonie Schaefer begleitet den Hirtenzug und widmet sich einzelnen Tieren ganz besonders. Sie zählt, wie viel Pflanzensamen die Tiere in ihrem Wollkleid mit sich tragen und wie weit. Die Kulturlandschaft wurde in den letzten Jahrzehnten stark fragmentiert. Die isolierten Biotope können kaum noch Pflanzensamen austauschen – es sei denn, die Wollträger ziehen von einer Weide zur nächsten. Selbst glatte Samen verfangen sich in der Wolle und werden vom Schaf verbreitet. Die Fellqualität spielt dabei eine Rolle, welche Samen von welchen Pflanzen wie lange zwischen den Haaren hängen. Bislang hat sie ermittelt, dass Samen bis zu sieben Monate hängen bleiben können. So kann das Schaf manche Pflanze weiter verbreiten, als sie es selbst könnte. Das Schaf, so die Biologin, kann daher die Fragmentation der Lebensräume erhalten und diese doch untereinander vernetzen.
Weidetierbesatznachweis
Flächenversiegelung und Zerschneiden der Landschaft sind nur einige Hemmnisse in der Wanderschäferei. Auf der Suche nach Winterweiden müssen die Schäfer mittlerweile auch mit den Biogasanlagen konkurrieren, für die noch der letzte Aufwuchs als Schnitt genutzt wird. Für manche Bauern kurzfristig lohnender als mit einer Winterhütung das Grünland winterfest zu machen.
Die Schäfer fürchten bei der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ab 2014 benachteiligt zu werden. Großflächige Hütehaltungen und Wanderschäfer verfügen kaum über eigenes Land. Hat ein Schäfer beispielsweise einen betriebsindividuellen Prämienanspruch auf 21.000 Euro und keine prämienfähigen Flächen, besitzt er gegenwärtig einen Anspruch auf fünf Sonderzahlungen in Höhe von vier mal 5.000 und einmal 1.000 Euro. Ohne Berücksichtigung der Schäfer in neuen GAP verliert er bis 2013 seine gesamten Prämienansprüche – ohne das die Preise für Wolle, Fleisch oder Landschaftsgelder steigen.
Daher fordern die Schäfer für die GAP nach 2013 einen Weidetierbesatznachweis. Nur dann sollten Gelder innerhalb der ersten Säule ausbezahlt werden dürfen und innerhalb der zweiten Säule müsse eine Bindung der Gelder an die Weidetierhaltung erfolgen. Flächenlose Betriebe müssten anderweitig entlohnt werden.
Forderungen
Der VDL will mit seinem Hirtenzug folgende Forderungen an die Politik herantragen.
- Bestandskennzeichnung statt übertriebener elektronischer Einzeltierkennzeichnung
Das verteuere die Kennzeichnung und ist selbst bei der Schweinehaltung erfolgreich
- Verlässliche und Einkommen sichernde Rahmenbedingungen auch für die GAP-Reform 2013 bis 2020
Weidetierbesatznachweis und Ausgleich für flächenlose Schäfereien
- Ausreichend Impfstoff und Kofinanzierung durch die EU-Kommission gegen die Blauzungenkrankheit
2007 sind mehr als 20.000 Schafe durch die Blauzungenkrankheit verendet.
- Gleichstellung der Schäfer beim Agrardiesel gegenüber den Imkern
Schäfer nutzen für viele Fahrten eher den Pkw statt einen Traktor, der aber von der Agrardieselentastung ausgenommen ist. Imker hingegen können die Verbilligung nutzen.
- Förderung der Ausbildung junger Menschen im Schäferberuf
- Zeitnahe Auszahlung der Pflegegelder an den Betrieb – Landschaftspflegegelder sind keine Almosen.
- Reduzierung der Auflagen in der Selbst- und Direktvermarktung
- Bundeseinheitliche Einführung und gleichzeitig Absenkung der Fleischbeschaugebühren
Lesestoff:
Den Hirtenzug und wissenswertes über Schafe finden Sie auf www.schafe-sind-toll.de
Roland Krieg; Fotos: roRo