Hauptsache gut für die Umwelt und Biodiversität

Landwirtschaft

Thünen-Studie zu überregionalen Investoren in der Landwirtschaft

Julia Klöckner

Die konkurrierende Gesetzgebung in Deutschland ist die Basis für ein buntes Wechselspiel. Mit dem Begriff bestimmt das Grundgesetz nach Artikel 74 welche Rechte in die ausschließliche Hoheit der Bundesländer fallen und wo der Bund zuständig ist. Für das Bodenrecht sind die Bundesländer zuständig; und tun sich mit der Umsetzung der Sicherung familiengeführter Landwirtschaftsbetriebe in dem Maße schwer, wie die landesverantwortliche Parteien intensiv auf Berlin zeigen und Lösungen auf Bundesebene einfordern. Beispiel Bodenrecht.

Die Pacht- und Kaufpreise für Land steigen und werden vor dem Hintergrund von Niedrigzinsen bei den Banken attraktiv für renditesuchendes Kapital. Es sind nicht mehr Bauern die Flächen für ihr betriebliches Wachstum pachten oder kaufen, sondern große Unternehmen und vor allem Akteure außerhalb der Landwirtschaft, die mit großen Summen Fläche und ganze Betriebe kaufen. Außerlandwirtschaftliches Kapital und außerlandwirtschaftliche Investoren sind die bösen Buben im Agrargeschäft. Getoppt von „überregionalen aktiven Investoren“, über die Andreas Tietz und Lutz Laschewski vom Thünen-Institut für Ländliche Räume in Braunschweig am Donnerstag eine neue Studie vorstellten. Die wichtigsten Aspekte sind:

Bund-Länder-Politik

Die Studie hat eigentlich kaum etwas Neues zutage gebracht. Zwei von insgesamt fünf Fallstudien wurden ausgewertet und bauen auf vormalige Thünen-Berichte auf. Dennoch hat Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner die Studie in Auftrag gegeben, damit zu Beginn des Wahljahres die Gesetzgebung ins rechte Licht gesetzt wird. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Bodenmarkt hat 2015 nach der Analyse der aktuellen Situation Handlungsoptionen für die Bundesländer aufgezeigt,. Schlüsselelement ist die regionale Grundstücksverkehrsgesetzgebung. Die Thünen-Studie gilt Klöckner als „Warnschussstudie“, damit die Länder endlich handeln. Lediglich Baden-Württemberg hat innerhalb eines Jahres seine Bodenpolitik geändert. Sachsen-Anhalt ist mit grüner Ministerin derzeit zwar relativ weit mit einem neuen Agrarstrukturgesetz, das aber von Prof. Alfons Balmann vom Leibniz-Institut für Agrarentwicklung und Transformationsökonomien (IAMO) als weltfremd und am Problem vorbeigehend bezeichnet wird. Die Kritik der Linksfraktion läuft regional ebenfalls ins Leere, weil das von ihnen geführte Ministerium in Thüringen bislang auch noch nichts unternommen hat. Brandenburg (B90) und Mecklenburg-Vorpommern (SPD) befinden sich erst im Ankündigungsstatus.

Daher empfindet Klöckner die Kritik an der Bundesregierung für falsch und irreführend. „Es gibt keine Erkenntnislücke, sondern einen Mangel an Umsetzung der Handlungsanweisung“, so Klöckner.

Share Deals

Berlin ist allerdings für die Ausgestaltung der Share Deals verantwortlich. Investoren kaufen große Betriebsteile und zahlen für einen Anteil bis zu 94,9 Prozent keine Grunderwerbssteuer. Allerdings ist hier nicht das Landwirtschaftsministerium, sondern das Finanzministerium zuständig – wie bei der steuerfreien Risikozulage, gegen dessen Einführung sich das Finanzressort seit vielen Jahren beharrlich weigert. Eine Absenkung der Steuerpflicht bei Share Deals ist in der Koalition durchaus im Gespräch. Klöckner will die Steuerpflicht ab 75 Prozent Anteil einführen, Minister Olaf Scholz will nicht unter 90 Prozent gehen. Klöckner betonte am Donnerstag, sie wäre auch mit einer Sonderregelung für die Landwirtschaft zufrieden.

Transparenz

Die Holdings stehen vor allem wegen der Direktzahlungen in Kritik. Die Flächenabhängige Zahlungen aus Brüssel gehen bei großen Holdings schnell in Millionenhöhe. Bislang sind Holdings so verschachtelt, dass eine transparente Auflistung kaum möglich ist. In der zweiten Jahreshälfte wird das Statistische Bundesamt die Holdings aus der Landwirtschaftlichen Erfassung veröffentlichen. Klöckner will dann Konzern und Tochterfirmen als ein einziges Unternehmen bewerten, so dass die Holding nicht zahlreiche Töchter für Zahlungsansprüche für die Umverteilungsprämie anmelden kann.

Flächenfraß

Jeden Tag gehen 54 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche verloren. Das sind auch Flächen, die für Biodiversität und Insektenschutz verloren gehen, betont Klöckner. Seit 1993 hat Deutschland 1,3 Millionen Hektar, eine Fläche so groß wie Jamaika, verloren, die damit den Druck auf die verbleibende Fläche für die Produktion von Lebensmittel, Nahrungsmittel und erneuerbaren Energien erhöht. Und die Bodenpreise für Investoren attraktiv macht [1].

Der Mehrfamilienbetrieb

Die großen Agrarstrukturen in Ostdeutschland bekamen nach der Wende ihre neuen Strukturen [2]. Nicht jedem Genossen war der Weg in die Eigenständigkeit gegeben. Sicherung von Arbeitsplatz und Vermögen stand nach Andreas Tietz im Vordergrund für den Verbleib in der Genossenschaft im Vordergrund. Der Mehrfamilienbetrieb genossenschaftlicher Ausprägung wird vom Deutschen Raiffeisenverband (DRV) als Begründung gegen Kappung, Degression und sonstigen Einschnitte für Großbetriebe angeführt.

Nach Andreas Tietz befinden sich die Mehrfamilienbetriebe allerdings in stetem Wandel. Die Zahl der Mitglieder sinkt, die Geschäftsführung konzentriert sich auf wenige Personen. Dem folgen die Konzentration an Land und einer Wertsteigerung des Bodens. Oft fehlen, wie bei Familienunternehmen innerfamiliäre Nachfolger. Entweder werden Beschäftigungen außerhalb der Landwirtschaft als attraktiver empfunden oder die Übergabe scheitert an finanziellen Forderungen der abgebenden Generation. Die Mehrfamilienbetriebe haben mit dem Generationenwechsel die gleiche „Achillesferse“ wie andere Betriebe auch.

Gegenüber Herd-und-Hof.de führte Andreas Tietz aus, welche Bedingungen für eine gelungene Betriebsweiterführung bestehen müssen. „Diese sind sehr hoch“, sagt er. Die kollektive Identität muss vorhanden sein. „Die Kinder müssen eine gemeinsame Vision von dem Betrieb haben: Ich arbeite in diesem Betrieb, ich lebe in diesem Dorf und ich beziehe meine Grundnahrungsmittel von hier.“ Wenn die Geschäftsführung diese Werte aufrechterhalten kann, werden die Mehrfamilienbetriebe auch in die nächste Generation gehen. „Wenn aber nur noch Getreide für den Weltmarkt produziert wird, gehe die Wertegemeinschaft verloren.“ Das könnte langfristig das Aus für dieses Modell bedeuten.

Wer sind die Investoren?

Es sind weniger Fonds als mehr das Privatvermögen von Großunternehmen, die neue Anlagemöglichkeiten suchen. Anfang des Jahres haben Beratungsgesellschaften Anleger für Forstflächen unter die Lupe genommen. Verluste aus der Forstwirtschaft ließen sich gut mit Gewinnen in den anderen Segmenten des Familienunternehmens verrechnen, heißt es bei den Landmanagern. Aber: Auch bei den außerlandwirtschaftlichen Unternehmen ist der Generationenwechsel angesagt. Die jungen Konzernführer denken nicht nur ökologischer als die Altvorderen, sie investieren auch ökologischer. Andere Länder sind da schon weiter. Die drei größten Zellstofffabriken in Uruguay haben nach einem Bericht der FAZ mit Waldinvestment ihre Klimaneutralität erreicht.

Die regenerative Landwirtschaft mit Humuszertifikaten lockt geradezu Investoren an. Zumal kann ein großer Betrieb Ökologie und Biodiversität leichter in die Fläche bringen, als Hundert kleine Betriebe. Sie unterliegen in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) schließlich den gleichen Zwängen der grünen Architektur.

Das allerdings könne man so pauschal nicht sagen, grenzt Julia Klöckner die These von Herd-und-Hof ein. Das hänge von der Region, den natürlichen Gegebenheiten und natürlich von der Philosophie des Betriebsleiters ab. Wenn große Betriebe mit Präzisionslandwirtschaft Dünger und Pflanzenschutzmittel passgenau ausbringen und einsparen, profitieren sowohl keine als auch große Betriebe davon. Wichtig sei, so Klöckner weiter, dass die neue GAP ergebnisorientierter wird. Am Ende zählt, welche Agrar- Umwelt- und Klimamaßnahmen umgesetzt werden. Die Kommission hatte Ende 2020 die ersten Vorschläge für die Eco-Schemes gemacht [3].

So wie kleine Betrieb nicht per se umweltgerechter und tierwohlfreundlicher sind, sind große Betriebe auch nicht per se schlechter für Umwelt und Nutztiere, fuhr die Ministerin fort. „Wenn das große Ganze Umwelt- und Klimastandards erreicht, dann ist die Frage, wie ich große Betriebe bewerte, nachrangig.“

Das ist kein Plädoyer für Großbetriebe. Es weitet aber den Blick, welche Landwirtschaft die Gesellschaft favorisieren sollte [4]. Derzeit werde die öffentliche Diskussion und Kommentierung durch Bauchgefühl und die eigene Haltung bestimmt, so Klöckner.

Regionalwirtschaftlich zweitrangig

Ob überregionale Holdings oder eine Vielzahl an kleinen Betrieben die Region prägen, hat das Thünen-Institut untersucht. Und das Ergebnis ist vordergründig ernüchternd.  Sowohl vom Steuereinkommen als auch bei der Beschäftigungszahl wirkt sich ein „Groß-Klein“ in der Agrarstruktur auf die Wirtschaftsdaten gar nicht mehr aus. Wirtschaftliche und demographische Größen werden durch die Landwirtshaft kaum mehr beeinflusst. Effekte überregional aktiver Investoren sind nicht messbar.

Das Ergebnis entspricht nicht den diskutierten Verhältnissen. Holding oder Bauer Hubert: die Kommunikation in und mit der Gemeinde wird vom Wesen des Geschäftsführers geprägt und wird siedelt sich in beiden Fällen zwischen „distanziert bis professionell“ an. Sponsoring ist bei den Holdings die Regel. Überregionale Holdings sind aber keine aktiven Akteure, die sich in den Gemeinden einbringen und sich auch bei lokalen Entwicklungsansätzen kaum einbinden. Der Einzellandwirt verhalte sich je nach Einstellung aber auch nicht besser, führt Tietz aus.

Fazit

Sie sind nicht beliebt, die Politik muss neue Steuerungselemente für die Agrarstatistik und Förderpolitik finden. Aber, die Agrarholdings als „neues organisatorisches Muster“ werden kaum verschwinden. Die Studien-Autoren werten die weiteren Fallstudien aus und werden die „Figur des Investors“ dekonstruieren. Am Ende müssten Motive und Verhaltensweisen verstanden werden. Neben einem möglichen Bedeutungsverlust im Verhältnis zwischen Landwirtschaft und Gemeinde bieten Spannungsfelder auch Gestaltungsräume.

Lesestoff:

[1] Helfen Gesetze auf dem Bodenmarkt? https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/helfen-gesetze-auf-dem-bodenmarkt.html

[2] Investoren oder Nachfolger: 30 Jahre neue Agrargeschichte im Osten: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/bauern-oder-investoren.html

[3] Langsam kommt Licht in die GAP: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/langsam-kommt-licht-in-die-gap.html

[4] Deutlich mehr Tierwohl durch technische Dimension: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/die-selbstbestimmte-kuh-nutzt-die-digitalisierung.html

Roland Krieg; Foto: roRo

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