Hecken so wichtig wie ein Wald
Landwirtschaft
Warum Hecken so gut für das Klima sind
In Schleswig-Holstein heißen sie Knicks. Im 18. Jahrhundert wurden zur Abgrenzung der zugewiesenen Parzellen Hecken auf Erdwällen gepflanzt. Dazu gab es sogar ein Verkopplungsgesetz, dass die Privatisierung in einer frühen Agrarreform in Schleswig-Holstein die bis dahin gemeinschaftlich bewirtschafteten, rückgängig machte. Es kehrte den rund 200 Jahre früher geführten Flurzwang der oft kleinen Parzellen wieder um. Bei der Privatisierung wurde ein fairer Ausgleich gesucht [1]. Die Wallhecken sind im nördlichsten Bundesland noch immer auf rund 46.000 Kilometer zu sehen. Der typische Knick ist 80 cm bis einem Meter hoch und mit strauchartig wachsenden Gehölzen bepflanzt. Der Nabu Schleswig-Holstein hebt heute die ökologische Bedeutung der Knicks hervor und hat Tipps für den Knickschutz und die Knickpflege ausgearbeitet [2].
Hecken statt Zäune
Von der Münsterländer Heckenlandschaft ist nicht mehr so viel zu sehen. Sie gehört zur nordwesteuropäischen Heckenlandschaft, die auf Hecken mangels Zäune als Abgrenzung zwischen Ackerbau und Weidegründen baute. Die Erfindung des Drahtzauns hat den Hecken den Garaus gemacht. Die Untere Landschaftsbehörde Borken bezeichnet Hecken als „ein von Menschen geschaffenes „unreifes“ ökologisches System“ [3]. Die Pflege und die Holznutzung der Hecken verhindert die Weiterentwicklung zu einem, beispielsweise, Hainbuchen-Eichenwald. Nicht nur im Münsterland sind viele Hecken verschwunden. Mit den Flurbereinigungsverfahren der 1970er Jahre wurden nach Analyse des Thünen-Instituts die Hälfte aller Hecken in Deutschland eingeebnet.
Großes Klimaschutzpotenzial
Heute gewinnen Hecken eine weitere Bedeutung hinzu. Eine auf Ackerland neu angepflanzte Hecke von 720 Meter kann langfristig die gesamten Treibhausgasemissionen, die ein Durchschnittsdeutscher innerhalb von zehn Jahren emittiert, kompensieren.
Um zu dieser Aussage zu gelangen haben Wissenschaftler des Thünen-Instituts für Agrarklimaschutz in Braunschweig Daten aus 13 Studien mit eigenen Daten ergänzt und insgesamt 150 Hecken wissenschaftlich untersucht. Sophie Drexler war vom Ergebnis überrascht: Pro Hektar wird in einer Hecke im langjährigen Mittel fast genauso viel Kohlenstoff gebunden wie in Wäldern. Dies kann mit der hohen Dichte an Ästen und Zweigen in Hecken und den guten Wuchsbedingungen in der Agrarlandschaft erklärt werden. Besonders viel Kohlenstoff wird auch in den Wurzelstöcken der Hecken gebunden.
Hecken sind ein wesentlicher Weg, die Landwirtschaft klimaneutral zu machen. Eine Kommune mit 5.000 Einwohnern kann zum Beispiel die mit dem Milchkonsum verbundene Treibhausgasemission von zehn Jahren durch das Pflanzen von sechs Hektar Hecken und Feldgehölzen kompensieren.
Nur Neuanpflanzungen haben einen positiven Klimaeffekt
Die größte Wirkung für den Klimaschutz entfalten Hecken, wenn sie auf Ackerböden angepflanzt werden, teilt das Thünen-Institut mit. Denn hier wird zusätzlicher Kohlenstoff nicht nur in der Biomasse, sondern auch im Boden als Humus gebunden. Es sind allerdings nur neu angepflanzte Hecken, die klimawirksam sind, denn mit ihrer zunehmenden Biomasse erhöhen sie die Kohlenstoffspeicherung in der Landschaft. Dieser Kohlenstoffspeichereffekt kann deshalb auch nur einmal angerechnet werden, auch wenn es etwa 20 Jahre dauert, bis eine Hecke aufgewachsen ist. Im Boden kann es sogar noch länger dauern, bis die erhöhten Humusvorräte ein neues Gleichgewicht erreicht haben und nicht weiter steigen.
Als weitere „Nebeneffekte“ schützen Hecken vor Bodenerosion und haben eine kühlende Wirkung. Ein Dürresommer kann der Hecke weniger anhaben und sie verbinden Biotope. „Die vielfältigen Leistungen von Hecken machen diese zu attraktiven Strukturelementen in der Agrarlandschaft“, sagt Projektleiter Dr. Axel Don. Trotzdem ist es in den letzten Jahrzehnten kaum zu neuen Heckenanpflanzungen gekommen. Landwirte sind jedoch überfordert. Jedes Bundesland hat unterschiedliche Förderprogramme und Vorgaben. Für Axel Don ist die langjährige Pflege der Hecke in die Förderung ebenfalls einzubeziehen. Don ist überzeugt: „Es gibt kaum eine Klimaschutzmaßnahme im Agrarbereich, mit der auf so wenig Fläche so viel Effekt erzielbar ist.“ Es gäbe schon erste Firmen, die mit Heckenanpflanzungen eine CO2-Neutralität ihrer Produktion erreichen wollen.
Neue Märkte
Landwirte sind stets auf der Suche nach neuen Märkten. Zur Pflege der Hecke gehört ein Strauchschnitt alle acht bis 12 Jahre. Früher haben die Menschen aus den Hecken ihr Feuerholz gewonnen. Mit einer Nutzung als Holzhackschnitzel könne nach Don der Klimaschutzeffekt sogar noch größer werden.
Geringer Flächenbedarf
Um die in den letzten 60 Jahren gerodeten Hecken wieder neu anzupflanzen, würden nur 0,3 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche benötigt. Damit ließen sich die ausgeräumten Agrarlandschaften wieder einräumen und gleichzeitig zehn Millionen Tonnen CO2 binden und klimaunschädlich machen.
Klimaschutz braucht zudem Flexibilität in Kopf. Bislang ist nach Don offen, ob eine Neuanpflanzung einer Hecke den Status der landwirtschaftlichen Fläche für die Förderfähigkeit gefährdet.
Lesestoff:
Thünen-Studie: Drexler, S., Gensior, A. & Don, A.: Carbon sequestration in hedgerow biomass and soil in the temperate climate zone. Reg Environ Change 21, 74 (2021). https://doi.org/10.1007/s10113-021-01798-8
[1] Klaus-Joachim Lorenzen-Schmid (Hrsg.): Schleswig-Holstein Lexikon 2, 2006, Neumünster ISBN 13: 9-783529-02441-2
[2] https://schleswig-holstein.nabu.de/natur-und-landschaft/knicks/knickschutz-und-pflege/20332.html
[3] Merkblatt zur Anpflanzung von Hecken; Kreis Borken, Fachbereich Natur und Umwelt, Untere Landschaftsbehörde
Roland Krieg Foto: Sophie Drexler /Thünen-Institut)
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