Heizen mit Weizen

Landwirtschaft

In NRW wird Energiegetreide zugelassen

>Getreide ist nach wie vor das wichtigste Grundnahrungsmittel der Welt. Vielfach symbolisiert es die Ernährung selbst und zusammen mit Wasser reichen die Körner aus, um überleben zu können. Darf daher das wertvolle Korn in einem Ofen verbrannt werden, um seine Wärme zu nutzen? Die gesunkenen Preise zeugen von der Entwertung des Getreides als Grundnahrungsmittel, so beklagte vor einigen Jahren bereits Gerhard Hirn von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Marktfähiges Getreide produziert jedoch auch einigen Ausschuss: Mängelgetreide wie Mutterkorn, Auswuchs oder Fusariumbefall gehören nicht in das Brot. Dr. Karsten Block vom Landwirtschaftszentrum Haus Düsse in Nordrhein-Westfalen sah dieses Getreide in der Verbrennung besser aufgehoben.

Technisch nicht unproblematisch
Im Rahmen der Vorlesungsreihe "Perspektiven der Landwirtschaft in Deutschland" an der Universität Göttingen erläuterte Prof. Dr. Wolfgang Lücke vom Institut für Agrartechnik die Möglichkeiten und Grenzen aus technischer Sicht, wie der aid Infodienst aus Bonn vermeldet. Ein Heizwertvergleich zeige, dass 2,5 kg Getreide einen Liter Heizöl ersetzen könnten. Die auf einem Hektar erzeugte Trockenmasse von rund acht Tonnen könne somit unter günstigen Umständen eine Fläche von 800 qm beheizen. Im Vergleich zum Holz tragen die höheren Stickstoffgehalte zwar zur Bildung von Stickoxiden bei, jedoch können eine geringere Düngung und die Züchtung von speziellem Energiegetreide Abhilfe schaffen. Weitere bedenkliche Inhaltsstoffe seien Kalium und Chlor. Sie hätten durch Verschlackung negativen Einfluss auf das Verhalten de Asche und sorgen für eine stärkere Korrosion des Ofens. Für eine restlose Verbrennung des Getreides müsse der Verbrennungsprozess langsamer verlaufen. Damit wären aber größere und teurere Öfen notwendig.

Die Rechtslage
Aus juristischer Sicht könnte Getreide, so der aid Infodienst weiter, nach den Bestimmungen der TA-Luft als zulässiger Brennstoff anerkannt werden, jedoch verbiete das Bundesimmissionsschutzgesetz seinen Einsatz in Kleinfeuerungsanlagen unter 100 kW. Derzeit sei die Technik noch aufwändiger als bei der Verbrennung von Öl und Gas. Angesichts der weiteren Verteuerung fossiler Brennstoffe relativiere sich das Verhältnis aber zusehends. Prof. Lücke sieht Vorteile in der verbesserten CO2-Bilanz und der regionalen Wertschöpfung. Daher plädiert er für einen Energiemix, der auch die Verbrennung von Getreide einschließe.
Der Göttinger Theologe Prof. Dr. Reiner Anselm erörterte die Problematik aus ethischer Sicht. Würden positive Gründe wie Energiereserven oder CO2-Neutralität mit den ablehnenden Gründen des Tabubruchs oder der Vernichtung von Nahrungsmitteln miteinander abgewogen, so könne man sich für ein vorsichtiges ?Ja? entscheiden. Voraussetzung sei allerdings eine ausreichende Versorgung mit Nahrungsmitteln. Dabei stellte er klar, dass dieses Problem global gelöst werden müsse und wies auf die begrenzte Reichweite der eigenen Entscheidung hin.
NRW hat in einem Erlass von Dezember 2005 nun das Verheizen von Getreide ermöglicht. Danach können Land- und Gartenbaubetriebe sowie agrargewerbliche Betriebe wie beispielsweise die Mühlen eine Ausnahmegenehmigung erhalten, Getreide, dass nicht für die Nahrungsmittelproduktion geeignet ist, energetisch zu verwerten.

aid: Dr. Ute Zöllner und Renate Kessen; VLE: roRo

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